Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.Der Herakles des Euripides. unbekannt ist, gibt also denselben terminus post quem wie alle andernindicien 26). sonst mag noch angeführt werden, dass der bote zum chore oder besser zum publicum kommt und nach seiner rede geht, ohne dass etwas getan ist, diese einführung der conventionellen bühnenfigur zu motiviren. darin liegt eine gewisse erstarrung der kunst, das ist manier, wie Euripides sie im alter in sehr vielen stücken zeigt. aber genaueres ergibt sich weder hieraus noch aus dem allerdings bemerkenswerten um- stande, dass vor und nach dem botenberichte gesangstücke stehen, was sonst nur in Phoenissen und Bakchen der fall ist. es ist hier durch die ganz besondere erregung des chores motivirt, der zur rede keine fassung hat; wie ja auch die einführung der göttererscheinung mitten im stücke singulär ist. ist so das musikalische element um der besonderen wirkung willen hier in einer ausdehnung angewandt, die sonst erst später vor- kommt, so ist andererseits in den chorliedern der inhaltliche zusammen- hang mit dem drama der allernächste, und stehen sie überhaupt an gehalt in der euripideischen chorlyrik so hoch, dass sie mit den erzeugnissen des letzten jahrzehnts stark contrastiren, wo z. b. Helene Elektra Phoe- nissen die Iphigeneien lieder enthalten, die ebenso gut in einem andern drama stehen könnten. aber die Andromache steht darin wenig besser. oberflächlichem blicke scheint der Herakles in der mitte zu zerreissen und eine doppelte handlung zu enthalten: das scheint ihn dann mit Hip- polytos Hekabe Herakleiden Andromache zusammenzurücken. aber Ale- 26) Vgl. II s. 53. 201. auf demselben niveau wie die menschen bewegen sich
die götter bei Aischylos und in allen prologen, wo sie ja noch allein sind; der Tod der Alkestis geht in das haus, welches Apollon verlassen hat. von der flugmaschine auf die bühne getragen werden sicher Athena in den Eumeniden, Thetis in der Andromache (leuken aithera porthmeuomenos Phthias pedion epibainei 1229). auf der flugmaschine zieht Medeia ab; hat es auch Bellerophontes getan. das s. g. theologeion, d. h. erscheinen in der luft, ist bezeichnet ausser dem Her. in Elektra Ion Orestes, vorauszusetzen ist es ohne bezeichnung in Hiketiden Helene Iphig. Taur. Bakchen. schwierigkeiten kann die Athena des Aias und die Artemis des Hippo- lytos machen, nicht weil die modernen sie auf das theologeion setzen, denn dazu ist gar kein anhalt (im Aias würde es sogar lächerlich sein, da Aias dann aus seinem zelte herauskommen und doch mit dem gesicht auf dieses hingewandt reden müsste), die schwierigkeit liegt darin, dass Odysseus (15) und Hippolytos (1393) die himm- lischen zunächst nicht sehen, ja es steht nirgend, dass sie ihrer ansichtig werden, ausdrücklich. aber Aias steht Athena ganz nahe und sieht sie (khair Athana, os eu parestes 91), und niemand kann glauben, dass Theseus nur eine stimme hört. es ist also anzunehmen, dass die göttinnen zwar unter den schauspielern sich be- wegen, die dichter aber den eindruck des übersinnlichen dadurch wenigstens zur einführung erstreben, dass die sterblichen nicht gleich die körperliche gegenwart der Der Herakles des Euripides. unbekannt ist, gibt also denselben terminus post quem wie alle andernindicien 26). sonst mag noch angeführt werden, daſs der bote zum chore oder besser zum publicum kommt und nach seiner rede geht, ohne daſs etwas getan ist, diese einführung der conventionellen bühnenfigur zu motiviren. darin liegt eine gewisse erstarrung der kunst, das ist manier, wie Euripides sie im alter in sehr vielen stücken zeigt. aber genaueres ergibt sich weder hieraus noch aus dem allerdings bemerkenswerten um- stande, daſs vor und nach dem botenberichte gesangstücke stehen, was sonst nur in Phoenissen und Bakchen der fall ist. es ist hier durch die ganz besondere erregung des chores motivirt, der zur rede keine fassung hat; wie ja auch die einführung der göttererscheinung mitten im stücke singulär ist. ist so das musikalische element um der besonderen wirkung willen hier in einer ausdehnung angewandt, die sonst erst später vor- kommt, so ist andererseits in den chorliedern der inhaltliche zusammen- hang mit dem drama der allernächste, und stehen sie überhaupt an gehalt in der euripideischen chorlyrik so hoch, daſs sie mit den erzeugnissen des letzten jahrzehnts stark contrastiren, wo z. b. Helene Elektra Phoe- nissen die Iphigeneien lieder enthalten, die ebenso gut in einem andern drama stehen könnten. aber die Andromache steht darin wenig besser. oberflächlichem blicke scheint der Herakles in der mitte zu zerreiſsen und eine doppelte handlung zu enthalten: das scheint ihn dann mit Hip- polytos Hekabe Herakleiden Andromache zusammenzurücken. aber Ale- 26) Vgl. II s. 53. 201. auf demselben niveau wie die menschen bewegen sich
die götter bei Aischylos und in allen prologen, wo sie ja noch allein sind; der Tod der Alkestis geht in das haus, welches Apollon verlassen hat. von der flugmaschine auf die bühne getragen werden sicher Athena in den Eumeniden, Thetis in der Andromache (λευκὴν αἰϑέρα πορϑμευόμενος Φϑίας πεδίων έπιβαίνει 1229). auf der flugmaschine zieht Medeia ab; hat es auch Bellerophontes getan. das s. g. ϑεολογεῖον, d. h. erscheinen in der luft, ist bezeichnet auſser dem Her. in Elektra Ion Orestes, vorauszusetzen ist es ohne bezeichnung in Hiketiden Helene Iphig. Taur. Bakchen. schwierigkeiten kann die Athena des Aias und die Artemis des Hippo- lytos machen, nicht weil die modernen sie auf das ϑεολογεῖον setzen, denn dazu ist gar kein anhalt (im Aias würde es sogar lächerlich sein, da Aias dann aus seinem zelte herauskommen und doch mit dem gesicht auf dieses hingewandt reden müſste), die schwierigkeit liegt darin, daſs Odysseus (15) und Hippolytos (1393) die himm- lischen zunächst nicht sehen, ja es steht nirgend, daſs sie ihrer ansichtig werden, ausdrücklich. aber Aias steht Athena ganz nahe und sieht sie (χαῖρ̕ Ἀϑάνα, ὡς εὖ παρέστης 91), und niemand kann glauben, daſs Theseus nur eine stimme hört. es ist also anzunehmen, daſs die göttinnen zwar unter den schauspielern sich be- wegen, die dichter aber den eindruck des übersinnlichen dadurch wenigstens zur einführung erstreben, daſs die sterblichen nicht gleich die körperliche gegenwart der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0374" n="354"/><fw place="top" type="header">Der Herakles des Euripides.</fw><lb/> unbekannt ist, gibt also denselben terminus post quem wie alle andern<lb/> indicien <note xml:id="note-0374" next="#note-0375" place="foot" n="26)">Vgl. II s. 53. 201. auf demselben niveau wie die menschen bewegen sich<lb/> die götter bei Aischylos und in allen prologen, wo sie ja noch allein sind; der Tod<lb/> der Alkestis geht in das haus, welches Apollon verlassen hat. von der flugmaschine<lb/> auf die bühne getragen werden sicher Athena in den Eumeniden, Thetis in der<lb/> Andromache (λευκὴν αἰϑέρα πορϑμευόμενος Φϑίας πεδίων έπιβαίνει 1229). auf<lb/> der flugmaschine zieht Medeia ab; hat es auch Bellerophontes getan. das s. g.<lb/> ϑεολογεῖον, d. h. erscheinen in der luft, ist bezeichnet auſser dem Her. in Elektra<lb/> Ion Orestes, vorauszusetzen ist es ohne bezeichnung in Hiketiden Helene Iphig. Taur.<lb/> Bakchen. schwierigkeiten kann die Athena des Aias und die Artemis des Hippo-<lb/> lytos machen, nicht weil die modernen sie auf das ϑεολογεῖον setzen, denn dazu<lb/> ist gar kein anhalt (im Aias würde es sogar lächerlich sein, da Aias dann aus seinem<lb/> zelte herauskommen und doch mit dem gesicht auf dieses hingewandt reden müſste),<lb/> die schwierigkeit liegt darin, daſs Odysseus (15) und Hippolytos (1393) die himm-<lb/> lischen zunächst nicht sehen, ja es steht nirgend, daſs sie ihrer ansichtig werden,<lb/> ausdrücklich. aber Aias steht Athena ganz nahe und sieht sie (χαῖρ̕ Ἀϑάνα, ὡς<lb/> εὖ παρέστης 91), und niemand kann glauben, daſs Theseus nur eine stimme hört.<lb/> es ist also anzunehmen, daſs die göttinnen zwar unter den schauspielern sich be-<lb/> wegen, die dichter aber den eindruck des übersinnlichen dadurch wenigstens zur<lb/> einführung erstreben, daſs die sterblichen nicht gleich die körperliche gegenwart der</note>. sonst mag noch angeführt werden, daſs der bote zum chore<lb/> oder besser zum publicum kommt und nach seiner rede geht, ohne daſs<lb/> etwas getan ist, diese einführung der conventionellen bühnenfigur zu<lb/> motiviren. darin liegt eine gewisse erstarrung der kunst, das ist manier,<lb/> wie Euripides sie im alter in sehr vielen stücken zeigt. aber genaueres<lb/> ergibt sich weder hieraus noch aus dem allerdings bemerkenswerten um-<lb/> stande, daſs vor und nach dem botenberichte gesangstücke stehen, was<lb/> sonst nur in Phoenissen und Bakchen der fall ist. es ist hier durch die<lb/> ganz besondere erregung des chores motivirt, der zur rede keine fassung<lb/> hat; wie ja auch die einführung der göttererscheinung mitten im stücke<lb/> singulär ist. ist so das musikalische element um der besonderen wirkung<lb/> willen hier in einer ausdehnung angewandt, die sonst erst später vor-<lb/> kommt, so ist andererseits in den chorliedern der inhaltliche zusammen-<lb/> hang mit dem drama der allernächste, und stehen sie überhaupt an gehalt<lb/> in der euripideischen chorlyrik so hoch, daſs sie mit den erzeugnissen<lb/> des letzten jahrzehnts stark contrastiren, wo z. b. Helene Elektra Phoe-<lb/> nissen die Iphigeneien lieder enthalten, die ebenso gut in einem andern<lb/> drama stehen könnten. aber die Andromache steht darin wenig besser.<lb/> oberflächlichem blicke scheint der Herakles in der mitte zu zerreiſsen<lb/> und eine doppelte handlung zu enthalten: das scheint ihn dann mit Hip-<lb/> polytos Hekabe Herakleiden Andromache zusammenzurücken. aber Ale-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [354/0374]
Der Herakles des Euripides.
unbekannt ist, gibt also denselben terminus post quem wie alle andern
indicien 26). sonst mag noch angeführt werden, daſs der bote zum chore
oder besser zum publicum kommt und nach seiner rede geht, ohne daſs
etwas getan ist, diese einführung der conventionellen bühnenfigur zu
motiviren. darin liegt eine gewisse erstarrung der kunst, das ist manier,
wie Euripides sie im alter in sehr vielen stücken zeigt. aber genaueres
ergibt sich weder hieraus noch aus dem allerdings bemerkenswerten um-
stande, daſs vor und nach dem botenberichte gesangstücke stehen, was
sonst nur in Phoenissen und Bakchen der fall ist. es ist hier durch die
ganz besondere erregung des chores motivirt, der zur rede keine fassung
hat; wie ja auch die einführung der göttererscheinung mitten im stücke
singulär ist. ist so das musikalische element um der besonderen wirkung
willen hier in einer ausdehnung angewandt, die sonst erst später vor-
kommt, so ist andererseits in den chorliedern der inhaltliche zusammen-
hang mit dem drama der allernächste, und stehen sie überhaupt an gehalt
in der euripideischen chorlyrik so hoch, daſs sie mit den erzeugnissen
des letzten jahrzehnts stark contrastiren, wo z. b. Helene Elektra Phoe-
nissen die Iphigeneien lieder enthalten, die ebenso gut in einem andern
drama stehen könnten. aber die Andromache steht darin wenig besser.
oberflächlichem blicke scheint der Herakles in der mitte zu zerreiſsen
und eine doppelte handlung zu enthalten: das scheint ihn dann mit Hip-
polytos Hekabe Herakleiden Andromache zusammenzurücken. aber Ale-
26) Vgl. II s. 53. 201. auf demselben niveau wie die menschen bewegen sich
die götter bei Aischylos und in allen prologen, wo sie ja noch allein sind; der Tod
der Alkestis geht in das haus, welches Apollon verlassen hat. von der flugmaschine
auf die bühne getragen werden sicher Athena in den Eumeniden, Thetis in der
Andromache (λευκὴν αἰϑέρα πορϑμευόμενος Φϑίας πεδίων έπιβαίνει 1229). auf
der flugmaschine zieht Medeia ab; hat es auch Bellerophontes getan. das s. g.
ϑεολογεῖον, d. h. erscheinen in der luft, ist bezeichnet auſser dem Her. in Elektra
Ion Orestes, vorauszusetzen ist es ohne bezeichnung in Hiketiden Helene Iphig. Taur.
Bakchen. schwierigkeiten kann die Athena des Aias und die Artemis des Hippo-
lytos machen, nicht weil die modernen sie auf das ϑεολογεῖον setzen, denn dazu
ist gar kein anhalt (im Aias würde es sogar lächerlich sein, da Aias dann aus seinem
zelte herauskommen und doch mit dem gesicht auf dieses hingewandt reden müſste),
die schwierigkeit liegt darin, daſs Odysseus (15) und Hippolytos (1393) die himm-
lischen zunächst nicht sehen, ja es steht nirgend, daſs sie ihrer ansichtig werden,
ausdrücklich. aber Aias steht Athena ganz nahe und sieht sie (χαῖρ̕ Ἀϑάνα, ὡς
εὖ παρέστης 91), und niemand kann glauben, daſs Theseus nur eine stimme hört.
es ist also anzunehmen, daſs die göttinnen zwar unter den schauspielern sich be-
wegen, die dichter aber den eindruck des übersinnlichen dadurch wenigstens zur
einführung erstreben, daſs die sterblichen nicht gleich die körperliche gegenwart der
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