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Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Sind Sie dessen so gewiß?

Man hat es mir versichert. Übrigens fragen Sie meine Frau, sie hat es übernommen, seine Trösterin zu sein.

Wirklich? bedarf er denn des Trostes so sehr?

Fast scheint es so.

Der beste Trost wäre -- abreisen. Uebrigens ist das Trösten ein sonderbares Amt für eine junge, lebenslustige Frau. Der Trost muß von innen kommen, da hilft alles Reden von außen nichts.

Das habe ich Leonie auch gesagt, aber sie glaubt mir nicht. Ich weiß nicht, wo sie die Geduld hernimmt. Mit ihrem guten Herzen kommt sie immer ein wenig der Vernunft in den Weg. Eigentlich fällt dabei das Beste für mich ab. Sie bilden Beide ein musikalisches Duo, das ganz rührend ist. Er versorgt sie mit französischen Liedern, von denen er einen ganzen Vorrath zu haben scheint, und mir singt sie dann die Grillen weg.

Trösten? wiederholte ihr Vater, Unsinn! Was ist Trost? Kannst du ihm für das Glück, das er verloren, ein anderes geben, oder ihm beweisen, daß es kein Verlust sei, was er als solchen empfindet?

Leonie war aufgestanden. Sie fühlte, der Kampf sei da, und sie sammelte ihre Kraft.

Das hieße Entschädigung, erwiderte sie. Trösten heist nur, einem Menschen das Unglück, das er trägt, weniger fühlbar machen.

Ei was! Mit der Noth kommt auch die Kraft. Es giebt größeres Unglück im Leben, als auf den Besitz des Weibes, das man liebt, verzichten zu müssen -- und man stirbt doch nicht daran, setzte er düster hinzu -- oder stirbt etwa der Marquis?

Das nicht -- aber Theilnahme --

Ein rechter Mann soll auf eigenen Füssen stehen; der ist keiner Theilnahme werth, der ihrer so viel bedarf.

Sind Sie dessen so gewiß?

Man hat es mir versichert. Übrigens fragen Sie meine Frau, sie hat es übernommen, seine Trösterin zu sein.

Wirklich? bedarf er denn des Trostes so sehr?

Fast scheint es so.

Der beste Trost wäre — abreisen. Uebrigens ist das Trösten ein sonderbares Amt für eine junge, lebenslustige Frau. Der Trost muß von innen kommen, da hilft alles Reden von außen nichts.

Das habe ich Leonie auch gesagt, aber sie glaubt mir nicht. Ich weiß nicht, wo sie die Geduld hernimmt. Mit ihrem guten Herzen kommt sie immer ein wenig der Vernunft in den Weg. Eigentlich fällt dabei das Beste für mich ab. Sie bilden Beide ein musikalisches Duo, das ganz rührend ist. Er versorgt sie mit französischen Liedern, von denen er einen ganzen Vorrath zu haben scheint, und mir singt sie dann die Grillen weg.

Trösten? wiederholte ihr Vater, Unsinn! Was ist Trost? Kannst du ihm für das Glück, das er verloren, ein anderes geben, oder ihm beweisen, daß es kein Verlust sei, was er als solchen empfindet?

Leonie war aufgestanden. Sie fühlte, der Kampf sei da, und sie sammelte ihre Kraft.

Das hieße Entschädigung, erwiderte sie. Trösten heist nur, einem Menschen das Unglück, das er trägt, weniger fühlbar machen.

Ei was! Mit der Noth kommt auch die Kraft. Es giebt größeres Unglück im Leben, als auf den Besitz des Weibes, das man liebt, verzichten zu müssen — und man stirbt doch nicht daran, setzte er düster hinzu — oder stirbt etwa der Marquis?

Das nicht — aber Theilnahme —

Ein rechter Mann soll auf eigenen Füssen stehen; der ist keiner Theilnahme werth, der ihrer so viel bedarf.

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[0155] Sind Sie dessen so gewiß? Man hat es mir versichert. Übrigens fragen Sie meine Frau, sie hat es übernommen, seine Trösterin zu sein. Wirklich? bedarf er denn des Trostes so sehr? Fast scheint es so. Der beste Trost wäre — abreisen. Uebrigens ist das Trösten ein sonderbares Amt für eine junge, lebenslustige Frau. Der Trost muß von innen kommen, da hilft alles Reden von außen nichts. Das habe ich Leonie auch gesagt, aber sie glaubt mir nicht. Ich weiß nicht, wo sie die Geduld hernimmt. Mit ihrem guten Herzen kommt sie immer ein wenig der Vernunft in den Weg. Eigentlich fällt dabei das Beste für mich ab. Sie bilden Beide ein musikalisches Duo, das ganz rührend ist. Er versorgt sie mit französischen Liedern, von denen er einen ganzen Vorrath zu haben scheint, und mir singt sie dann die Grillen weg. Trösten? wiederholte ihr Vater, Unsinn! Was ist Trost? Kannst du ihm für das Glück, das er verloren, ein anderes geben, oder ihm beweisen, daß es kein Verlust sei, was er als solchen empfindet? Leonie war aufgestanden. Sie fühlte, der Kampf sei da, und sie sammelte ihre Kraft. Das hieße Entschädigung, erwiderte sie. Trösten heist nur, einem Menschen das Unglück, das er trägt, weniger fühlbar machen. Ei was! Mit der Noth kommt auch die Kraft. Es giebt größeres Unglück im Leben, als auf den Besitz des Weibes, das man liebt, verzichten zu müssen — und man stirbt doch nicht daran, setzte er düster hinzu — oder stirbt etwa der Marquis? Das nicht — aber Theilnahme — Ein rechter Mann soll auf eigenen Füssen stehen; der ist keiner Theilnahme werth, der ihrer so viel bedarf.

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Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:30:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Wild, Hermine [d. i. Adele Wesemael]: Eure Wege sind nicht meine Wege. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 22. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wild_wege_1910/155>, abgerufen am 24.11.2024.