Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.auf dessen Gesicht gar keine Neigung sah, die Sache heiter zu fassen. Doch der Jüngling blieb still. Er hielt sich nur immer am Mastbaum fest und sah starr vor sich hin, auf Schiffer Albrecht's Rücken, der breit und unbeweglich vorne am Burgspriet stand. Johann Ohlerich wartete eine Weile, ob der Sturm, der im Anzug schien, ausbrechen werde. Es erfolgte nichts. Sehen Sie, Herr Julius, fing er dann langsam wieder an -- wenn so ein Teifun weht! so ein Teufels-Wirbelwind, der einem das Herz im Leibe durcheinander wirbelt! Ist da der Schiffer gescheidt, hat er was gelernt, so weiß er, wo der Teifun hinaus will, und segelt ihm aus dem Weg. So, dacht' ich, sollst du's auch machen! Hast du 'nen Sturm im Haus, so nimm einen andern Kurs und segle ab! Und so hab' ich's gemacht. Und da schwimmen wir nun herum, immer westwärts fort, -- und wer dabei den Humor verliert, dem ist nicht zu helfen. Aber was ist Ihnen? setzte er auf einmal lauter hinzu. Julius war grün geworden, wie junges Gras, und statt den klugen Gedanken seines Reisegefährten zu folgen, versuchte er nur noch durch ein mattes Lächeln gegen die sonderbare Verstörung seiner Züge anzukämpfen. Fehlt Ihnen etwas? rief Ohlerich und trat auf ihn zu. O nein -- mir ist nur sehr übel, antwortete Julius. Dabei sah er nach der Kajütentreppe zurück, wie um dort unten gegen seine Haltlosigkeit Schutz zu suchen. Der kräftige, gesalzene Wind, der ihm um die Ohren blies, das Wühlen der Wellen, der immer auf und ab schwankende Mastbaum hatten schnell ihr Werk an ihm gethan. Johann Ohlerich begriff nun endlich die Sachlage und nahm Julius' Arm, um ihn hinunterzuführen. Goddam! rief er aus, warum sagten Sie das nicht früher? Ich mochte nicht sprechen, antwortete Julius. Er kam unten an, streckte sich auf Ohlerich's Wink in der unteren Koje aus und überließ sich nun wortlos seinen unaussprechlichen Gefühlen. auf dessen Gesicht gar keine Neigung sah, die Sache heiter zu fassen. Doch der Jüngling blieb still. Er hielt sich nur immer am Mastbaum fest und sah starr vor sich hin, auf Schiffer Albrecht's Rücken, der breit und unbeweglich vorne am Burgspriet stand. Johann Ohlerich wartete eine Weile, ob der Sturm, der im Anzug schien, ausbrechen werde. Es erfolgte nichts. Sehen Sie, Herr Julius, fing er dann langsam wieder an — wenn so ein Teifun weht! so ein Teufels-Wirbelwind, der einem das Herz im Leibe durcheinander wirbelt! Ist da der Schiffer gescheidt, hat er was gelernt, so weiß er, wo der Teifun hinaus will, und segelt ihm aus dem Weg. So, dacht' ich, sollst du's auch machen! Hast du 'nen Sturm im Haus, so nimm einen andern Kurs und segle ab! Und so hab' ich's gemacht. Und da schwimmen wir nun herum, immer westwärts fort, — und wer dabei den Humor verliert, dem ist nicht zu helfen. Aber was ist Ihnen? setzte er auf einmal lauter hinzu. Julius war grün geworden, wie junges Gras, und statt den klugen Gedanken seines Reisegefährten zu folgen, versuchte er nur noch durch ein mattes Lächeln gegen die sonderbare Verstörung seiner Züge anzukämpfen. Fehlt Ihnen etwas? rief Ohlerich und trat auf ihn zu. O nein — mir ist nur sehr übel, antwortete Julius. Dabei sah er nach der Kajütentreppe zurück, wie um dort unten gegen seine Haltlosigkeit Schutz zu suchen. Der kräftige, gesalzene Wind, der ihm um die Ohren blies, das Wühlen der Wellen, der immer auf und ab schwankende Mastbaum hatten schnell ihr Werk an ihm gethan. Johann Ohlerich begriff nun endlich die Sachlage und nahm Julius' Arm, um ihn hinunterzuführen. Goddam! rief er aus, warum sagten Sie das nicht früher? Ich mochte nicht sprechen, antwortete Julius. 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Aber was ist Ihnen? setzte er auf einmal lauter hinzu. Julius war grün geworden, wie junges Gras, und statt den klugen Gedanken seines Reisegefährten zu folgen, versuchte er nur noch durch ein mattes Lächeln gegen die sonderbare Verstörung seiner Züge anzukämpfen. Fehlt Ihnen etwas? rief Ohlerich und trat auf ihn zu.
O nein — mir ist nur sehr übel, antwortete Julius. Dabei sah er nach der Kajütentreppe zurück, wie um dort unten gegen seine Haltlosigkeit Schutz zu suchen. Der kräftige, gesalzene Wind, der ihm um die Ohren blies, das Wühlen der Wellen, der immer auf und ab schwankende Mastbaum hatten schnell ihr Werk an ihm gethan. Johann Ohlerich begriff nun endlich die Sachlage und nahm Julius' Arm, um ihn hinunterzuführen. Goddam! rief er aus, warum sagten Sie das nicht früher?
Ich mochte nicht sprechen, antwortete Julius. Er kam unten an, streckte sich auf Ohlerich's Wink in der unteren Koje aus und überließ sich nun wortlos seinen unaussprechlichen Gefühlen.
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Zitationshilfe: | Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wilbrandt_ohlerich_1910/51>, abgerufen am 16.02.2025. |