Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

Vorrede.
einer Statue, von welcher der Kopf vorhanden ist, zwo andere Fi-
guren gemachet? und dieses ist zu Parma in diesem Jahre, da ich
dieses schreibe, geschehen, mit einem Colossalischen Sturze eines
Jupiters, von welchem der schöne Kopf in der Maleracademie da-
selbst aufgestellet ist. Die zwo neuen aus der alten gemeißelte Figu-
ren, von der Art, wie man sich leicht vorstellen kann, stehen in
dem Herzoglichen Garten. Dem Kopfe hat man die Nase auf
die ungeschickteste Weise angesetzet, und der neue Bildhauer hat
für gut gefunden, den Formen des alten Meisters an der Stirne,
an den Backen und am Barte nachzuhelfen, und das, was ihm
überflüßig geschienen, hat er weggenommen. Ich habe vergessen
zu sagen, daß dieser Jupiter in der neulich entdeckten verschütteten
Stadt Velleja, im Parmesanischen, gefunden worden. Aus-
serdem sind bey Menschen Gedenken, ja seit meinem Aufenthalte
in Rom, viel merkwürdige Sachen nach Engeland geführet wor-
den, wo sie, wie Plinius redet, in entlegenen Landhäusern ver-
bannet stehen.

Da die vornehmste Absicht dieser Geschichte auf die Kunst
der Griechen geht, so habe ich auch in dem Capitel von derselben
umständlicher seyn müssen, und ich hätte mehr sagen können,
wenn ich für Griechen, und nicht in einer neuern Sprache ge-
schrieben, welche mir gewisse Behutsamkeiten aufgeleget; in die-
ser Absicht habe ich ein Gespräch über die Schönheit, nach Art
des Phädrus des Plato, welches zur Erläuterung der Theoreti-
schen Abhandlung derselben hätte dienen können, wiewohl unger-
ne, weggelassen.

Alle Denkmale der Kunst, sowohl von alten Gemälden und
Figuren in Stein, als in geschnittenen Steinen, Münzen und
Vasen, welche ich zu Anfang und zu Ende der Capitel, oder ih-
rer Abtheilungen, zugleich zur Zierde und zum Beweise, angebracht

habe,

Vorrede.
einer Statue, von welcher der Kopf vorhanden iſt, zwo andere Fi-
guren gemachet? und dieſes iſt zu Parma in dieſem Jahre, da ich
dieſes ſchreibe, geſchehen, mit einem Coloſſaliſchen Sturze eines
Jupiters, von welchem der ſchoͤne Kopf in der Maleracademie da-
ſelbſt aufgeſtellet iſt. Die zwo neuen aus der alten gemeißelte Figu-
ren, von der Art, wie man ſich leicht vorſtellen kann, ſtehen in
dem Herzoglichen Garten. Dem Kopfe hat man die Naſe auf
die ungeſchickteſte Weiſe angeſetzet, und der neue Bildhauer hat
fuͤr gut gefunden, den Formen des alten Meiſters an der Stirne,
an den Backen und am Barte nachzuhelfen, und das, was ihm
uͤberfluͤßig geſchienen, hat er weggenommen. Ich habe vergeſſen
zu ſagen, daß dieſer Jupiter in der neulich entdeckten verſchuͤtteten
Stadt Velleja, im Parmeſaniſchen, gefunden worden. Auſ-
ſerdem ſind bey Menſchen Gedenken, ja ſeit meinem Aufenthalte
in Rom, viel merkwuͤrdige Sachen nach Engeland gefuͤhret wor-
den, wo ſie, wie Plinius redet, in entlegenen Landhaͤuſern ver-
bannet ſtehen.

Da die vornehmſte Abſicht dieſer Geſchichte auf die Kunſt
der Griechen geht, ſo habe ich auch in dem Capitel von derſelben
umſtaͤndlicher ſeyn muͤſſen, und ich haͤtte mehr ſagen koͤnnen,
wenn ich fuͤr Griechen, und nicht in einer neuern Sprache ge-
ſchrieben, welche mir gewiſſe Behutſamkeiten aufgeleget; in die-
ſer Abſicht habe ich ein Geſpraͤch uͤber die Schoͤnheit, nach Art
des Phaͤdrus des Plato, welches zur Erlaͤuterung der Theoreti-
ſchen Abhandlung derſelben haͤtte dienen koͤnnen, wiewohl unger-
ne, weggelaſſen.

Alle Denkmale der Kunſt, ſowohl von alten Gemaͤlden und
Figuren in Stein, als in geſchnittenen Steinen, Muͤnzen und
Vaſen, welche ich zu Anfang und zu Ende der Capitel, oder ih-
rer Abtheilungen, zugleich zur Zierde und zum Beweiſe, angebracht

habe,
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0021" n="XXIII"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/>
einer Statue, von welcher der Kopf vorhanden i&#x017F;t, zwo andere Fi-<lb/>
guren gemachet? und die&#x017F;es i&#x017F;t zu Parma in die&#x017F;em Jahre, da ich<lb/>
die&#x017F;es &#x017F;chreibe, ge&#x017F;chehen, mit einem Colo&#x017F;&#x017F;ali&#x017F;chen Sturze eines<lb/>
Jupiters, von welchem der &#x017F;cho&#x0364;ne Kopf in der Maleracademie da-<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t aufge&#x017F;tellet i&#x017F;t. Die zwo neuen aus der alten gemeißelte Figu-<lb/>
ren, von der Art, wie man &#x017F;ich leicht vor&#x017F;tellen kann, &#x017F;tehen in<lb/>
dem Herzoglichen Garten. Dem Kopfe hat man die Na&#x017F;e auf<lb/>
die unge&#x017F;chickte&#x017F;te Wei&#x017F;e ange&#x017F;etzet, und der neue Bildhauer hat<lb/>
fu&#x0364;r gut gefunden, den Formen des alten Mei&#x017F;ters an der Stirne,<lb/>
an den Backen und am Barte nachzuhelfen, und das, was ihm<lb/>
u&#x0364;berflu&#x0364;ßig ge&#x017F;chienen, hat er weggenommen. Ich habe verge&#x017F;&#x017F;en<lb/>
zu &#x017F;agen, daß die&#x017F;er Jupiter in der neulich entdeckten ver&#x017F;chu&#x0364;tteten<lb/>
Stadt <hi rendition="#fr">Velleja,</hi> im Parme&#x017F;ani&#x017F;chen, gefunden worden. Au&#x017F;-<lb/>
&#x017F;erdem &#x017F;ind bey Men&#x017F;chen Gedenken, ja &#x017F;eit meinem Aufenthalte<lb/>
in Rom, viel merkwu&#x0364;rdige Sachen nach Engeland gefu&#x0364;hret wor-<lb/>
den, wo &#x017F;ie, wie Plinius redet, in entlegenen Landha&#x0364;u&#x017F;ern ver-<lb/>
bannet &#x017F;tehen.</p><lb/>
        <p>Da die vornehm&#x017F;te Ab&#x017F;icht die&#x017F;er Ge&#x017F;chichte auf die Kun&#x017F;t<lb/>
der Griechen geht, &#x017F;o habe ich auch in dem Capitel von der&#x017F;elben<lb/>
um&#x017F;ta&#x0364;ndlicher &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, und ich ha&#x0364;tte mehr &#x017F;agen ko&#x0364;nnen,<lb/>
wenn ich fu&#x0364;r Griechen, und nicht in einer neuern Sprache ge-<lb/>
&#x017F;chrieben, welche mir gewi&#x017F;&#x017F;e Behut&#x017F;amkeiten aufgeleget; in die-<lb/>
&#x017F;er Ab&#x017F;icht habe ich ein Ge&#x017F;pra&#x0364;ch u&#x0364;ber die Scho&#x0364;nheit, nach Art<lb/>
des Pha&#x0364;drus des Plato, welches zur Erla&#x0364;uterung der Theoreti-<lb/>
&#x017F;chen Abhandlung der&#x017F;elben ha&#x0364;tte dienen ko&#x0364;nnen, wiewohl unger-<lb/>
ne, weggela&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Alle Denkmale der Kun&#x017F;t, &#x017F;owohl von alten Gema&#x0364;lden und<lb/>
Figuren in Stein, als in ge&#x017F;chnittenen Steinen, Mu&#x0364;nzen und<lb/>
Va&#x017F;en, welche ich zu Anfang und zu Ende der Capitel, oder ih-<lb/>
rer Abtheilungen, zugleich zur Zierde und zum Bewei&#x017F;e, angebracht<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">habe,</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XXIII/0021] Vorrede. einer Statue, von welcher der Kopf vorhanden iſt, zwo andere Fi- guren gemachet? und dieſes iſt zu Parma in dieſem Jahre, da ich dieſes ſchreibe, geſchehen, mit einem Coloſſaliſchen Sturze eines Jupiters, von welchem der ſchoͤne Kopf in der Maleracademie da- ſelbſt aufgeſtellet iſt. Die zwo neuen aus der alten gemeißelte Figu- ren, von der Art, wie man ſich leicht vorſtellen kann, ſtehen in dem Herzoglichen Garten. Dem Kopfe hat man die Naſe auf die ungeſchickteſte Weiſe angeſetzet, und der neue Bildhauer hat fuͤr gut gefunden, den Formen des alten Meiſters an der Stirne, an den Backen und am Barte nachzuhelfen, und das, was ihm uͤberfluͤßig geſchienen, hat er weggenommen. Ich habe vergeſſen zu ſagen, daß dieſer Jupiter in der neulich entdeckten verſchuͤtteten Stadt Velleja, im Parmeſaniſchen, gefunden worden. Auſ- ſerdem ſind bey Menſchen Gedenken, ja ſeit meinem Aufenthalte in Rom, viel merkwuͤrdige Sachen nach Engeland gefuͤhret wor- den, wo ſie, wie Plinius redet, in entlegenen Landhaͤuſern ver- bannet ſtehen. Da die vornehmſte Abſicht dieſer Geſchichte auf die Kunſt der Griechen geht, ſo habe ich auch in dem Capitel von derſelben umſtaͤndlicher ſeyn muͤſſen, und ich haͤtte mehr ſagen koͤnnen, wenn ich fuͤr Griechen, und nicht in einer neuern Sprache ge- ſchrieben, welche mir gewiſſe Behutſamkeiten aufgeleget; in die- ſer Abſicht habe ich ein Geſpraͤch uͤber die Schoͤnheit, nach Art des Phaͤdrus des Plato, welches zur Erlaͤuterung der Theoreti- ſchen Abhandlung derſelben haͤtte dienen koͤnnen, wiewohl unger- ne, weggelaſſen. Alle Denkmale der Kunſt, ſowohl von alten Gemaͤlden und Figuren in Stein, als in geſchnittenen Steinen, Muͤnzen und Vaſen, welche ich zu Anfang und zu Ende der Capitel, oder ih- rer Abtheilungen, zugleich zur Zierde und zum Beweiſe, angebracht habe,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/21
Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. XXIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/21>, abgerufen am 29.04.2024.