Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Sie warf die Lippen zu einem gereizten, herausfordernden Lächeln auf. Ach was! sagte sie. Warum haben Sie sich noch keine Cigarre angesteckt? Sie rauchen ja so gern. Ja, das könnte ich thun! Ich dachte nur -- -- Er sah sich um, als mache es ihn um ihretwillen bedenklich, daß Johann Ohlerich bei seiner Heimkehr hier den Tabaksdunst finden und sich nicht daran freuen werde. Sie errieth seine Gedanken und lachte kurz auf. Was thut das? Wenn ich's nun so will. Ich könnte mir ja ein Dutzend Mannsleut' hier zusammenbitten, kein Mensch sollte mich hindern. Nun, ein Dutzend sind nicht so schlimm wie Einer! dachte Julius, doch er sprach es nicht aus. Er zog sein Feuerzeug aus der Tasche und setzte eine Cigarre in Brand. Der rothe Schein glühte dabei über sein junges, blühendes, angenehmes Gesicht. Sie kriegen ja nachgerade einen wirklichen, ordentlichen Mannsbart! sagte Liesbeth in aufgeregter Munterkeit. Sie werden noch ein schmucker Mensch, Julius; wer hätte das gedacht! -- Warum sind Sie eigentlich so ein Stubenhocker und Gelehrter geworden? Das paßt gar nicht zu Ihnen. Ein "Gelehrter"! wiederholte Julius lachend. Mit der Gelehrsamkeit sieht es noch traurig aus. Ich bin so faul, Liesbeth; ich thue ja nichts. Nun, da werden Sie Ihren Eltern viele Freude machen! Warum thun Sie denn nichts? Weil Sie Recht haben: weil ich zum Stubenhocker nicht geschaffen bin. Da sitz' ich bei meinen schweinsledernen, kalbsledernen Scharteken und krieg' sie nicht in den Kopf, -- denke ans Segeln, an die See -- an Liesbeth Ohlerich. Ich glaube, ich bin eigentlich als Wasserratte auf die Welt gekommen, aber man hat dann künstlich eine Landratte aus mir gemacht! Das ist der tragische Humor meines Lebens, Liesbeth. Das verstehe ich nicht; -- aber Ihre Cigarre geht aus. Ja, allerdings; weil ich sie nicht in den Mund stecke. Sie warf die Lippen zu einem gereizten, herausfordernden Lächeln auf. Ach was! sagte sie. Warum haben Sie sich noch keine Cigarre angesteckt? Sie rauchen ja so gern. Ja, das könnte ich thun! Ich dachte nur — — Er sah sich um, als mache es ihn um ihretwillen bedenklich, daß Johann Ohlerich bei seiner Heimkehr hier den Tabaksdunst finden und sich nicht daran freuen werde. Sie errieth seine Gedanken und lachte kurz auf. Was thut das? Wenn ich's nun so will. Ich könnte mir ja ein Dutzend Mannsleut' hier zusammenbitten, kein Mensch sollte mich hindern. Nun, ein Dutzend sind nicht so schlimm wie Einer! dachte Julius, doch er sprach es nicht aus. Er zog sein Feuerzeug aus der Tasche und setzte eine Cigarre in Brand. Der rothe Schein glühte dabei über sein junges, blühendes, angenehmes Gesicht. Sie kriegen ja nachgerade einen wirklichen, ordentlichen Mannsbart! sagte Liesbeth in aufgeregter Munterkeit. Sie werden noch ein schmucker Mensch, Julius; wer hätte das gedacht! — Warum sind Sie eigentlich so ein Stubenhocker und Gelehrter geworden? Das paßt gar nicht zu Ihnen. Ein „Gelehrter“! wiederholte Julius lachend. Mit der Gelehrsamkeit sieht es noch traurig aus. Ich bin so faul, Liesbeth; ich thue ja nichts. Nun, da werden Sie Ihren Eltern viele Freude machen! Warum thun Sie denn nichts? Weil Sie Recht haben: weil ich zum Stubenhocker nicht geschaffen bin. Da sitz' ich bei meinen schweinsledernen, kalbsledernen Scharteken und krieg' sie nicht in den Kopf, — denke ans Segeln, an die See — an Liesbeth Ohlerich. Ich glaube, ich bin eigentlich als Wasserratte auf die Welt gekommen, aber man hat dann künstlich eine Landratte aus mir gemacht! Das ist der tragische Humor meines Lebens, Liesbeth. Das verstehe ich nicht; — aber Ihre Cigarre geht aus. Ja, allerdings; weil ich sie nicht in den Mund stecke. <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="2"> <pb facs="#f0028"/> <p>Sie warf die Lippen zu einem gereizten, herausfordernden Lächeln auf. Ach was! sagte sie. Warum haben Sie sich noch keine Cigarre angesteckt? Sie rauchen ja so gern.</p><lb/> <p>Ja, das könnte ich thun! Ich dachte nur — — Er sah sich um, als mache es ihn um ihretwillen bedenklich, daß Johann Ohlerich bei seiner Heimkehr hier den Tabaksdunst finden und sich nicht daran freuen werde. Sie errieth seine Gedanken und lachte kurz auf. Was thut das? Wenn ich's nun so will. Ich könnte mir ja ein Dutzend Mannsleut' hier zusammenbitten, kein Mensch sollte mich hindern.</p><lb/> <p>Nun, ein Dutzend sind nicht so schlimm wie Einer! dachte Julius, doch er sprach es nicht aus. Er zog sein Feuerzeug aus der Tasche und setzte eine Cigarre in Brand. Der rothe Schein glühte dabei über sein junges, blühendes, angenehmes Gesicht.</p><lb/> <p>Sie kriegen ja nachgerade einen wirklichen, ordentlichen Mannsbart! sagte Liesbeth in aufgeregter Munterkeit. Sie werden noch ein schmucker Mensch, Julius; wer hätte das gedacht! — Warum sind Sie eigentlich so ein Stubenhocker und Gelehrter geworden? Das paßt gar nicht zu Ihnen.</p><lb/> <p>Ein „Gelehrter“! wiederholte Julius lachend. Mit der Gelehrsamkeit sieht es noch traurig aus. Ich bin so faul, Liesbeth; ich thue ja nichts.</p><lb/> <p>Nun, da werden Sie Ihren Eltern viele Freude machen! Warum thun Sie denn nichts?</p><lb/> <p>Weil Sie Recht haben: weil ich zum Stubenhocker nicht geschaffen bin. Da sitz' ich bei meinen schweinsledernen, kalbsledernen Scharteken und krieg' sie nicht in den Kopf, — denke ans Segeln, an die See — an Liesbeth Ohlerich. Ich glaube, ich bin eigentlich als Wasserratte auf die Welt gekommen, aber man hat dann künstlich eine Landratte aus mir gemacht! Das ist der tragische Humor meines Lebens, Liesbeth.</p><lb/> <p>Das verstehe ich nicht; — aber Ihre Cigarre geht aus.</p><lb/> <p>Ja, allerdings; weil ich sie nicht in den Mund stecke.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [0028]
Sie warf die Lippen zu einem gereizten, herausfordernden Lächeln auf. Ach was! sagte sie. Warum haben Sie sich noch keine Cigarre angesteckt? Sie rauchen ja so gern.
Ja, das könnte ich thun! Ich dachte nur — — Er sah sich um, als mache es ihn um ihretwillen bedenklich, daß Johann Ohlerich bei seiner Heimkehr hier den Tabaksdunst finden und sich nicht daran freuen werde. Sie errieth seine Gedanken und lachte kurz auf. Was thut das? Wenn ich's nun so will. Ich könnte mir ja ein Dutzend Mannsleut' hier zusammenbitten, kein Mensch sollte mich hindern.
Nun, ein Dutzend sind nicht so schlimm wie Einer! dachte Julius, doch er sprach es nicht aus. Er zog sein Feuerzeug aus der Tasche und setzte eine Cigarre in Brand. Der rothe Schein glühte dabei über sein junges, blühendes, angenehmes Gesicht.
Sie kriegen ja nachgerade einen wirklichen, ordentlichen Mannsbart! sagte Liesbeth in aufgeregter Munterkeit. Sie werden noch ein schmucker Mensch, Julius; wer hätte das gedacht! — Warum sind Sie eigentlich so ein Stubenhocker und Gelehrter geworden? Das paßt gar nicht zu Ihnen.
Ein „Gelehrter“! wiederholte Julius lachend. Mit der Gelehrsamkeit sieht es noch traurig aus. Ich bin so faul, Liesbeth; ich thue ja nichts.
Nun, da werden Sie Ihren Eltern viele Freude machen! Warum thun Sie denn nichts?
Weil Sie Recht haben: weil ich zum Stubenhocker nicht geschaffen bin. Da sitz' ich bei meinen schweinsledernen, kalbsledernen Scharteken und krieg' sie nicht in den Kopf, — denke ans Segeln, an die See — an Liesbeth Ohlerich. Ich glaube, ich bin eigentlich als Wasserratte auf die Welt gekommen, aber man hat dann künstlich eine Landratte aus mir gemacht! Das ist der tragische Humor meines Lebens, Liesbeth.
Das verstehe ich nicht; — aber Ihre Cigarre geht aus.
Ja, allerdings; weil ich sie nicht in den Mund stecke.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T13:21:33Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T13:21:33Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |