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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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Von der Kunst unter den Hetruriern.
welches die Mutter desselben fasset, welche vor ihr stehet, und neben dieser
ihre zwo Töchter von ungleichem Alter und Größe. Das andere ist ein
rundes Werk im Campidoglio, in Gestalt eines Altars, mit den Figuren
der zwölf obern Götter, welche auch auf einem Altare zu Athen 1) in
erhobener Arbeit waren. Unter denselben ist ein jugendlicher Vulcanus
ohne Bart, in Begriff, dem Jupiter, gegen welchen er eine Axt aufhebet,
die Stirn zu öffnen, aus welcher Minerva hervor springen soll. Vulca-
nus wurde in den ältesten Zeiten, so wie Jupiter und Aesculapius 2),
ohne Bart vorgestellet, so wohl auf Hetrurischen Opfer-Schaalen 3) und
Steinen 4), als auf Griechischen Münzen der Stadt Lipari, in dem Museo
des Hrn. Duca Noja-Caraffa zu Neapel, ingleichen auf Römischen
Münzen 5), und Lampen 6). Die Muthmaßung, auf welche sich die He-
trurische Kunst in diesem Werke zum Theil mit gründet, ist die Form und
der ehemalige Gebrauch dieses Werks: denn es ist hohl, (welches itzo durch
die oben darauf gesetzte Vase von Marmor nicht sichtbar ist) und kann also
kein Altar seyn, sondern muß zu Einfassung oder zur Mündung eines Brun-
nens (Bocca di pozzo) gedienet haben, wie dergleichen verschiedene in
Rom sind, und im Herculano gefunden worden, sonderlich da an dem in-
neren Rande desselben, wie an jenen, hohle Einschnitte sind, welche das
Seil des Eimers gemacht hat: folglich wird dieses Werk schwerlich in
Griechenland gearbeitet seyn. Ich muß aber hier erinnern, daß Cicero
Einfassungen von Brunnen mit erhobener Arbeit für sich in Athen arbeiten
lassen, wenn wir der angenommenen Lesart 7) in einem Briefe an seinen
Freund den Atticus folgen. Andere alte Einfassungen der Brunnen, von
welchen zwo in der Villa Albani stehen, sind mit zierlich gearbeiteten Blu-

men-
1) Pausan. L. 1. p. 23.
2) Idem. L. 8. p. 658. l. 20.
3) Dempst. Etrur. T. 2. tab. 1. Montfaue. Ant. expl. T. 3. p. 62. n. 1.
4) Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 123.
5) Vaillant T. 1. tab. 25. n. 8. Num. Pembroch. P. 2. tab. 3.
6) Passeri Lucern. tab. 52.
7) ad Attic. L. 1. ep. 10. putealia sigillata.
Winckelm. Gesch. der Kunst. N

Von der Kunſt unter den Hetruriern.
welches die Mutter deſſelben faſſet, welche vor ihr ſtehet, und neben dieſer
ihre zwo Toͤchter von ungleichem Alter und Groͤße. Das andere iſt ein
rundes Werk im Campidoglio, in Geſtalt eines Altars, mit den Figuren
der zwoͤlf obern Goͤtter, welche auch auf einem Altare zu Athen 1) in
erhobener Arbeit waren. Unter denſelben iſt ein jugendlicher Vulcanus
ohne Bart, in Begriff, dem Jupiter, gegen welchen er eine Axt aufhebet,
die Stirn zu oͤffnen, aus welcher Minerva hervor ſpringen ſoll. Vulca-
nus wurde in den aͤlteſten Zeiten, ſo wie Jupiter und Aeſculapius 2),
ohne Bart vorgeſtellet, ſo wohl auf Hetruriſchen Opfer-Schaalen 3) und
Steinen 4), als auf Griechiſchen Muͤnzen der Stadt Lipari, in dem Muſeo
des Hrn. Duca Noja-Caraffa zu Neapel, ingleichen auf Roͤmiſchen
Muͤnzen 5), und Lampen 6). Die Muthmaßung, auf welche ſich die He-
truriſche Kunſt in dieſem Werke zum Theil mit gruͤndet, iſt die Form und
der ehemalige Gebrauch dieſes Werks: denn es iſt hohl, (welches itzo durch
die oben darauf geſetzte Vaſe von Marmor nicht ſichtbar iſt) und kann alſo
kein Altar ſeyn, ſondern muß zu Einfaſſung oder zur Muͤndung eines Brun-
nens (Bocca di pozzo) gedienet haben, wie dergleichen verſchiedene in
Rom ſind, und im Herculano gefunden worden, ſonderlich da an dem in-
neren Rande deſſelben, wie an jenen, hohle Einſchnitte ſind, welche das
Seil des Eimers gemacht hat: folglich wird dieſes Werk ſchwerlich in
Griechenland gearbeitet ſeyn. Ich muß aber hier erinnern, daß Cicero
Einfaſſungen von Brunnen mit erhobener Arbeit fuͤr ſich in Athen arbeiten
laſſen, wenn wir der angenommenen Leſart 7) in einem Briefe an ſeinen
Freund den Atticus folgen. Andere alte Einfaſſungen der Brunnen, von
welchen zwo in der Villa Albani ſtehen, ſind mit zierlich gearbeiteten Blu-

men-
1) Pauſan. L. 1. p. 23.
2) Idem. L. 8. p. 658. l. 20.
3) Dempſt. Etrur. T. 2. tab. 1. Montfaue. Ant. expl. T. 3. p. 62. n. 1.
4) Deſcr. des Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 123.
5) Vaillant T. 1. tab. 25. n. 8. Num. Pembroch. P. 2. tab. 3.
6) Paſſeri Lucern. tab. 52.
7) ad Attic. L. 1. ep. 10. putealia ſigillata.
Winckelm. Geſch. der Kunſt. N
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[97/0147] Von der Kunſt unter den Hetruriern. welches die Mutter deſſelben faſſet, welche vor ihr ſtehet, und neben dieſer ihre zwo Toͤchter von ungleichem Alter und Groͤße. Das andere iſt ein rundes Werk im Campidoglio, in Geſtalt eines Altars, mit den Figuren der zwoͤlf obern Goͤtter, welche auch auf einem Altare zu Athen 1) in erhobener Arbeit waren. Unter denſelben iſt ein jugendlicher Vulcanus ohne Bart, in Begriff, dem Jupiter, gegen welchen er eine Axt aufhebet, die Stirn zu oͤffnen, aus welcher Minerva hervor ſpringen ſoll. Vulca- nus wurde in den aͤlteſten Zeiten, ſo wie Jupiter und Aeſculapius 2), ohne Bart vorgeſtellet, ſo wohl auf Hetruriſchen Opfer-Schaalen 3) und Steinen 4), als auf Griechiſchen Muͤnzen der Stadt Lipari, in dem Muſeo des Hrn. Duca Noja-Caraffa zu Neapel, ingleichen auf Roͤmiſchen Muͤnzen 5), und Lampen 6). Die Muthmaßung, auf welche ſich die He- truriſche Kunſt in dieſem Werke zum Theil mit gruͤndet, iſt die Form und der ehemalige Gebrauch dieſes Werks: denn es iſt hohl, (welches itzo durch die oben darauf geſetzte Vaſe von Marmor nicht ſichtbar iſt) und kann alſo kein Altar ſeyn, ſondern muß zu Einfaſſung oder zur Muͤndung eines Brun- nens (Bocca di pozzo) gedienet haben, wie dergleichen verſchiedene in Rom ſind, und im Herculano gefunden worden, ſonderlich da an dem in- neren Rande deſſelben, wie an jenen, hohle Einſchnitte ſind, welche das Seil des Eimers gemacht hat: folglich wird dieſes Werk ſchwerlich in Griechenland gearbeitet ſeyn. Ich muß aber hier erinnern, daß Cicero Einfaſſungen von Brunnen mit erhobener Arbeit fuͤr ſich in Athen arbeiten laſſen, wenn wir der angenommenen Leſart 7) in einem Briefe an ſeinen Freund den Atticus folgen. Andere alte Einfaſſungen der Brunnen, von welchen zwo in der Villa Albani ſtehen, ſind mit zierlich gearbeiteten Blu- men- 1) Pauſan. L. 1. p. 23. 2) Idem. L. 8. p. 658. l. 20. 3) Dempſt. Etrur. T. 2. tab. 1. Montfaue. Ant. expl. T. 3. p. 62. n. 1. 4) Deſcr. des Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 123. 5) Vaillant T. 1. tab. 25. n. 8. Num. Pembroch. P. 2. tab. 3. 6) Paſſeri Lucern. tab. 52. 7) ad Attic. L. 1. ep. 10. putealia ſigillata. Winckelm. Geſch. der Kunſt. N

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/147>, abgerufen am 04.12.2024.