Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.II Theil. Von der Griechischen Kunst benen Gebäude in der Welt übertreffen, an welchen man das Schnitzwerkund die Verzierungen bewundern muß. Es wäre also nicht widerspre- chend, wie Nardini meynet 1), daß die zwey erstaunenden Stücke eines schön geschnitzten Gebälks in dem Garten des Pallastes Colonna, von einem Tempel der Sonne seyn könnten, welchen Kaiser Aurelianus in dieser Ge- gend gebauet. Dieses zu begreifen, muß man bedenken, daß die Bau- kunst, welche vornehmlich mit Maaß und Regel zu thun hat, und in wel- cher alles nach denselben bestimmet werden kann, eine angewiesenere Vor- schrift, als die Kunst der Zeichnung insbesondere, hat, und also nicht so leicht abweichen, noch verfallen konnte. Unterdessen bekennet Plato, daß selbst in Griechenland ein guter Baumeister eine Seltenheit gewe- sen 2). Bey dem allen ist fast unbegreiflich, daß an dem Portal des fälschlich sogenannten Tempels der Concordia, welchen Constantin, nach Anzeige einer nicht mehr vorhandenen Jnschrift 3) wieder herstellen lassen, das oberste und verjüngete Ende von zwo Säulen, umgekehrt auf die un- tere Hälfte derselben gesetzet worden. Von dem ver- übten Unfug an Statuen überhaupt, und von erhal- tenen Werken aus dieser Zeit. Constantin der Große suchete, nach bestätigtem Frieden im Reiche, Und 1) Rom. p. 187. 2) Amator. p. 237. l. 7. edit. Basil. 3) Marlian. Topogr. Rom. L. 2. c. 10. p. 28. 4) v. Cresol. Theatr. Rhet. p. 32.
II Theil. Von der Griechiſchen Kunſt benen Gebaͤude in der Welt uͤbertreffen, an welchen man das Schnitzwerkund die Verzierungen bewundern muß. Es waͤre alſo nicht widerſpre- chend, wie Nardini meynet 1), daß die zwey erſtaunenden Stuͤcke eines ſchoͤn geſchnitzten Gebaͤlks in dem Garten des Pallaſtes Colonna, von einem Tempel der Sonne ſeyn koͤnnten, welchen Kaiſer Aurelianus in dieſer Ge- gend gebauet. Dieſes zu begreifen, muß man bedenken, daß die Bau- kunſt, welche vornehmlich mit Maaß und Regel zu thun hat, und in wel- cher alles nach denſelben beſtimmet werden kann, eine angewieſenere Vor- ſchrift, als die Kunſt der Zeichnung insbeſondere, hat, und alſo nicht ſo leicht abweichen, noch verfallen konnte. Unterdeſſen bekennet Plato, daß ſelbſt in Griechenland ein guter Baumeiſter eine Seltenheit gewe- ſen 2). Bey dem allen iſt faſt unbegreiflich, daß an dem Portal des faͤlſchlich ſogenannten Tempels der Concordia, welchen Conſtantin, nach Anzeige einer nicht mehr vorhandenen Jnſchrift 3) wieder herſtellen laſſen, das oberſte und verjuͤngete Ende von zwo Saͤulen, umgekehrt auf die un- tere Haͤlfte derſelben geſetzet worden. Von dem ver- uͤbten Unfug an Statuen uͤberhaupt, und von erhal- tenen Werken aus dieſer Zeit. Conſtantin der Große ſuchete, nach beſtaͤtigtem Frieden im Reiche, Und 1) Rom. p. 187. 2) Amator. p. 237. l. 7. edit. Baſil. 3) Marlian. Topogr. Rom. L. 2. c. 10. p. 28. 4) v. Creſol. Theatr. Rhet. p. 32.
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II Theil. Von der Griechiſchen Kunſt
benen Gebaͤude in der Welt uͤbertreffen, an welchen man das Schnitzwerk
und die Verzierungen bewundern muß. Es waͤre alſo nicht widerſpre-
chend, wie Nardini meynet 1), daß die zwey erſtaunenden Stuͤcke eines
ſchoͤn geſchnitzten Gebaͤlks in dem Garten des Pallaſtes Colonna, von einem
Tempel der Sonne ſeyn koͤnnten, welchen Kaiſer Aurelianus in dieſer Ge-
gend gebauet. Dieſes zu begreifen, muß man bedenken, daß die Bau-
kunſt, welche vornehmlich mit Maaß und Regel zu thun hat, und in wel-
cher alles nach denſelben beſtimmet werden kann, eine angewieſenere Vor-
ſchrift, als die Kunſt der Zeichnung insbeſondere, hat, und alſo nicht ſo
leicht abweichen, noch verfallen konnte. Unterdeſſen bekennet Plato,
daß ſelbſt in Griechenland ein guter Baumeiſter eine Seltenheit gewe-
ſen 2). Bey dem allen iſt faſt unbegreiflich, daß an dem Portal des
faͤlſchlich ſogenannten Tempels der Concordia, welchen Conſtantin, nach
Anzeige einer nicht mehr vorhandenen Jnſchrift 3) wieder herſtellen laſſen,
das oberſte und verjuͤngete Ende von zwo Saͤulen, umgekehrt auf die un-
tere Haͤlfte derſelben geſetzet worden.
Conſtantin der Große ſuchete, nach beſtaͤtigtem Frieden im Reiche,
den Wiſſenſchaften aufzuhelfen, und in Athen, wo die Lehrer der Rede-
kunſt ihre Schulen von neuem mit großem Zulaufe oͤfneten, wurde der
Sammelplatz der Studirenden, die aus dem ganzen Reiche dahin gien-
gen 4). Haͤtte die Welt durch Ausrottung der Abgoͤtterey nicht eine an-
dere Geſtalt bekommen, ſo ſieht man an vier großen Kirchenvaͤtern, dem
H. Gregorius Nazianzenus und Nyſſenus, dem H. Baſilius und Johann
Chryſoſtomus, daß es der Griechiſchen Nation auch nach dem Conſtantin
nicht an außerordentlichen Talenten, auch in Cappadocien, gefehlet.
Und
1) Rom. p. 187.
2) Amator. p. 237. l. 7. edit. Baſil.
3) Marlian. Topogr. Rom. L. 2. c. 10. p. 28.
4) v. Creſol. Theatr. Rhet. p. 32.
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