Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wildermuth, Ottilie: Streit in der Liebe und Liebe im Streit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 175–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

einmal freundlich und ohne Widerstreben ging. Guck, fressen möcht' ich dich, rief er stürmisch und umfaßte sie mit einer Gewalt, daß sie mit leisem Schauer jener Verlobungsnacht gedachte, und hob sie hoch empor, leicht wie eine Feder. Laß mich! schrie sie, willst mich umbringen, wie damals, als der Vater noch dazu kommen ist? Das war keine gute Mahnung, Georg setzte sie schweigend zu Boden und ging mit ihr heim, ohne ein Wort zu reden.



Hochzeit.

Nach vier Wochen war die Hochzeit, und allen Leuten schien es bedenklich, daß während der Trauung ein schweres Ungewitter ausbrach, so heftig, daß der Donner fast die Worte des Pfarrers übertönte. Georg nahm das nicht so schwer: wenn wir wetterscheu wären, so hätten wir einander gar nicht genommen, gelt, Schatz? rief er nachher lachend der Liesbeth zu.

Als sie am Altar sich die Hände reichten, suchte Liesbeth die ihrige obenhin zu bringen, das gilt auf dem Land für ein Zeichen, daß man die Oberhand in der Ehe behalte. Georg hatte nicht daran gedacht, als er aber bei Liesbeth die Absicht merkte, so legte er die seine obenauf, und bald wäre es zu förmlichem Ringen gekommen, wenn nicht ein ernster Blick des Pfarrers Einhalt gethan hätte. Die Stimmen der Zeugen konnten sich nicht darüber vereinen, welche Hand oben geblieben sei.

einmal freundlich und ohne Widerstreben ging. Guck, fressen möcht' ich dich, rief er stürmisch und umfaßte sie mit einer Gewalt, daß sie mit leisem Schauer jener Verlobungsnacht gedachte, und hob sie hoch empor, leicht wie eine Feder. Laß mich! schrie sie, willst mich umbringen, wie damals, als der Vater noch dazu kommen ist? Das war keine gute Mahnung, Georg setzte sie schweigend zu Boden und ging mit ihr heim, ohne ein Wort zu reden.



Hochzeit.

Nach vier Wochen war die Hochzeit, und allen Leuten schien es bedenklich, daß während der Trauung ein schweres Ungewitter ausbrach, so heftig, daß der Donner fast die Worte des Pfarrers übertönte. Georg nahm das nicht so schwer: wenn wir wetterscheu wären, so hätten wir einander gar nicht genommen, gelt, Schatz? rief er nachher lachend der Liesbeth zu.

Als sie am Altar sich die Hände reichten, suchte Liesbeth die ihrige obenhin zu bringen, das gilt auf dem Land für ein Zeichen, daß man die Oberhand in der Ehe behalte. Georg hatte nicht daran gedacht, als er aber bei Liesbeth die Absicht merkte, so legte er die seine obenauf, und bald wäre es zu förmlichem Ringen gekommen, wenn nicht ein ernster Blick des Pfarrers Einhalt gethan hätte. Die Stimmen der Zeugen konnten sich nicht darüber vereinen, welche Hand oben geblieben sei.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="3">
        <p><pb facs="#f0023"/>
einmal freundlich und ohne Widerstreben ging. Guck, fressen möcht' ich dich, rief er      stürmisch und umfaßte sie mit einer Gewalt, daß sie mit leisem Schauer jener Verlobungsnacht      gedachte, und hob sie hoch empor, leicht wie eine Feder. Laß mich! schrie sie, willst mich      umbringen, wie damals, als der Vater noch dazu kommen ist? Das war keine gute Mahnung, Georg      setzte sie schweigend zu Boden und ging mit ihr heim, ohne ein Wort zu reden.</p><lb/>
      </div>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div type="chapter" n="4">
        <head>Hochzeit.</head>
        <p>Nach vier Wochen war die Hochzeit, und allen Leuten schien es bedenklich, daß während der      Trauung ein schweres Ungewitter ausbrach, so heftig, daß der Donner fast die Worte des Pfarrers      übertönte. Georg nahm das nicht so schwer: wenn wir wetterscheu wären, so hätten wir einander      gar nicht genommen, gelt, Schatz? rief er nachher lachend der Liesbeth zu.</p><lb/>
        <p>Als sie am Altar sich die Hände reichten, suchte Liesbeth die ihrige obenhin zu bringen, das      gilt auf dem Land für ein Zeichen, daß man die Oberhand in der Ehe behalte. Georg hatte nicht      daran gedacht, als er aber bei Liesbeth die Absicht merkte, so legte er die seine obenauf, und      bald wäre es zu förmlichem Ringen gekommen, wenn nicht ein ernster Blick des Pfarrers Einhalt      gethan hätte. Die Stimmen der Zeugen konnten sich nicht darüber vereinen, welche Hand oben      geblieben sei.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] einmal freundlich und ohne Widerstreben ging. Guck, fressen möcht' ich dich, rief er stürmisch und umfaßte sie mit einer Gewalt, daß sie mit leisem Schauer jener Verlobungsnacht gedachte, und hob sie hoch empor, leicht wie eine Feder. Laß mich! schrie sie, willst mich umbringen, wie damals, als der Vater noch dazu kommen ist? Das war keine gute Mahnung, Georg setzte sie schweigend zu Boden und ging mit ihr heim, ohne ein Wort zu reden. Hochzeit. Nach vier Wochen war die Hochzeit, und allen Leuten schien es bedenklich, daß während der Trauung ein schweres Ungewitter ausbrach, so heftig, daß der Donner fast die Worte des Pfarrers übertönte. Georg nahm das nicht so schwer: wenn wir wetterscheu wären, so hätten wir einander gar nicht genommen, gelt, Schatz? rief er nachher lachend der Liesbeth zu. Als sie am Altar sich die Hände reichten, suchte Liesbeth die ihrige obenhin zu bringen, das gilt auf dem Land für ein Zeichen, daß man die Oberhand in der Ehe behalte. Georg hatte nicht daran gedacht, als er aber bei Liesbeth die Absicht merkte, so legte er die seine obenauf, und bald wäre es zu förmlichem Ringen gekommen, wenn nicht ein ernster Blick des Pfarrers Einhalt gethan hätte. Die Stimmen der Zeugen konnten sich nicht darüber vereinen, welche Hand oben geblieben sei.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:35:23Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:35:23Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wildermuth_streit_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wildermuth_streit_1910/23
Zitationshilfe: Wildermuth, Ottilie: Streit in der Liebe und Liebe im Streit. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 23. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 175–210. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wildermuth_streit_1910/23>, abgerufen am 03.12.2024.