Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764.

Bild:
<< vorherige Seite

II Theil. Von der Kunst, nach den äußern Umständen
er sich der Freudenthränen nicht enthalten 1). Es fieng so gar die Griechi-
sche Sprache an in den Griechischen Städten in Jtalien aus dem Gebrau-
che zu kommen: denn Livius berichtet 2), daß kurz vor dem Kriege mit dem
Könige Perseus, das ist, im fünf hundert und zwey und siebenzigsten Jah-
re der Stadt Rom, der Römische Senat der Stadt Cuma die Erlaubniß
gegeben, in öffentlichen Geschäften sich der Römischen Sprache zu bedie-
nen, und die Waaren in Latein zum Verkauf ausrufen zu lassen; welches
ich vielmehr für ein Geboth, als für eine Erlaubniß halte.

IV.
Von der Grie-
chischen Kunst
unter den Rö-
mern und den
Römischen
Kaisern.

Der abermalige Fall des Flors der Kunst in Griechenland, schließt
indessen dieselbe in einigen einzelnen Künstlern nicht aus. Denn zu Julius
Cäsars Zeiten, machte sich in der Bildhauerey Strongylion berühmt 3),
der Meister der Amazone, mit den schönen Beinen zubenamet, welche
A.
Unter dem
Cäsar.
Nero allenthalben mit sich führete; er machete auch die Statue des jungen
Menschen, welchen Brutus liebte. Jn der Malerey war es Timoma-
a.
Namhafte
Künstler.
chus, dessen Gemälde Ajax und Medea vom Cäsar mit achtzig Talenten be-
zahlet, und in dem von ihm erbaueten Tempel der Venus aufgehänget
wurden 4). Vor demselben stand des Cäsars Statue zu Pferde, und es
scheint aus einer Stelle des Statius 5), daß das Pferd von der Hand des
berühmten Lysippus gewesen, und also aus Griechenland weggeführet
worden. Es blühete Arcesilaus 6), der Freund des Lucullus, dessen
Modelle von andern Künstlern theuerer, als anderer Meister geendigte
Werke, bezahlet wurden; er arbeitete eine Venus für den Cäsar, die ihm,
ehe er die letzte Hand an dieselbe geleget hatte, aus den Händen genommen,
b.
Werke der
Kunst aus die-
ser Zeit.
und in Rom aufgestellet wurde. Ferner sind Pasiteles, Posidonius,
Ladus
und Zopyrus bekannt. Eine große und schöne Statue des Ne-
ptunus, welche vor wenig Jahren, nebst einer sogenannten Juno, zu

Corinth
1) Livius L. 25. c. 24.
2) L. 40. c. 42.
3) Plin. L. 34. c. 19.
4) Idem L. 35. c. 40.
5) conf. Nardini Rom. p. 267.
6) Plin. L. 35. c. 45.

II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden
er ſich der Freudenthraͤnen nicht enthalten 1). Es fieng ſo gar die Griechi-
ſche Sprache an in den Griechiſchen Staͤdten in Jtalien aus dem Gebrau-
che zu kommen: denn Livius berichtet 2), daß kurz vor dem Kriege mit dem
Koͤnige Perſeus, das iſt, im fuͤnf hundert und zwey und ſiebenzigſten Jah-
re der Stadt Rom, der Roͤmiſche Senat der Stadt Cuma die Erlaubniß
gegeben, in oͤffentlichen Geſchaͤften ſich der Roͤmiſchen Sprache zu bedie-
nen, und die Waaren in Latein zum Verkauf ausrufen zu laſſen; welches
ich vielmehr fuͤr ein Geboth, als fuͤr eine Erlaubniß halte.

IV.
Von der Grie-
chiſchen Kunſt
unter den Roͤ-
mern und den
Roͤmiſchen
Kaiſern.

Der abermalige Fall des Flors der Kunſt in Griechenland, ſchließt
indeſſen dieſelbe in einigen einzelnen Kuͤnſtlern nicht aus. Denn zu Julius
Caͤſars Zeiten, machte ſich in der Bildhauerey Strongylion beruͤhmt 3),
der Meiſter der Amazone, mit den ſchoͤnen Beinen zubenamet, welche
A.
Unter dem
Caͤſar.
Nero allenthalben mit ſich fuͤhrete; er machete auch die Statue des jungen
Menſchen, welchen Brutus liebte. Jn der Malerey war es Timoma-
a.
Namhafte
Kuͤnſtler.
chus, deſſen Gemaͤlde Ajax und Medea vom Caͤſar mit achtzig Talenten be-
zahlet, und in dem von ihm erbaueten Tempel der Venus aufgehaͤnget
wurden 4). Vor demſelben ſtand des Caͤſars Statue zu Pferde, und es
ſcheint aus einer Stelle des Statius 5), daß das Pferd von der Hand des
beruͤhmten Lyſippus geweſen, und alſo aus Griechenland weggefuͤhret
worden. Es bluͤhete Arceſilaus 6), der Freund des Lucullus, deſſen
Modelle von andern Kuͤnſtlern theuerer, als anderer Meiſter geendigte
Werke, bezahlet wurden; er arbeitete eine Venus fuͤr den Caͤſar, die ihm,
ehe er die letzte Hand an dieſelbe geleget hatte, aus den Haͤnden genommen,
b.
Werke der
Kunſt aus die-
ſer Zeit.
und in Rom aufgeſtellet wurde. Ferner ſind Paſiteles, Poſidonius,
Ladus
und Zopyrus bekannt. Eine große und ſchoͤne Statue des Ne-
ptunus, welche vor wenig Jahren, nebſt einer ſogenannten Juno, zu

Corinth
1) Livius L. 25. c. 24.
2) L. 40. c. 42.
3) Plin. L. 34. c. 19.
4) Idem L. 35. c. 40.
5) conf. Nardini Rom. p. 267.
6) Plin. L. 35. c. 45.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0070" n="382"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II</hi> Theil. Von der Kun&#x017F;t, nach den a&#x0364;ußern Um&#x017F;ta&#x0364;nden</hi></fw><lb/>
er &#x017F;ich der Freudenthra&#x0364;nen nicht enthalten <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Livius L. 25. c.</hi> 24.</note>. Es fieng &#x017F;o gar die Griechi-<lb/>
&#x017F;che Sprache an in den Griechi&#x017F;chen Sta&#x0364;dten in Jtalien aus dem Gebrau-<lb/>
che zu kommen: denn Livius berichtet <note place="foot" n="2)"><hi rendition="#aq">L. 40. c.</hi> 42.</note>, daß kurz vor dem Kriege mit dem<lb/>
Ko&#x0364;nige Per&#x017F;eus, das i&#x017F;t, im fu&#x0364;nf hundert und zwey und &#x017F;iebenzig&#x017F;ten Jah-<lb/>
re der Stadt Rom, der Ro&#x0364;mi&#x017F;che Senat der Stadt Cuma die Erlaubniß<lb/>
gegeben, in o&#x0364;ffentlichen Ge&#x017F;cha&#x0364;ften &#x017F;ich der Ro&#x0364;mi&#x017F;chen Sprache zu bedie-<lb/>
nen, und die Waaren in Latein zum Verkauf ausrufen zu la&#x017F;&#x017F;en; welches<lb/>
ich vielmehr fu&#x0364;r ein Geboth, als fu&#x0364;r eine Erlaubniß halte.</p><lb/>
          <note place="left"><hi rendition="#aq">IV.</hi><lb/>
Von der Grie-<lb/>
chi&#x017F;chen Kun&#x017F;t<lb/>
unter den Ro&#x0364;-<lb/>
mern und den<lb/><hi rendition="#g">Ro&#x0364;mi&#x017F;chen</hi><lb/>
Kai&#x017F;ern.</note>
          <p>Der abermalige Fall des Flors der Kun&#x017F;t in Griechenland, &#x017F;chließt<lb/>
inde&#x017F;&#x017F;en die&#x017F;elbe in einigen einzelnen Ku&#x0364;n&#x017F;tlern nicht aus. Denn zu Julius<lb/>
Ca&#x0364;&#x017F;ars Zeiten, machte &#x017F;ich in der Bildhauerey <hi rendition="#fr">Strongylion</hi> beru&#x0364;hmt <note place="foot" n="3)"><hi rendition="#aq">Plin. L. 34. c.</hi> 19.</note>,<lb/>
der Mei&#x017F;ter <hi rendition="#fr">der Amazone, mit den &#x017F;cho&#x0364;nen Beinen</hi> zubenamet, welche<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">A.</hi><lb/>
Unter dem<lb/>
Ca&#x0364;&#x017F;ar.</note>Nero allenthalben mit &#x017F;ich fu&#x0364;hrete; er machete auch die Statue des jungen<lb/>
Men&#x017F;chen, welchen Brutus liebte. Jn der Malerey war es <hi rendition="#fr">Timoma-</hi><lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">a.</hi><lb/>
Namhafte<lb/>
Ku&#x0364;n&#x017F;tler.</note><hi rendition="#fr">chus</hi>, de&#x017F;&#x017F;en Gema&#x0364;lde Ajax und Medea vom Ca&#x0364;&#x017F;ar mit achtzig Talenten be-<lb/>
zahlet, und in dem von ihm erbaueten Tempel der Venus aufgeha&#x0364;nget<lb/>
wurden <note place="foot" n="4)"><hi rendition="#aq">Idem L. 35. c.</hi> 40.</note>. Vor dem&#x017F;elben &#x017F;tand des Ca&#x0364;&#x017F;ars Statue zu Pferde, und es<lb/>
&#x017F;cheint aus einer Stelle des Statius <note place="foot" n="5)"><hi rendition="#aq">conf. Nardini Rom. p.</hi> 267.</note>, daß das Pferd von der Hand des<lb/>
beru&#x0364;hmten Ly&#x017F;ippus gewe&#x017F;en, und al&#x017F;o aus Griechenland weggefu&#x0364;hret<lb/>
worden. Es blu&#x0364;hete <hi rendition="#fr">Arce&#x017F;ilaus</hi> <note place="foot" n="6)"><hi rendition="#aq">Plin. L. 35. c.</hi> 45.</note>, der Freund des Lucullus, de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Modelle von andern Ku&#x0364;n&#x017F;tlern theuerer, als anderer Mei&#x017F;ter geendigte<lb/>
Werke, bezahlet wurden; er arbeitete eine Venus fu&#x0364;r den Ca&#x0364;&#x017F;ar, die ihm,<lb/>
ehe er die letzte Hand an die&#x017F;elbe geleget hatte, aus den Ha&#x0364;nden genommen,<lb/><note place="left"><hi rendition="#aq">b.</hi><lb/>
Werke der<lb/>
Kun&#x017F;t aus die-<lb/>
&#x017F;er Zeit.</note>und in Rom aufge&#x017F;tellet wurde. Ferner &#x017F;ind <hi rendition="#fr">Pa&#x017F;iteles, Po&#x017F;idonius,<lb/>
Ladus</hi> und <hi rendition="#fr">Zopyrus</hi> bekannt. Eine große und &#x017F;cho&#x0364;ne Statue des Ne-<lb/>
ptunus, welche vor wenig Jahren, neb&#x017F;t einer &#x017F;ogenannten Juno, zu<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Corinth</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0070] II Theil. Von der Kunſt, nach den aͤußern Umſtaͤnden er ſich der Freudenthraͤnen nicht enthalten 1). Es fieng ſo gar die Griechi- ſche Sprache an in den Griechiſchen Staͤdten in Jtalien aus dem Gebrau- che zu kommen: denn Livius berichtet 2), daß kurz vor dem Kriege mit dem Koͤnige Perſeus, das iſt, im fuͤnf hundert und zwey und ſiebenzigſten Jah- re der Stadt Rom, der Roͤmiſche Senat der Stadt Cuma die Erlaubniß gegeben, in oͤffentlichen Geſchaͤften ſich der Roͤmiſchen Sprache zu bedie- nen, und die Waaren in Latein zum Verkauf ausrufen zu laſſen; welches ich vielmehr fuͤr ein Geboth, als fuͤr eine Erlaubniß halte. Der abermalige Fall des Flors der Kunſt in Griechenland, ſchließt indeſſen dieſelbe in einigen einzelnen Kuͤnſtlern nicht aus. Denn zu Julius Caͤſars Zeiten, machte ſich in der Bildhauerey Strongylion beruͤhmt 3), der Meiſter der Amazone, mit den ſchoͤnen Beinen zubenamet, welche Nero allenthalben mit ſich fuͤhrete; er machete auch die Statue des jungen Menſchen, welchen Brutus liebte. Jn der Malerey war es Timoma- chus, deſſen Gemaͤlde Ajax und Medea vom Caͤſar mit achtzig Talenten be- zahlet, und in dem von ihm erbaueten Tempel der Venus aufgehaͤnget wurden 4). Vor demſelben ſtand des Caͤſars Statue zu Pferde, und es ſcheint aus einer Stelle des Statius 5), daß das Pferd von der Hand des beruͤhmten Lyſippus geweſen, und alſo aus Griechenland weggefuͤhret worden. Es bluͤhete Arceſilaus 6), der Freund des Lucullus, deſſen Modelle von andern Kuͤnſtlern theuerer, als anderer Meiſter geendigte Werke, bezahlet wurden; er arbeitete eine Venus fuͤr den Caͤſar, die ihm, ehe er die letzte Hand an dieſelbe geleget hatte, aus den Haͤnden genommen, und in Rom aufgeſtellet wurde. Ferner ſind Paſiteles, Poſidonius, Ladus und Zopyrus bekannt. Eine große und ſchoͤne Statue des Ne- ptunus, welche vor wenig Jahren, nebſt einer ſogenannten Juno, zu Corinth A. Unter dem Caͤſar. a. Namhafte Kuͤnſtler. b. Werke der Kunſt aus die- ſer Zeit. 1) Livius L. 25. c. 24. 2) L. 40. c. 42. 3) Plin. L. 34. c. 19. 4) Idem L. 35. c. 40. 5) conf. Nardini Rom. p. 267. 6) Plin. L. 35. c. 45.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/70
Zitationshilfe: Winckelmann, Johann Joachim: Geschichte der Kunst des Alterthums. Bd. 2. Dresden, 1764, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/winckelmann_kunstgeschichte02_1764/70>, abgerufen am 22.11.2024.