Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.Die Engländer. dicken ausgaben namentlich griechischer prosaiker unter dem einflussevon Hermanns lehre geübt worden ist, auch nicht viel mehr als makulatur hervorgebracht hat. es bestätigt sich auch hier, dass die methode nicht selig macht, sondern dass es begabung und arbeit, das selbsterworbene wissen und die geistige potenz ist, was darüber entscheidet, ob das lebens- fähig ist, was ein mann in der wissenschaft leistet. was er für die wissen- schaft ist und bleibt, das liegt freilich zuletzt im charakter: denn auch hier zahlen nur gemeine naturen mit dem was sie tun. um so erhebender ist der anblick, wie der zuerst so heftige kampf zwischen den grossen Engländern und Hermann sammt seinen schülern sich endlich auflöst in die anerkennung gegenseitiger ebenbürtigkeit und ergänzung. aber zum schwersten schaden für die tragikerkritik riss ein früher tod die be- deutendsten englischen meister fort, und die schule zeigte sofort den ver- fall, indem sie mit famulusgeschäftigkeit jedes gedankenspänchen Porsons conservirte und consecrirte. England tritt von dem schauplatz gänzlich zurück, und erst in der allerneuesten zeit, wo die landschaftlichen unter- schiede sich in eine internationale philologie fast ganz aufgelöst haben, regt sich neues leben, bezeichnender weise in denselben diametral ent- gegengesetzten richtungen wie auf dem continent, sowol radical alles umstürzend, wie reactionär die errungenschaften der meister preisgebend. Dass das gebiet welches die englische philologie allein bearbeitete ein Die Engländer. dicken ausgaben namentlich griechischer prosaiker unter dem einflussevon Hermanns lehre geübt worden ist, auch nicht viel mehr als makulatur hervorgebracht hat. es bestätigt sich auch hier, daſs die methode nicht selig macht, sondern daſs es begabung und arbeit, das selbsterworbene wissen und die geistige potenz ist, was darüber entscheidet, ob das lebens- fähig ist, was ein mann in der wissenschaft leistet. was er für die wissen- schaft ist und bleibt, das liegt freilich zuletzt im charakter: denn auch hier zahlen nur gemeine naturen mit dem was sie tun. um so erhebender ist der anblick, wie der zuerst so heftige kampf zwischen den groſsen Engländern und Hermann sammt seinen schülern sich endlich auflöst in die anerkennung gegenseitiger ebenbürtigkeit und ergänzung. aber zum schwersten schaden für die tragikerkritik riſs ein früher tod die be- deutendsten englischen meister fort, und die schule zeigte sofort den ver- fall, indem sie mit famulusgeschäftigkeit jedes gedankenspänchen Porsons conservirte und consecrirte. England tritt von dem schauplatz gänzlich zurück, und erst in der allerneuesten zeit, wo die landschaftlichen unter- schiede sich in eine internationale philologie fast ganz aufgelöst haben, regt sich neues leben, bezeichnender weise in denselben diametral ent- gegengesetzten richtungen wie auf dem continent, sowol radical alles umstürzend, wie reactionär die errungenschaften der meister preisgebend. 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Bekker und nach ihm viele bedeutende<lb/> gelehrte den bann des schlendrians gebrochen haben. für die metrik der<lb/> chöre findet man ansätze zu solcher observation bei Elmsley und Gaisford<lb/> (zum Hephaestion); Seidlers buch <hi rendition="#i">de versibus dochmiacis</hi> beherrscht deshalb<lb/> die texte heute noch, weil er weit mehr mit den Engländern beobachtet<lb/> als mit Hermann systematisirt hat. auf diesem gebiete muſs die rechte<lb/> nachfolge für Porsons vorrede zur Hekabe erst kommen. man wird aber<lb/> nicht bezweifeln, daſs nach dieser seite die Porsonsche schule entwicke-<lb/> lungsfähig war. aber nach einer anderen wichtigeren war sie es nicht.<lb/> daſs mehr als zu sätzen geordnete attische wörter in den behandelten texten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [229/0249]
Die Engländer.
dicken ausgaben namentlich griechischer prosaiker unter dem einflusse
von Hermanns lehre geübt worden ist, auch nicht viel mehr als makulatur
hervorgebracht hat. es bestätigt sich auch hier, daſs die methode nicht
selig macht, sondern daſs es begabung und arbeit, das selbsterworbene
wissen und die geistige potenz ist, was darüber entscheidet, ob das lebens-
fähig ist, was ein mann in der wissenschaft leistet. was er für die wissen-
schaft ist und bleibt, das liegt freilich zuletzt im charakter: denn auch
hier zahlen nur gemeine naturen mit dem was sie tun. um so erhebender
ist der anblick, wie der zuerst so heftige kampf zwischen den groſsen
Engländern und Hermann sammt seinen schülern sich endlich auflöst in
die anerkennung gegenseitiger ebenbürtigkeit und ergänzung. aber zum
schwersten schaden für die tragikerkritik riſs ein früher tod die be-
deutendsten englischen meister fort, und die schule zeigte sofort den ver-
fall, indem sie mit famulusgeschäftigkeit jedes gedankenspänchen Porsons
conservirte und consecrirte. England tritt von dem schauplatz gänzlich
zurück, und erst in der allerneuesten zeit, wo die landschaftlichen unter-
schiede sich in eine internationale philologie fast ganz aufgelöst haben,
regt sich neues leben, bezeichnender weise in denselben diametral ent-
gegengesetzten richtungen wie auf dem continent, sowol radical alles
umstürzend, wie reactionär die errungenschaften der meister preisgebend.
Daſs das gebiet welches die englische philologie allein bearbeitete ein
sehr enges war, wenn auch zum groſsen teile durch selbstbeschränkung,
wird niemand mehr verkennen. die chorlieder fallen so gut wie ganz fort,
denn ihre sprache geht in die atthis nicht auf. für die grammatik der
Porsonschen schule waren sie also incommensurabel; man hielt sich in
ihr ja auch von Pindar und, hierin hinter Bentley zurückweichend, von
Homer fern. die metrik der lieder entzog sich dem empirischen con-
statiren des gebrauches, das im dialoge ausreichend war. freilich ist
selbst im Homer mit denselben mitteln sehr viel zu erreichen; es ist
dieselbe methode, mit welcher Im. Bekker und nach ihm viele bedeutende
gelehrte den bann des schlendrians gebrochen haben. für die metrik der
chöre findet man ansätze zu solcher observation bei Elmsley und Gaisford
(zum Hephaestion); Seidlers buch de versibus dochmiacis beherrscht deshalb
die texte heute noch, weil er weit mehr mit den Engländern beobachtet
als mit Hermann systematisirt hat. auf diesem gebiete muſs die rechte
nachfolge für Porsons vorrede zur Hekabe erst kommen. man wird aber
nicht bezweifeln, daſs nach dieser seite die Porsonsche schule entwicke-
lungsfähig war. aber nach einer anderen wichtigeren war sie es nicht.
daſs mehr als zu sätzen geordnete attische wörter in den behandelten texten
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