Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832.VI. Gefühle und Wünsche eines Greises am Bodensee, Durch ein halbes Jahrhundert habe ich die hochwichtigen Weltereig- Doch diese Hoffnung trübt die immer mehr herannahende Gewiß- VI. Gefühle und Wünſche eines Greiſes am Bodenſee, Durch ein halbes Jahrhundert habe ich die hochwichtigen Weltereig- Doch dieſe Hoffnung trübt die immer mehr herannahende Gewiß- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0028" n="20"/> <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">VI.</hi><hi rendition="#g">Gefühle und Wünſche eines Greiſes am Bodenſee,<lb/> hervorgerufen durch die hohe Idee des am 27. Mai<lb/> abzuhaltenden Volksfeſtes zu Hambach in Rhein-<lb/> baiern</hi>.</hi> </p><lb/> <p>Durch ein halbes Jahrhundert habe ich die hochwichtigen Weltereig-<lb/> niſſe mit Intereſſe beobachtet. Ich ſah das große Weltereigniß der<lb/> franzöſiſchen Revolution vom Jahre 1789 erſtehen, beobachtete deſſen<lb/> Folgen und lebte in der tröſtlichen Hoffnung, Europa werde dadurch<lb/> emanzipirt und die ſchönen, freien, volksbeglückenden Grundſätze, die<lb/> ſich in dieſer welterſchütternden Revolution entwickelten, werden geläu-<lb/> tert die von ganz Europa werden. Das Mißglücken iſt leider allzube-<lb/> kannt. Im Anfang glaubte ich die erſte und größte Urſache dieſes Miß-<lb/> lingens in der Unwiſſenheit und dem Sclavenſinn der übrigen europäiſchen<lb/> Völker geſehen zu haben und fand im Verfolg dieſe meine Meinung<lb/> immer mehr beſtätiget. Ich ſah die Wunder, die die Tapferkeit des<lb/> franzöſiſchen Volkes bewirkte, mußte aber leider auch ſehen, daß dieſe<lb/> Tapferkeit durch Unkenntniß des Volkes mit ſeiner eigenen kritiſchen<lb/> Lage und Mangel an Gleichheit und Zuſammenhang ſeiner Geſinnungen,<lb/> dem Treiben der Despoten aller Art unterlag, und daß die vereinigte<lb/> Despotie ſich wieder zum Herrn der Welt und zum Unterdrücker der<lb/> Völker mehr als früher aufwarf, ſo daß ich jede Hoffnung aufgab, noch<lb/> vor meinem Tode, je unſer liebes Teutſchland frei und glücklicher als<lb/> bisher zu ſehen, bis endlich die Julirevolution von 1830 dieſe nieder-<lb/> ſchlagenden Gedanken einigermaßen verſcheuchte, und die Hoffnung in mir<lb/> nährte, noch in meinem Alter Schritte zur Befreiung meines lieben teutſchen<lb/> Vaterlandes zu erleben. Dieſe meine Hoffnung wird durch die Ent-<lb/> wickelung des teutſchen Volksgeiſtes für Freiheit und Recht, des Ent-<lb/> gegenſtrebens der Despotie ohngeachtet, in dem gegenwärtigen höchſt<lb/> wichtigen Zeitpunkt geſteigert, und es läßt ſich hoffen, daß die Be-<lb/> mühungen ſo vieler biedern, gelehrten, deutſchen Männer, die ſich un-<lb/> bedingt der Wahrheit, dem Recht, dem Vaterland opfern, in allen<lb/> Gauen Teutſchlands vorzüglich aber in dem wackern <choice><sic>Rbeinbaiern</sic><corr>Rheinbaiern</corr></choice> häufig<lb/> und conzentrirt ſich vorfinden, und dieſen Sieg früher, als das zwei-<lb/> felhafte und bedenkliche Alter vermuthete, erringen möchten.</p><lb/> <p>Doch dieſe Hoffnung trübt die immer mehr herannahende Gewiß-<lb/> heit, daß der bisher von der vereinten europäiſch-aſiatiſchen Despotie<lb/> durch Ränke, Lug und Trug geführte Kampf gegen Menſchen- und<lb/> Volksrechte, und vorzüglich gegen die in dem freieren Weſten von Eu-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [20/0028]
VI. Gefühle und Wünſche eines Greiſes am Bodenſee,
hervorgerufen durch die hohe Idee des am 27. Mai
abzuhaltenden Volksfeſtes zu Hambach in Rhein-
baiern.
Durch ein halbes Jahrhundert habe ich die hochwichtigen Weltereig-
niſſe mit Intereſſe beobachtet. Ich ſah das große Weltereigniß der
franzöſiſchen Revolution vom Jahre 1789 erſtehen, beobachtete deſſen
Folgen und lebte in der tröſtlichen Hoffnung, Europa werde dadurch
emanzipirt und die ſchönen, freien, volksbeglückenden Grundſätze, die
ſich in dieſer welterſchütternden Revolution entwickelten, werden geläu-
tert die von ganz Europa werden. Das Mißglücken iſt leider allzube-
kannt. Im Anfang glaubte ich die erſte und größte Urſache dieſes Miß-
lingens in der Unwiſſenheit und dem Sclavenſinn der übrigen europäiſchen
Völker geſehen zu haben und fand im Verfolg dieſe meine Meinung
immer mehr beſtätiget. Ich ſah die Wunder, die die Tapferkeit des
franzöſiſchen Volkes bewirkte, mußte aber leider auch ſehen, daß dieſe
Tapferkeit durch Unkenntniß des Volkes mit ſeiner eigenen kritiſchen
Lage und Mangel an Gleichheit und Zuſammenhang ſeiner Geſinnungen,
dem Treiben der Despoten aller Art unterlag, und daß die vereinigte
Despotie ſich wieder zum Herrn der Welt und zum Unterdrücker der
Völker mehr als früher aufwarf, ſo daß ich jede Hoffnung aufgab, noch
vor meinem Tode, je unſer liebes Teutſchland frei und glücklicher als
bisher zu ſehen, bis endlich die Julirevolution von 1830 dieſe nieder-
ſchlagenden Gedanken einigermaßen verſcheuchte, und die Hoffnung in mir
nährte, noch in meinem Alter Schritte zur Befreiung meines lieben teutſchen
Vaterlandes zu erleben. Dieſe meine Hoffnung wird durch die Ent-
wickelung des teutſchen Volksgeiſtes für Freiheit und Recht, des Ent-
gegenſtrebens der Despotie ohngeachtet, in dem gegenwärtigen höchſt
wichtigen Zeitpunkt geſteigert, und es läßt ſich hoffen, daß die Be-
mühungen ſo vieler biedern, gelehrten, deutſchen Männer, die ſich un-
bedingt der Wahrheit, dem Recht, dem Vaterland opfern, in allen
Gauen Teutſchlands vorzüglich aber in dem wackern Rheinbaiern häufig
und conzentrirt ſich vorfinden, und dieſen Sieg früher, als das zwei-
felhafte und bedenkliche Alter vermuthete, erringen möchten.
Doch dieſe Hoffnung trübt die immer mehr herannahende Gewiß-
heit, daß der bisher von der vereinten europäiſch-aſiatiſchen Despotie
durch Ränke, Lug und Trug geführte Kampf gegen Menſchen- und
Volksrechte, und vorzüglich gegen die in dem freieren Weſten von Eu-
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