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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.

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I Theil. Viertes Capitel.
dem Portale der St. Marcus Kirche zu Venedig sind, was man in dieser
Art schönes finden mag; der Kopf des Pferdes Kaisers Marcus Aurelius
kann in der Natur nicht wohlgebildeter und geistreicher seyn. Die vier
Pferde von Erzt an den Wagen, welcher auf dem Herculanischen Theater
stand, waren schön, aber von leichtem Schlage, wie die Pferde aus der
Barbarey sind: aus diesen Pferden ist ein ganzes zusammengesetzet auf dem
Hofe des Königlichen Musei zu Portici zu sehen. Zwey andere Pferde
von Erzt in eben diesem Museo sind unter die seltensten Stücke desselben zu
zählen. Das erste mit dessen Reuter wurde im May 1761. im Herculano
gefunden, aber es mangelten an demselben alle vier Beine, wie auch an
der Figur, nebst dem rechten Arme: die Base desselben aber ist vorhanden,
und mit Silber ausgelegt. Das Pferd ist zween Neapelsche Palmen lang,
hat die Augen, wie auch eine Rose an den Zügeln auf der Stirne, und
einen Kopf der Medusa auf den Brustriemen, von Silber: die Zügel selbst
sind von Kupfer. Die zu Pferde sitzende Figur hat ebenfalls die Augen
von Silber, und der Mantel ist mit einem silbernen Hefte auf der rechten
Schulter zusammengehänget. In der linken Hand hält dieselbe die Degen-
scheide, daß also in der mangelnden rechten Hand der Degen muß gewesen seyn.
Die Bildung ist einem Alexander in allem sehr ähnlich, und um die Haare
ist ein Diadema geleget. Diese Figur ist, von dem Gefäße an, einen Rö-
mischen Palm und zehen Zolle hoch. Das andere Pferd ist ebenfalls ver-
stümmelt, und ohne Figur; aber alle beyde sind von der schönsten Form, und
auf das feinste ausgearbeitet. Schön gezeichnet sind die Pferde auf eini-
gen Syracusischen und andern Münzen, und der Künstler, welcher die
drey ersten Buchstaben MITh seines Namens unter einem Pferdekopfe 1)
auf einem Carniole des Stoßischen Musei gesetzet, war seines Verständ-
nisses und des Beyfalls der Kenner gewiß.

Es
1) Descr. des Pier. gr. du Cab. de Stosch, p. 543.

I Theil. Viertes Capitel.
dem Portale der St. Marcus Kirche zu Venedig ſind, was man in dieſer
Art ſchoͤnes finden mag; der Kopf des Pferdes Kaiſers Marcus Aurelius
kann in der Natur nicht wohlgebildeter und geiſtreicher ſeyn. Die vier
Pferde von Erzt an den Wagen, welcher auf dem Herculaniſchen Theater
ſtand, waren ſchoͤn, aber von leichtem Schlage, wie die Pferde aus der
Barbarey ſind: aus dieſen Pferden iſt ein ganzes zuſammengeſetzet auf dem
Hofe des Koͤniglichen Muſei zu Portici zu ſehen. Zwey andere Pferde
von Erzt in eben dieſem Muſeo ſind unter die ſeltenſten Stuͤcke deſſelben zu
zaͤhlen. Das erſte mit deſſen Reuter wurde im May 1761. im Herculano
gefunden, aber es mangelten an demſelben alle vier Beine, wie auch an
der Figur, nebſt dem rechten Arme: die Baſe deſſelben aber iſt vorhanden,
und mit Silber ausgelegt. Das Pferd iſt zween Neapelſche Palmen lang,
hat die Augen, wie auch eine Roſe an den Zuͤgeln auf der Stirne, und
einen Kopf der Meduſa auf den Bruſtriemen, von Silber: die Zuͤgel ſelbſt
ſind von Kupfer. Die zu Pferde ſitzende Figur hat ebenfalls die Augen
von Silber, und der Mantel iſt mit einem ſilbernen Hefte auf der rechten
Schulter zuſammengehaͤnget. In der linken Hand haͤlt dieſelbe die Degen-
ſcheide, daß alſo in der mangelnden rechten Hand der Degen muß geweſen ſeyn.
Die Bildung iſt einem Alexander in allem ſehr aͤhnlich, und um die Haare
iſt ein Diadema geleget. Dieſe Figur iſt, von dem Gefaͤße an, einen Roͤ-
miſchen Palm und zehen Zolle hoch. Das andere Pferd iſt ebenfalls ver-
ſtuͤmmelt, und ohne Figur; aber alle beyde ſind von der ſchoͤnſten Form, und
auf das feinſte ausgearbeitet. Schoͤn gezeichnet ſind die Pferde auf eini-
gen Syracuſiſchen und andern Muͤnzen, und der Kuͤnſtler, welcher die
drey erſten Buchſtaben ΜΙΘ ſeines Namens unter einem Pferdekopfe 1)
auf einem Carniole des Stoßiſchen Muſei geſetzet, war ſeines Verſtaͤnd-
niſſes und des Beyfalls der Kenner gewiß.

Es
1) Deſcr. des Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 543.
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[188/0238] I Theil. Viertes Capitel. dem Portale der St. Marcus Kirche zu Venedig ſind, was man in dieſer Art ſchoͤnes finden mag; der Kopf des Pferdes Kaiſers Marcus Aurelius kann in der Natur nicht wohlgebildeter und geiſtreicher ſeyn. Die vier Pferde von Erzt an den Wagen, welcher auf dem Herculaniſchen Theater ſtand, waren ſchoͤn, aber von leichtem Schlage, wie die Pferde aus der Barbarey ſind: aus dieſen Pferden iſt ein ganzes zuſammengeſetzet auf dem Hofe des Koͤniglichen Muſei zu Portici zu ſehen. Zwey andere Pferde von Erzt in eben dieſem Muſeo ſind unter die ſeltenſten Stuͤcke deſſelben zu zaͤhlen. Das erſte mit deſſen Reuter wurde im May 1761. im Herculano gefunden, aber es mangelten an demſelben alle vier Beine, wie auch an der Figur, nebſt dem rechten Arme: die Baſe deſſelben aber iſt vorhanden, und mit Silber ausgelegt. Das Pferd iſt zween Neapelſche Palmen lang, hat die Augen, wie auch eine Roſe an den Zuͤgeln auf der Stirne, und einen Kopf der Meduſa auf den Bruſtriemen, von Silber: die Zuͤgel ſelbſt ſind von Kupfer. Die zu Pferde ſitzende Figur hat ebenfalls die Augen von Silber, und der Mantel iſt mit einem ſilbernen Hefte auf der rechten Schulter zuſammengehaͤnget. In der linken Hand haͤlt dieſelbe die Degen- ſcheide, daß alſo in der mangelnden rechten Hand der Degen muß geweſen ſeyn. Die Bildung iſt einem Alexander in allem ſehr aͤhnlich, und um die Haare iſt ein Diadema geleget. Dieſe Figur iſt, von dem Gefaͤße an, einen Roͤ- miſchen Palm und zehen Zolle hoch. Das andere Pferd iſt ebenfalls ver- ſtuͤmmelt, und ohne Figur; aber alle beyde ſind von der ſchoͤnſten Form, und auf das feinſte ausgearbeitet. Schoͤn gezeichnet ſind die Pferde auf eini- gen Syracuſiſchen und andern Muͤnzen, und der Kuͤnſtler, welcher die drey erſten Buchſtaben ΜΙΘ ſeines Namens unter einem Pferdekopfe 1) auf einem Carniole des Stoßiſchen Muſei geſetzet, war ſeines Verſtaͤnd- niſſes und des Beyfalls der Kenner gewiß. Es 1) Deſcr. des Pier. gr. du Cab. de Stoſch, p. 543.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte01_1764/238>, abgerufen am 25.11.2024.