Wilamowitz-Moellendorff, Ulrich von: Einleitung in die attische Tragödie (Euripides Herakles erklärt, Bd. 1). Berlin, 1889.Nachwirkung des dramas. seine kinder erst retten zu lassen, dass das opfer, bei dem er rasendwird, das siegesopfer für den tod des Lykos auch bei ihm gewesen wäre, und der erste teil des dramas also die bedrohung Megaras und der kinder durch Lykos enthalten hätte, das würde Seneca sicher lehren, und dann würde die mythographische vulgata bestätigend eintreten, neben einer anzahl anderer stellen, die zu häufen keinen zweck hat, das die trago- doumena des Asklepiades citirende scholion l 269 Megara Kreontos tou Thebon basileos gemamene Eraklei paidas iskhei Therimakhon kai Kreontiaden kai Deikoonta64), badizontos de autou eis adou epi ton tou kunos athlon Lukos o ton Thebon basileus peistheis Era katastephei tous Erakleous paidas ina thuse. ou gar auton epanexein oeto. paragenomenos de Erakles anairei auton kai tous ekeinou paidas; maneis de dia ten Eran kteinei tous idious. emelle de kai ton adelphon Iphiklea, ei me ephthasen e Athena kolusasa. wir wollen das spiel nicht zu weit treiben und dahingestellt sein lassen, in wie weit sorgfältige erwägung aller varianten die möglichkeit einer wiederherstellung der einzelnen züge bieten könnte; über sie würden auch die sachverständigen sich schwer geeinigt, und irrtümer würden sehr leicht geltung gewonnen haben65). dass der inhalt des euripideischen Herakles sehr wol bekannt sein würde, dass er gar nicht hätte verloren werden können, weil das drama die mythographische vulgata beherrschte, ist die hauptsache. sie ist unzweifelhaft, sie zeugt für den erfolg des dramas am besten, und sie gibt uns die lehre für die methode. aus den bruch- stücken selbst destillirt freilich nur selten jemand eine tragödie; deshalb können wir von den komödien ja wirklich so wenig wissen. aber aus der sagenüberlieferung muss sich ein drama mehr oder minder herstellen lassen, welches in ihr epoche gemacht hat. Nauck hat in der vorrede 64) Therimachos und Deikoon, daneben aber Aristodemos nennt ausdrücklich als von Euripides erwähnt schol. Pind. Isthm. 4, 104, dem wir, wie die mythogra- phischen studien jetzt stehen, doch nur die zahl glauben würden. 65) Einen irrtum, fürchte ich, würden wir begehen. wir würden nach Seneca
annehmen, dass Lykos die Megara mit heiratsanträgen behelligt hätte, zumal wir in schol. Lykophr. 38 Lukon biazomenon ten gunaika Megaran eine bestätigung finden würden. und doch ist das falsch. wir können uns aber trösten: wir würden dann nur ein wirklich euripideisches motiv in einen zusammenhang bringen, der es an sich wol erträgt. es ist das motiv, welches Euripides zuerst im Diktys, dann im Kresphontes angewandt hat. Polyphontes Merope bestürmend gibt in der tat eine ganz analoge situation: sie hat Seneca in das andere stück übertragen. der scholiast ist zufällig mit ihm zusammengetroffen. er wie andere brechungen des inhalts unseres Herakles kann lehren, wie wenig auf diese kleinen züge verlass ist, mit denen mythographen und historiker heut zu tage so besonders gern operiren. Nachwirkung des dramas. seine kinder erst retten zu lassen, daſs das opfer, bei dem er rasendwird, das siegesopfer für den tod des Lykos auch bei ihm gewesen wäre, und der erste teil des dramas also die bedrohung Megaras und der kinder durch Lykos enthalten hätte, das würde Seneca sicher lehren, und dann würde die mythographische vulgata bestätigend eintreten, neben einer anzahl anderer stellen, die zu häufen keinen zweck hat, das die τραγῳ- δούμενα des Asklepiades citirende scholion λ 269 Μεγάρα Κρέοντος τοῦ Θηβῶν βασιλέως γημαμένη Ἡρακλεῖ παῖδας ἴσχει Θηρίμαχον καὶ Κρεοντιάδην καὶ Δηικόωντα64), βαδίζοντος δὲ αὐτοῦ εἰς ᾅδου ἐπὶ τὸν τοῦ κυνὸς ἆϑλον Λύκος ὁ τῶν Θηβῶν βασιλεὺς πεισϑεὶς Ἥρᾳ καταστέφει τοὺς Ἡρακλέους παῖδας ἵνα ϑύσῃ. οὐ γὰρ αὐτὸν ἐπανήξειν ᾤετο. παραγενόμενος δὲ Ἡρακλῆς ἀναιρεῖ αὐτὸν καὶ τοὺς ἐκείνου παῖδας· μανεὶς δὲ διὰ τὴν Ἥραν κτείνει τοὺς ἰδίους. ἔμελλε δὲ καὶ τὸν ἀδελφὸν Ἰφικλέα, εἰ μὴ ἔφϑασεν ἡ Ἀϑηνᾶ κωλύσασα. wir wollen das spiel nicht zu weit treiben und dahingestellt sein lassen, in wie weit sorgfältige erwägung aller varianten die möglichkeit einer wiederherstellung der einzelnen züge bieten könnte; über sie würden auch die sachverständigen sich schwer geeinigt, und irrtümer würden sehr leicht geltung gewonnen haben65). daſs der inhalt des euripideischen Herakles sehr wol bekannt sein würde, daſs er gar nicht hätte verloren werden können, weil das drama die mythographische vulgata beherrschte, ist die hauptsache. sie ist unzweifelhaft, sie zeugt für den erfolg des dramas am besten, und sie gibt uns die lehre für die methode. aus den bruch- stücken selbst destillirt freilich nur selten jemand eine tragödie; deshalb können wir von den komödien ja wirklich so wenig wissen. aber aus der sagenüberlieferung muſs sich ein drama mehr oder minder herstellen lassen, welches in ihr epoche gemacht hat. Nauck hat in der vorrede 64) Therimachos und Deikoon, daneben aber Aristodemos nennt ausdrücklich als von Euripides erwähnt schol. Pind. Isthm. 4, 104, dem wir, wie die mythogra- phischen studien jetzt stehen, doch nur die zahl glauben würden. 65) Einen irrtum, fürchte ich, würden wir begehen. wir würden nach Seneca
annehmen, daſs Lykos die Megara mit heiratsanträgen behelligt hätte, zumal wir in schol. Lykophr. 38 Λύκον βιαζόμενον τὴν γυναῖκα Μεγάραν eine bestätigung finden würden. und doch ist das falsch. wir können uns aber trösten: wir würden dann nur ein wirklich euripideisches motiv in einen zusammenhang bringen, der es an sich wol erträgt. es ist das motiv, welches Euripides zuerst im Diktys, dann im Kresphontes angewandt hat. Polyphontes Merope bestürmend gibt in der tat eine ganz analoge situation: sie hat Seneca in das andere stück übertragen. der scholiast ist zufällig mit ihm zusammengetroffen. er wie andere brechungen des inhalts unseres Herakles kann lehren, wie wenig auf diese kleinen züge verlaſs ist, mit denen mythographen und historiker heut zu tage so besonders gern operiren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0407" n="387"/><fw place="top" type="header">Nachwirkung des dramas.</fw><lb/> seine kinder erst retten zu lassen, daſs das opfer, bei dem er rasend<lb/> wird, das siegesopfer für den tod des Lykos auch bei ihm gewesen wäre,<lb/> und der erste teil des dramas also die bedrohung Megaras und der kinder<lb/> durch Lykos enthalten hätte, das würde Seneca sicher lehren, und dann<lb/> würde die mythographische vulgata bestätigend eintreten, neben einer<lb/> anzahl anderer stellen, die zu häufen keinen zweck hat, das die τραγῳ-<lb/> δούμενα des Asklepiades citirende scholion λ 269 Μεγάρα Κρέοντος<lb/> τοῦ Θηβῶν βασιλέως γημαμένη Ἡρακλεῖ παῖδας ἴσχει Θηρίμαχον<lb/> καὶ Κρεοντιάδην καὶ Δηικόωντα<note place="foot" n="64)">Therimachos und Deikoon, daneben aber Aristodemos nennt ausdrücklich<lb/> als von Euripides erwähnt schol. Pind. Isthm. 4, 104, dem wir, wie die mythogra-<lb/> phischen studien jetzt stehen, doch nur die zahl glauben würden.</note>, βαδίζοντος δὲ αὐτοῦ εἰς ᾅδου<lb/> ἐπὶ τὸν τοῦ κυνὸς ἆϑλον Λύκος ὁ τῶν Θηβῶν βασιλεὺς πεισϑεὶς<lb/> Ἥρᾳ καταστέφει τοὺς Ἡρακλέους παῖδας ἵνα ϑύσῃ. οὐ γὰρ αὐτὸν<lb/> ἐπανήξειν ᾤετο. παραγενόμενος δὲ Ἡρακλῆς ἀναιρεῖ αὐτὸν καὶ τοὺς<lb/> ἐκείνου παῖδας· μανεὶς δὲ διὰ τὴν Ἥραν κτείνει τοὺς ἰδίους. ἔμελλε<lb/> δὲ καὶ τὸν ἀδελφὸν Ἰφικλέα, εἰ μὴ ἔφϑασεν ἡ Ἀϑηνᾶ κωλύσασα.<lb/> wir wollen das spiel nicht zu weit treiben und dahingestellt sein lassen,<lb/> in wie weit sorgfältige erwägung aller varianten die möglichkeit einer<lb/> wiederherstellung der einzelnen züge bieten könnte; über sie würden auch<lb/> die sachverständigen sich schwer geeinigt, und irrtümer würden sehr leicht<lb/> geltung gewonnen haben<note place="foot" n="65)">Einen irrtum, fürchte ich, würden wir begehen. wir würden nach Seneca<lb/> annehmen, daſs Lykos die Megara mit heiratsanträgen behelligt hätte, zumal wir<lb/> in schol. Lykophr. 38 Λύκον βιαζόμενον τὴν γυναῖκα Μεγάραν eine bestätigung<lb/> finden würden. und doch ist das falsch. wir können uns aber trösten: wir würden<lb/> dann nur ein wirklich euripideisches motiv in einen zusammenhang bringen, der es<lb/> an sich wol erträgt. es ist das motiv, welches Euripides zuerst im Diktys, dann<lb/> im Kresphontes angewandt hat. Polyphontes Merope bestürmend gibt in der tat<lb/> eine ganz analoge situation: sie hat Seneca in das andere stück übertragen. der<lb/> scholiast ist zufällig mit ihm zusammengetroffen. er wie andere brechungen des<lb/> inhalts unseres Herakles kann lehren, wie wenig auf diese kleinen züge verlaſs ist,<lb/> mit denen mythographen und historiker heut zu tage so besonders gern operiren.</note>. daſs der inhalt des euripideischen Herakles<lb/> sehr wol bekannt sein würde, daſs er gar nicht hätte verloren werden<lb/> können, weil das drama die mythographische vulgata beherrschte, ist die<lb/> hauptsache. sie ist unzweifelhaft, sie zeugt für den erfolg des dramas<lb/> am besten, und sie gibt uns die lehre für die methode. aus den bruch-<lb/> stücken selbst destillirt freilich nur selten jemand eine tragödie; deshalb<lb/> können wir von den komödien ja wirklich so wenig wissen. aber aus<lb/> der sagenüberlieferung muſs sich ein drama mehr oder minder herstellen<lb/> lassen, welches in ihr epoche gemacht hat. Nauck hat in der vorrede<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [387/0407]
Nachwirkung des dramas.
seine kinder erst retten zu lassen, daſs das opfer, bei dem er rasend
wird, das siegesopfer für den tod des Lykos auch bei ihm gewesen wäre,
und der erste teil des dramas also die bedrohung Megaras und der kinder
durch Lykos enthalten hätte, das würde Seneca sicher lehren, und dann
würde die mythographische vulgata bestätigend eintreten, neben einer
anzahl anderer stellen, die zu häufen keinen zweck hat, das die τραγῳ-
δούμενα des Asklepiades citirende scholion λ 269 Μεγάρα Κρέοντος
τοῦ Θηβῶν βασιλέως γημαμένη Ἡρακλεῖ παῖδας ἴσχει Θηρίμαχον
καὶ Κρεοντιάδην καὶ Δηικόωντα 64), βαδίζοντος δὲ αὐτοῦ εἰς ᾅδου
ἐπὶ τὸν τοῦ κυνὸς ἆϑλον Λύκος ὁ τῶν Θηβῶν βασιλεὺς πεισϑεὶς
Ἥρᾳ καταστέφει τοὺς Ἡρακλέους παῖδας ἵνα ϑύσῃ. οὐ γὰρ αὐτὸν
ἐπανήξειν ᾤετο. παραγενόμενος δὲ Ἡρακλῆς ἀναιρεῖ αὐτὸν καὶ τοὺς
ἐκείνου παῖδας· μανεὶς δὲ διὰ τὴν Ἥραν κτείνει τοὺς ἰδίους. ἔμελλε
δὲ καὶ τὸν ἀδελφὸν Ἰφικλέα, εἰ μὴ ἔφϑασεν ἡ Ἀϑηνᾶ κωλύσασα.
wir wollen das spiel nicht zu weit treiben und dahingestellt sein lassen,
in wie weit sorgfältige erwägung aller varianten die möglichkeit einer
wiederherstellung der einzelnen züge bieten könnte; über sie würden auch
die sachverständigen sich schwer geeinigt, und irrtümer würden sehr leicht
geltung gewonnen haben 65). daſs der inhalt des euripideischen Herakles
sehr wol bekannt sein würde, daſs er gar nicht hätte verloren werden
können, weil das drama die mythographische vulgata beherrschte, ist die
hauptsache. sie ist unzweifelhaft, sie zeugt für den erfolg des dramas
am besten, und sie gibt uns die lehre für die methode. aus den bruch-
stücken selbst destillirt freilich nur selten jemand eine tragödie; deshalb
können wir von den komödien ja wirklich so wenig wissen. aber aus
der sagenüberlieferung muſs sich ein drama mehr oder minder herstellen
lassen, welches in ihr epoche gemacht hat. Nauck hat in der vorrede
64) Therimachos und Deikoon, daneben aber Aristodemos nennt ausdrücklich
als von Euripides erwähnt schol. Pind. Isthm. 4, 104, dem wir, wie die mythogra-
phischen studien jetzt stehen, doch nur die zahl glauben würden.
65) Einen irrtum, fürchte ich, würden wir begehen. wir würden nach Seneca
annehmen, daſs Lykos die Megara mit heiratsanträgen behelligt hätte, zumal wir
in schol. Lykophr. 38 Λύκον βιαζόμενον τὴν γυναῖκα Μεγάραν eine bestätigung
finden würden. und doch ist das falsch. wir können uns aber trösten: wir würden
dann nur ein wirklich euripideisches motiv in einen zusammenhang bringen, der es
an sich wol erträgt. es ist das motiv, welches Euripides zuerst im Diktys, dann
im Kresphontes angewandt hat. Polyphontes Merope bestürmend gibt in der tat
eine ganz analoge situation: sie hat Seneca in das andere stück übertragen. der
scholiast ist zufällig mit ihm zusammengetroffen. er wie andere brechungen des
inhalts unseres Herakles kann lehren, wie wenig auf diese kleinen züge verlaſs ist,
mit denen mythographen und historiker heut zu tage so besonders gern operiren.
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