Wilbrandt, Adolph: Johann Ohlerich. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 7. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 267–332. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.zu seinem Erstaunen, er sei wunderbar wohl. Es hungerte ihn, aber es war ihm nicht mehr weh und übel zu Muth. Die Yacht schwankte nur noch gelind. In der Dämmerung, die sich inzwischen um ihn her verbreitet hatte, erkannte er Ohlerich und den Schiffer Albrecht die ihm mit Vergnügen in die aufgefrischten Augen sahen und sein erstes gesundes Wort zu erwarten schienen. Der genesene Patient richtete sich auf. Johann Ohlerich lachte, als er ihn in der Kajüte noch etwas herumtaumeln sah; drückte ihm dann die Hand mit einem strahlenden Blick, und fragte, ob er schon Sinn dafür habe, Speck zu essen. Julius schüttelte wehmüthig den Kopf. Ob es ihm dann vielleicht Vergnügen machen werde, sich einstweilen mit englischem Zwieback und Rostocker Weißbier zu vernüchtern; es sei auch Stockfisch zu haben. Bei diesen Worten fühlte Julius, daß ihm die ganze Welt der Genüsse wieder aufging. Aber er sehnte sich sehr nach frischer Luft. Sowie er ein halbes Wort darüber gesprochen hatte, nahm Johann Ohlerich ihn unter den Arm und führte ihn wie einen jüngeren Bruder der Treppe zu. Sie kamen hinauf; Julius erstaunte, wie die Welt sich während seiner Leidenszeit verändert hatte. Das Meer hob und senkte sich nur noch in langen, schaumlosen, nichtsbedeutenden Wellen, wie wenn es regelmäßige, gesunde Athemzüge thäte. Der Himmel war rein gefegt, vom Wind nichts mehr zu spüren als ein erfrischender Hauch, der die Dünste des Meeres über das Verdeck hinüberwehte. Hier und da blinkte schon ein Stern in der helldunklen Höhe auf, und die niedrige Küste dämmerte in der Ferne. Was für eine wundervolle Reise das ist! sagte Julius in seiner überfließenden Lebensfreude, um Johann Ohlerich etwas Angenehmes zu sagen. Nun, wie man's nimmt! sagte dieser und lachte. Der Schiffsjunge erschien auf des Schiffers Ruf, und in zwei Minuten stand ein gedeckter Tisch mitten auf dem Verdeck, drei Stühle herum, eine Reihe von Bierflaschen in zu seinem Erstaunen, er sei wunderbar wohl. Es hungerte ihn, aber es war ihm nicht mehr weh und übel zu Muth. Die Yacht schwankte nur noch gelind. In der Dämmerung, die sich inzwischen um ihn her verbreitet hatte, erkannte er Ohlerich und den Schiffer Albrecht die ihm mit Vergnügen in die aufgefrischten Augen sahen und sein erstes gesundes Wort zu erwarten schienen. Der genesene Patient richtete sich auf. Johann Ohlerich lachte, als er ihn in der Kajüte noch etwas herumtaumeln sah; drückte ihm dann die Hand mit einem strahlenden Blick, und fragte, ob er schon Sinn dafür habe, Speck zu essen. Julius schüttelte wehmüthig den Kopf. Ob es ihm dann vielleicht Vergnügen machen werde, sich einstweilen mit englischem Zwieback und Rostocker Weißbier zu vernüchtern; es sei auch Stockfisch zu haben. Bei diesen Worten fühlte Julius, daß ihm die ganze Welt der Genüsse wieder aufging. Aber er sehnte sich sehr nach frischer Luft. Sowie er ein halbes Wort darüber gesprochen hatte, nahm Johann Ohlerich ihn unter den Arm und führte ihn wie einen jüngeren Bruder der Treppe zu. Sie kamen hinauf; Julius erstaunte, wie die Welt sich während seiner Leidenszeit verändert hatte. Das Meer hob und senkte sich nur noch in langen, schaumlosen, nichtsbedeutenden Wellen, wie wenn es regelmäßige, gesunde Athemzüge thäte. Der Himmel war rein gefegt, vom Wind nichts mehr zu spüren als ein erfrischender Hauch, der die Dünste des Meeres über das Verdeck hinüberwehte. Hier und da blinkte schon ein Stern in der helldunklen Höhe auf, und die niedrige Küste dämmerte in der Ferne. Was für eine wundervolle Reise das ist! sagte Julius in seiner überfließenden Lebensfreude, um Johann Ohlerich etwas Angenehmes zu sagen. Nun, wie man's nimmt! sagte dieser und lachte. Der Schiffsjunge erschien auf des Schiffers Ruf, und in zwei Minuten stand ein gedeckter Tisch mitten auf dem Verdeck, drei Stühle herum, eine Reihe von Bierflaschen in <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="4"> <p><pb facs="#f0053"/> zu seinem Erstaunen, er sei wunderbar wohl. Es hungerte ihn, aber es war ihm nicht mehr weh und übel zu Muth. Die Yacht schwankte nur noch gelind. In der Dämmerung, die sich inzwischen um ihn her verbreitet hatte, erkannte er Ohlerich und den Schiffer Albrecht die ihm mit Vergnügen in die aufgefrischten Augen sahen und sein erstes gesundes Wort zu erwarten schienen. Der genesene Patient richtete sich auf. Johann Ohlerich lachte, als er ihn in der Kajüte noch etwas herumtaumeln sah; drückte ihm dann die Hand mit einem strahlenden Blick, und fragte, ob er schon Sinn dafür habe, Speck zu essen. Julius schüttelte wehmüthig den Kopf. Ob es ihm dann vielleicht Vergnügen machen werde, sich einstweilen mit englischem Zwieback und Rostocker Weißbier zu vernüchtern; es sei auch Stockfisch zu haben. Bei diesen Worten fühlte Julius, daß ihm die ganze Welt der Genüsse wieder aufging. Aber er sehnte sich sehr nach frischer Luft. Sowie er ein halbes Wort darüber gesprochen hatte, nahm Johann Ohlerich ihn unter den Arm und führte ihn wie einen jüngeren Bruder der Treppe zu. Sie kamen hinauf; Julius erstaunte, wie die Welt sich während seiner Leidenszeit verändert hatte. Das Meer hob und senkte sich nur noch in langen, schaumlosen, nichtsbedeutenden Wellen, wie wenn es regelmäßige, gesunde Athemzüge thäte. Der Himmel war rein gefegt, vom Wind nichts mehr zu spüren als ein erfrischender Hauch, der die Dünste des Meeres über das Verdeck hinüberwehte. Hier und da blinkte schon ein Stern in der helldunklen Höhe auf, und die niedrige Küste dämmerte in der Ferne.</p><lb/> <p>Was für eine wundervolle Reise das ist! sagte Julius in seiner überfließenden Lebensfreude, um Johann Ohlerich etwas Angenehmes zu sagen.</p><lb/> <p>Nun, wie man's nimmt! sagte dieser und lachte.</p><lb/> <p>Der Schiffsjunge erschien auf des Schiffers Ruf, und in zwei Minuten stand ein gedeckter Tisch mitten auf dem Verdeck, drei Stühle herum, eine Reihe von Bierflaschen in<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0053]
zu seinem Erstaunen, er sei wunderbar wohl. Es hungerte ihn, aber es war ihm nicht mehr weh und übel zu Muth. Die Yacht schwankte nur noch gelind. In der Dämmerung, die sich inzwischen um ihn her verbreitet hatte, erkannte er Ohlerich und den Schiffer Albrecht die ihm mit Vergnügen in die aufgefrischten Augen sahen und sein erstes gesundes Wort zu erwarten schienen. Der genesene Patient richtete sich auf. Johann Ohlerich lachte, als er ihn in der Kajüte noch etwas herumtaumeln sah; drückte ihm dann die Hand mit einem strahlenden Blick, und fragte, ob er schon Sinn dafür habe, Speck zu essen. Julius schüttelte wehmüthig den Kopf. Ob es ihm dann vielleicht Vergnügen machen werde, sich einstweilen mit englischem Zwieback und Rostocker Weißbier zu vernüchtern; es sei auch Stockfisch zu haben. Bei diesen Worten fühlte Julius, daß ihm die ganze Welt der Genüsse wieder aufging. Aber er sehnte sich sehr nach frischer Luft. Sowie er ein halbes Wort darüber gesprochen hatte, nahm Johann Ohlerich ihn unter den Arm und führte ihn wie einen jüngeren Bruder der Treppe zu. Sie kamen hinauf; Julius erstaunte, wie die Welt sich während seiner Leidenszeit verändert hatte. Das Meer hob und senkte sich nur noch in langen, schaumlosen, nichtsbedeutenden Wellen, wie wenn es regelmäßige, gesunde Athemzüge thäte. Der Himmel war rein gefegt, vom Wind nichts mehr zu spüren als ein erfrischender Hauch, der die Dünste des Meeres über das Verdeck hinüberwehte. Hier und da blinkte schon ein Stern in der helldunklen Höhe auf, und die niedrige Küste dämmerte in der Ferne.
Was für eine wundervolle Reise das ist! sagte Julius in seiner überfließenden Lebensfreude, um Johann Ohlerich etwas Angenehmes zu sagen.
Nun, wie man's nimmt! sagte dieser und lachte.
Der Schiffsjunge erschien auf des Schiffers Ruf, und in zwei Minuten stand ein gedeckter Tisch mitten auf dem Verdeck, drei Stühle herum, eine Reihe von Bierflaschen in
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Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
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