Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 1. Dresden, 1764.Von der Kunst unter den Aegyptern etc. nahme in den Thieren der Aegyptischen Kunst. Unter diesen sind sonder-lich anzuführen 1) ein großer Syhinx von Basalt, in der Villa Borghese, ein anderer großer Sphinx von Granit unter den Königlichen Alterthü- mern zu Dreßden 2), zween Löwen am Aufgange zum Campidoglio, und 3) zween andere an der Fontana Felice. Diese Thiere sind mit vielem Ver- ständnisse, mit einer zierlichen Mannigfaltigkeit sanft ablenkender Umrisse, und flüßig unterbrochener Theile gearbeitet. Die großen Umdreher, wel- che an den Menschlichen Figuren unbestimmt übergangen sind, erscheinen an den Thieren, nebst der Röhre der Schenkel, und andern Gebeinen, mit nachdrücklicher Zierlichkeit ausgeführet; und gleichwohl sind die Hiero- glyphen auf der Base des Sphinx zu Dreßden, und die Löwen an besag- ter Fontana deutliche Anzeigen Aegyptischer Werke. Die Sphinxe an dem Obelisko der Sonnen, welcher im Campo Marzo lieget, sind in eben dem Stil, und in den Köpfen ist eine große Kunst und Fleiß. Aus dieser Verschiedenheit des Stils zwischen den Figuren und Thieren ist zu schließen, daß, da jene Gottheiten, oder heilige Personen vorstellen, die Bildung der- felben allgemein bestimmet gewesen, und daß in Thieren die Künstler meh- rere Freyheit gehabt, sich zu zeigen. Man stelle sich das Systema der alten Kunst der Aegypter, in Absicht der Figuren, wie das Systema der Re- gierung zu Creta und zu Sparta vor, wo von den alten Verordnungen ihrer Gesetzgeber keinen Fingerbreit abzuweichen war; die Thiere wären in diesem vernünftigen Zirkel nicht begriffen gewesen. Zum zweyten sind in der Zeichnung des Nackenden vornehmlich diebb. Beson- zogen, 1) Kircher. Oedip. Aeg. T. 3. p. 469 2) Dieses schätzbare Werk der Aegyptischen Kunst war ehemals in dem Pallaste Chigi zu Rom. 3) Kircher. l. c. p. 463. Winckelm. Gesch. der Kunst. F
Von der Kunſt unter den Aegyptern ꝛc. nahme in den Thieren der Aegyptiſchen Kunſt. Unter dieſen ſind ſonder-lich anzufuͤhren 1) ein großer Syhinx von Baſalt, in der Villa Borgheſe, ein anderer großer Sphinx von Granit unter den Koͤniglichen Alterthuͤ- mern zu Dreßden 2), zween Loͤwen am Aufgange zum Campidoglio, und 3) zween andere an der Fontana Felice. Dieſe Thiere ſind mit vielem Ver- ſtaͤndniſſe, mit einer zierlichen Mannigfaltigkeit ſanft ablenkender Umriſſe, und fluͤßig unterbrochener Theile gearbeitet. Die großen Umdreher, wel- che an den Menſchlichen Figuren unbeſtimmt uͤbergangen ſind, erſcheinen an den Thieren, nebſt der Roͤhre der Schenkel, und andern Gebeinen, mit nachdruͤcklicher Zierlichkeit ausgefuͤhret; und gleichwohl ſind die Hiero- glyphen auf der Baſe des Sphinx zu Dreßden, und die Loͤwen an beſag- ter Fontana deutliche Anzeigen Aegyptiſcher Werke. Die Sphinxe an dem Obelisko der Sonnen, welcher im Campo Marzo lieget, ſind in eben dem Stil, und in den Koͤpfen iſt eine große Kunſt und Fleiß. Aus dieſer Verſchiedenheit des Stils zwiſchen den Figuren und Thieren iſt zu ſchließen, daß, da jene Gottheiten, oder heilige Perſonen vorſtellen, die Bildung der- felben allgemein beſtimmet geweſen, und daß in Thieren die Kuͤnſtler meh- rere Freyheit gehabt, ſich zu zeigen. Man ſtelle ſich das Syſtema der alten Kunſt der Aegypter, in Abſicht der Figuren, wie das Syſtema der Re- gierung zu Creta und zu Sparta vor, wo von den alten Verordnungen ihrer Geſetzgeber keinen Fingerbreit abzuweichen war; die Thiere waͤren in dieſem vernuͤnftigen Zirkel nicht begriffen geweſen. Zum zweyten ſind in der Zeichnung des Nackenden vornehmlich diebb. Beſon- zogen, 1) Kircher. Oedip. Aeg. T. 3. p. 469 2) Dieſes ſchaͤtzbare Werk der Aegyptiſchen Kunſt war ehemals in dem Pallaſte Chigi zu Rom. 3) Kircher. l. c. p. 463. Winckelm. Geſch. der Kunſt. F
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Von der Kunſt unter den Aegyptern ꝛc.
nahme in den Thieren der Aegyptiſchen Kunſt. Unter dieſen ſind ſonder-
lich anzufuͤhren 1) ein großer Syhinx von Baſalt, in der Villa Borgheſe,
ein anderer großer Sphinx von Granit unter den Koͤniglichen Alterthuͤ-
mern zu Dreßden 2), zween Loͤwen am Aufgange zum Campidoglio, und
3) zween andere an der Fontana Felice. Dieſe Thiere ſind mit vielem Ver-
ſtaͤndniſſe, mit einer zierlichen Mannigfaltigkeit ſanft ablenkender Umriſſe,
und fluͤßig unterbrochener Theile gearbeitet. Die großen Umdreher, wel-
che an den Menſchlichen Figuren unbeſtimmt uͤbergangen ſind, erſcheinen
an den Thieren, nebſt der Roͤhre der Schenkel, und andern Gebeinen,
mit nachdruͤcklicher Zierlichkeit ausgefuͤhret; und gleichwohl ſind die Hiero-
glyphen auf der Baſe des Sphinx zu Dreßden, und die Loͤwen an beſag-
ter Fontana deutliche Anzeigen Aegyptiſcher Werke. Die Sphinxe an dem
Obelisko der Sonnen, welcher im Campo Marzo lieget, ſind in eben
dem Stil, und in den Koͤpfen iſt eine große Kunſt und Fleiß. Aus dieſer
Verſchiedenheit des Stils zwiſchen den Figuren und Thieren iſt zu ſchließen,
daß, da jene Gottheiten, oder heilige Perſonen vorſtellen, die Bildung der-
felben allgemein beſtimmet geweſen, und daß in Thieren die Kuͤnſtler meh-
rere Freyheit gehabt, ſich zu zeigen. Man ſtelle ſich das Syſtema der alten
Kunſt der Aegypter, in Abſicht der Figuren, wie das Syſtema der Re-
gierung zu Creta und zu Sparta vor, wo von den alten Verordnungen
ihrer Geſetzgeber keinen Fingerbreit abzuweichen war; die Thiere waͤren in
dieſem vernuͤnftigen Zirkel nicht begriffen geweſen.
Zum zweyten ſind in der Zeichnung des Nackenden vornehmlich die
aͤußern Theile Aegyptiſcher Figuren zu betrachten, das iſt, der Kopf, die
Haͤnde, und die Fuͤße. An dem Kopf ſind die Augen platt und ſchraͤg ge-
zogen,
bb. Beſon-
ders an ver-
ſchiedenen
Theilen des
Koͤrpers an-
gezeiget.
α. der Kopf.
1) Kircher. Oedip. Aeg. T. 3. p. 469
2) Dieſes ſchaͤtzbare Werk der Aegyptiſchen Kunſt war ehemals in dem Pallaſte Chigi zu Rom.
3) Kircher. l. c. p. 463.
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