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Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

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II Theil. Von der Kunst, nach den äußern Umständen
Jn eben dieser Sammlung stellet eine andere Zeichnung ein Stück einer er-
habenen Arbeit von eben dieser Fabel mit drey Figuren vor; einen von den
Söhnen mit einer Wunde in der Seite, und zwo Töchter, von denen die
eine so gestellet ist, daß ihr Gesicht, und also ihr Schmerz, durch den er-
hobenen Arm verdecket ist. Eben diese Fabel war erhoben gearbeitet
auf der Thüre von Elfenbein an dem Tempel des Apollo, welchen Augu-
stus auf dem Palatino bauete 1).

Pythagoras, der vierte unter den oben namhaft gemachten Künst-
lern, wurde unter die ersten seiner Zeit gezählet, wie der Preis, welchen
er zu Delphos durch die Statue eines Pancratiasten über den Myron er-
halten, beweiset. Alcamenes wurde für den nächsten nach dem größten
Künstler seiner Zeit gehalten 2): eins von seinen berühmtesten Werken war
seine Venus, mit dem Zunamen, im Garten zu Athen. Dieses wa-
ren die berühmtesten Künstler des hohen Stils der Kunst.

bb.
Widerlegung
der Meynung,
daß die Ver-
götterung des
Homerus aus
dieser Zeit sey.

Ein gelehrter Engeländer behauptet 3), daß die bekannte Vergötterung
des Homerus in dem Pallaste Colonna zu Rom, zwischen der zwey und
siebenzigsten und vier und neunzigsten Olympias gemachet worden, und
dieses aus Gründen, welche ihm die vermeynte Schreibart eines Wortes
auf diesem Marmor, welches die Zeit bedeutet, giebt. Wenn dieses Vor-
geben seine Richtigkeit hätte, und mit dem Augenscheine bestehen könnte, so
würde dieses Werk eines der ältesten Ueberbleibsel aus dem Alterthume,
und aus dem hohen Stile der Kunst seyn. Es war nicht zu fordern, daß
er aus der Arbeit der Kunst urtheilen sollen, weil er das Stück vermuth-
lich nicht gesehen; also hat er sich auf die so viel und weitläuftig abgehan-
delte Schreibart gedachten Worts verlassen 4). Es hat derselbe aber nicht

gewußt,
1) Propert. L. 2. el. 23. v. 14.
2) Pausan. L. 5. p. 399. l. ult.
3) Reinold. Hist. Litt. Gr. et Lat. p. 9.
4) Man lese, was Spanheim, (de praest. Num. T. I. p. 96.) Cuper, Schott, und andere
(Chishul. Inscr. Sig. p. 23.) über das Wort [fremdsprachliches Material - Zeichen fehlt] gesagt haben.

II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden
Jn eben dieſer Sammlung ſtellet eine andere Zeichnung ein Stuͤck einer er-
habenen Arbeit von eben dieſer Fabel mit drey Figuren vor; einen von den
Soͤhnen mit einer Wunde in der Seite, und zwo Toͤchter, von denen die
eine ſo geſtellet iſt, daß ihr Geſicht, und alſo ihr Schmerz, durch den er-
hobenen Arm verdecket iſt. Eben dieſe Fabel war erhoben gearbeitet
auf der Thuͤre von Elfenbein an dem Tempel des Apollo, welchen Augu-
ſtus auf dem Palatino bauete 1).

Pythagoras, der vierte unter den oben namhaft gemachten Kuͤnſt-
lern, wurde unter die erſten ſeiner Zeit gezaͤhlet, wie der Preis, welchen
er zu Delphos durch die Statue eines Pancratiaſten uͤber den Myron er-
halten, beweiſet. Alcamenes wurde fuͤr den naͤchſten nach dem groͤßten
Kuͤnſtler ſeiner Zeit gehalten 2): eins von ſeinen beruͤhmteſten Werken war
ſeine Venus, mit dem Zunamen, im Garten zu Athen. Dieſes wa-
ren die beruͤhmteſten Kuͤnſtler des hohen Stils der Kunſt.

bb.
Widerlegung
der Meynung,
daß die Ver-
goͤtterung des
Homerus aus
dieſer Zeit ſey.

Ein gelehrter Engelaͤnder behauptet 3), daß die bekannte Vergoͤtterung
des Homerus in dem Pallaſte Colonna zu Rom, zwiſchen der zwey und
ſiebenzigſten und vier und neunzigſten Olympias gemachet worden, und
dieſes aus Gruͤnden, welche ihm die vermeynte Schreibart eines Wortes
auf dieſem Marmor, welches die Zeit bedeutet, giebt. Wenn dieſes Vor-
geben ſeine Richtigkeit haͤtte, und mit dem Augenſcheine beſtehen koͤnnte, ſo
wuͤrde dieſes Werk eines der aͤlteſten Ueberbleibſel aus dem Alterthume,
und aus dem hohen Stile der Kunſt ſeyn. Es war nicht zu fordern, daß
er aus der Arbeit der Kunſt urtheilen ſollen, weil er das Stuͤck vermuth-
lich nicht geſehen; alſo hat er ſich auf die ſo viel und weitlaͤuftig abgehan-
delte Schreibart gedachten Worts verlaſſen 4). Es hat derſelbe aber nicht

gewußt,
1) Propert. L. 2. el. 23. v. 14.
2) Pauſan. L. 5. p. 399. l. ult.
3) Reinold. Hiſt. Litt. Gr. et Lat. p. 9.
4) Man leſe, was Spanheim, (de praeſt. Num. T. I. p. 96.) Cuper, Schott, und andere
(Chishul. Inſcr. Sig. p. 23.) uͤber das Wort [fremdsprachliches Material – Zeichen fehlt] geſagt haben.
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[338/0026] II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden Jn eben dieſer Sammlung ſtellet eine andere Zeichnung ein Stuͤck einer er- habenen Arbeit von eben dieſer Fabel mit drey Figuren vor; einen von den Soͤhnen mit einer Wunde in der Seite, und zwo Toͤchter, von denen die eine ſo geſtellet iſt, daß ihr Geſicht, und alſo ihr Schmerz, durch den er- hobenen Arm verdecket iſt. Eben dieſe Fabel war erhoben gearbeitet auf der Thuͤre von Elfenbein an dem Tempel des Apollo, welchen Augu- ſtus auf dem Palatino bauete 1). Pythagoras, der vierte unter den oben namhaft gemachten Kuͤnſt- lern, wurde unter die erſten ſeiner Zeit gezaͤhlet, wie der Preis, welchen er zu Delphos durch die Statue eines Pancratiaſten uͤber den Myron er- halten, beweiſet. Alcamenes wurde fuͤr den naͤchſten nach dem groͤßten Kuͤnſtler ſeiner Zeit gehalten 2): eins von ſeinen beruͤhmteſten Werken war ſeine Venus, mit dem Zunamen, im Garten zu Athen. Dieſes wa- ren die beruͤhmteſten Kuͤnſtler des hohen Stils der Kunſt. Ein gelehrter Engelaͤnder behauptet 3), daß die bekannte Vergoͤtterung des Homerus in dem Pallaſte Colonna zu Rom, zwiſchen der zwey und ſiebenzigſten und vier und neunzigſten Olympias gemachet worden, und dieſes aus Gruͤnden, welche ihm die vermeynte Schreibart eines Wortes auf dieſem Marmor, welches die Zeit bedeutet, giebt. Wenn dieſes Vor- geben ſeine Richtigkeit haͤtte, und mit dem Augenſcheine beſtehen koͤnnte, ſo wuͤrde dieſes Werk eines der aͤlteſten Ueberbleibſel aus dem Alterthume, und aus dem hohen Stile der Kunſt ſeyn. Es war nicht zu fordern, daß er aus der Arbeit der Kunſt urtheilen ſollen, weil er das Stuͤck vermuth- lich nicht geſehen; alſo hat er ſich auf die ſo viel und weitlaͤuftig abgehan- delte Schreibart gedachten Worts verlaſſen 4). Es hat derſelbe aber nicht gewußt, 1) Propert. L. 2. el. 23. v. 14. 2) Pauſan. L. 5. p. 399. l. ult. 3) Reinold. Hiſt. Litt. Gr. et Lat. p. 9. 4) Man leſe, was Spanheim, (de praeſt. Num. T. I. p. 96.) Cuper, Schott, und andere (Chishul. Inſcr. Sig. p. 23.) uͤber das Wort _ geſagt haben.

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Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/26>, abgerufen am 24.11.2024.