Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

Goldwage legt -- so lange jener falsche Liberalismus uns blendet, der
sich nur kund giebt durch schöne Phrasen und rhetorische Figuren und in
Wirklichkeit nur strebt nach nichtigem Glanze und nach Beförderung
persönlicher Interessen -- so lange todtes Wissen und spitzfindige, gelehrte
Grübelei höher steht, als ein frischer, gesunder Sinn, als ein klarer,
tüchtiger Verstand, und eine heilige Begeisterung für Recht und Wahr-
heit -- so lange endlich die Sprache des Gefühls und des Mitleids
mehr über uns vermag, als feste Grundsätze und ein unbeugsamer Wille.
So lange unser Volk an diesen Fehlern wie an einer Cholera des Gei-
stes und des Herzens leidet, wird Deutschlands Einheit, Deutschlands
Freiheit, Deutschlands Wiedergeburt nicht erblühen.

Auf darum, ihr deutschen Männer und Brüder, vereinigt euch Alle,
die ihr wahre Freunde des Vaterlandes seyd, vereinigt euch! nicht im
Geheimen und Verborgenen, sondern wie heute im Angesicht des Vater-
landes, und wirkt, daß die Schlechten Widerstand und die Schwachen
eine Stütze haben -- wirket, daß die Unentschiedenen zum Entschlusse
kommen -- die Zaghaften Muth gewinnen und die öffentliche Meinung
in Wahrheit sich ausspreche. Nur auf diese Weise kann dem theueren
Vaterlande Hilfe und Rettung kommen, nur auf diesem Wege werden
in ihm Ruhm und Glück, Ehre und Wohlstand auferstehen. Gelingt es
uns zu handeln, wie es Pflicht, Zeit und Lage gebieten -- gelingt es
uns, die vereinzelten Kräfte zu vereinigen und die vereinigten klug zu ge-
brachen -- welche Macht dürfte es dann wagen, unserem festen und
ernsten Willen entgegen zu treten?

Darum allen deutschen Männern, welche für die Wiedergeburt des
Vaterlandes, entschlossen sind jedes Opfer zu bringen, ein dreimaliges
Lebehoch!

Es lebe Deutschlands Einheit!

Deutschlands Freiheit -- und durch sie, Deutschlands Wiedergeburt!

Hierauf folgten ohne Unterbrechung die Reden des Redakteurs des
Westboten und der Zeitschrift "Deutschland" Siebenpfeiffer und
des Redakteurs der deutschen Tribüne J. G. A. Wirth:

Nede von Siebenpfeiffer.

"Der Gedanke des heutigen Festes und der Aufruf (vom 20. April)
zur Feier desselben haben so mancherlei und seltsame Auslegungen erfah-
ren, daß es Pflicht scheint für denjenigen, von welchem die Idee und
der Aufruf ausgegangen, sich über die Bedeutung zu erklären, die er
damit verknüpft, wobei indeß Jedermann frei bleibt, sie nach seiner

Goldwage legt — ſo lange jener falſche Liberalismus uns blendet, der
ſich nur kund giebt durch ſchöne Phraſen und rhetoriſche Figuren und in
Wirklichkeit nur ſtrebt nach nichtigem Glanze und nach Beförderung
perſönlicher Intereſſen — ſo lange todtes Wiſſen und ſpitzfindige, gelehrte
Grübelei höher ſteht, als ein friſcher, geſunder Sinn, als ein klarer,
tüchtiger Verſtand, und eine heilige Begeiſterung für Recht und Wahr-
heit — ſo lange endlich die Sprache des Gefühls und des Mitleids
mehr über uns vermag, als feſte Grundſätze und ein unbeugſamer Wille.
So lange unſer Volk an dieſen Fehlern wie an einer Cholera des Gei-
ſtes und des Herzens leidet, wird Deutſchlands Einheit, Deutſchlands
Freiheit, Deutſchlands Wiedergeburt nicht erblühen.

Auf darum, ihr deutſchen Männer und Brüder, vereinigt euch Alle,
die ihr wahre Freunde des Vaterlandes ſeyd, vereinigt euch! nicht im
Geheimen und Verborgenen, ſondern wie heute im Angeſicht des Vater-
landes, und wirkt, daß die Schlechten Widerſtand und die Schwachen
eine Stütze haben — wirket, daß die Unentſchiedenen zum Entſchluſſe
kommen — die Zaghaften Muth gewinnen und die öffentliche Meinung
in Wahrheit ſich ausſpreche. Nur auf dieſe Weiſe kann dem theueren
Vaterlande Hilfe und Rettung kommen, nur auf dieſem Wege werden
in ihm Ruhm und Glück, Ehre und Wohlſtand auferſtehen. Gelingt es
uns zu handeln, wie es Pflicht, Zeit und Lage gebieten — gelingt es
uns, die vereinzelten Kräfte zu vereinigen und die vereinigten klug zu ge-
brachen — welche Macht dürfte es dann wagen, unſerem feſten und
ernſten Willen entgegen zu treten?

Darum allen deutſchen Männern, welche für die Wiedergeburt des
Vaterlandes, entſchloſſen ſind jedes Opfer zu bringen, ein dreimaliges
Lebehoch!

Es lebe Deutſchlands Einheit!

Deutſchlands Freiheit — und durch ſie, Deutſchlands Wiedergeburt!

Hierauf folgten ohne Unterbrechung die Reden des Redakteurs des
Weſtboten und der Zeitſchrift „Deutſchland“ Siebenpfeiffer und
des Redakteurs der deutſchen Tribüne J. G. A. Wirth:

Nede von Siebenpfeiffer.

„Der Gedanke des heutigen Feſtes und der Aufruf (vom 20. April)
zur Feier deſſelben haben ſo mancherlei und ſeltſame Auslegungen erfah-
ren, daß es Pflicht ſcheint für denjenigen, von welchem die Idee und
der Aufruf ausgegangen, ſich über die Bedeutung zu erklären, die er
damit verknüpft, wobei indeß Jedermann frei bleibt, ſie nach ſeiner

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0039" n="31"/>
Goldwage legt &#x2014; &#x017F;o lange jener fal&#x017F;che Liberalismus uns blendet, der<lb/>
&#x017F;ich nur kund giebt durch &#x017F;chöne Phra&#x017F;en und rhetori&#x017F;che Figuren und in<lb/>
Wirklichkeit nur &#x017F;trebt nach nichtigem Glanze und nach Beförderung<lb/>
per&#x017F;önlicher Intere&#x017F;&#x017F;en &#x2014; &#x017F;o lange todtes Wi&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;pitzfindige, gelehrte<lb/>
Grübelei höher &#x017F;teht, als ein fri&#x017F;cher, ge&#x017F;under Sinn, als ein klarer,<lb/>
tüchtiger Ver&#x017F;tand, und eine heilige Begei&#x017F;terung für Recht und Wahr-<lb/>
heit &#x2014; &#x017F;o lange endlich die Sprache des Gefühls und des Mitleids<lb/>
mehr über uns vermag, als fe&#x017F;te Grund&#x017F;ätze und ein unbeug&#x017F;amer Wille.<lb/>
So lange un&#x017F;er Volk an die&#x017F;en Fehlern wie an einer Cholera des Gei-<lb/>
&#x017F;tes und des Herzens leidet, wird Deut&#x017F;chlands Einheit, Deut&#x017F;chlands<lb/>
Freiheit, Deut&#x017F;chlands Wiedergeburt nicht erblühen.</p><lb/>
        <p>Auf darum, ihr deut&#x017F;chen Männer und Brüder, vereinigt euch Alle,<lb/>
die ihr wahre Freunde des Vaterlandes &#x017F;eyd, vereinigt euch! nicht im<lb/>
Geheimen und Verborgenen, &#x017F;ondern wie heute im Ange&#x017F;icht des Vater-<lb/>
landes, und wirkt, daß die Schlechten Wider&#x017F;tand und die Schwachen<lb/>
eine Stütze haben &#x2014; wirket, daß die Unent&#x017F;chiedenen zum Ent&#x017F;chlu&#x017F;&#x017F;e<lb/>
kommen &#x2014; die Zaghaften Muth gewinnen und die öffentliche Meinung<lb/>
in Wahrheit &#x017F;ich aus&#x017F;preche. Nur auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e kann dem theueren<lb/>
Vaterlande Hilfe und Rettung kommen, nur auf die&#x017F;em Wege werden<lb/>
in ihm Ruhm und Glück, Ehre und Wohl&#x017F;tand aufer&#x017F;tehen. Gelingt es<lb/>
uns zu handeln, wie es Pflicht, Zeit und Lage gebieten &#x2014; gelingt es<lb/>
uns, die vereinzelten Kräfte zu vereinigen und die vereinigten klug zu ge-<lb/>
brachen &#x2014; welche Macht dürfte es dann wagen, un&#x017F;erem fe&#x017F;ten und<lb/>
ern&#x017F;ten Willen entgegen zu treten?</p><lb/>
        <p>Darum allen deut&#x017F;chen Männern, welche für die Wiedergeburt des<lb/>
Vaterlandes, ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ind jedes Opfer zu bringen, ein dreimaliges<lb/>
Lebehoch!</p><lb/>
        <p>Es lebe Deut&#x017F;chlands Einheit!</p><lb/>
        <p>Deut&#x017F;chlands Freiheit &#x2014; und durch &#x017F;ie, Deut&#x017F;chlands Wiedergeburt!</p><lb/>
        <p>Hierauf folgten ohne Unterbrechung die Reden des Redakteurs des<lb/>
We&#x017F;tboten und der Zeit&#x017F;chrift &#x201E;Deut&#x017F;chland&#x201C; <hi rendition="#g">Siebenpfeiffer</hi> und<lb/>
des Redakteurs der deut&#x017F;chen Tribüne J. G. A. <hi rendition="#g">Wirth</hi>:</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Nede von Siebenpfeiffer</hi>.</hi> </p><lb/>
        <p>&#x201E;Der Gedanke des heutigen Fe&#x017F;tes und der Aufruf (vom 20. April)<lb/>
zur Feier de&#x017F;&#x017F;elben haben &#x017F;o mancherlei und &#x017F;elt&#x017F;ame Auslegungen erfah-<lb/>
ren, daß es Pflicht &#x017F;cheint für denjenigen, von welchem die Idee und<lb/>
der Aufruf ausgegangen, &#x017F;ich über die Bedeutung zu erklären, die er<lb/>
damit verknüpft, wobei indeß Jedermann frei bleibt, &#x017F;ie nach &#x017F;einer<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[31/0039] Goldwage legt — ſo lange jener falſche Liberalismus uns blendet, der ſich nur kund giebt durch ſchöne Phraſen und rhetoriſche Figuren und in Wirklichkeit nur ſtrebt nach nichtigem Glanze und nach Beförderung perſönlicher Intereſſen — ſo lange todtes Wiſſen und ſpitzfindige, gelehrte Grübelei höher ſteht, als ein friſcher, geſunder Sinn, als ein klarer, tüchtiger Verſtand, und eine heilige Begeiſterung für Recht und Wahr- heit — ſo lange endlich die Sprache des Gefühls und des Mitleids mehr über uns vermag, als feſte Grundſätze und ein unbeugſamer Wille. So lange unſer Volk an dieſen Fehlern wie an einer Cholera des Gei- ſtes und des Herzens leidet, wird Deutſchlands Einheit, Deutſchlands Freiheit, Deutſchlands Wiedergeburt nicht erblühen. Auf darum, ihr deutſchen Männer und Brüder, vereinigt euch Alle, die ihr wahre Freunde des Vaterlandes ſeyd, vereinigt euch! nicht im Geheimen und Verborgenen, ſondern wie heute im Angeſicht des Vater- landes, und wirkt, daß die Schlechten Widerſtand und die Schwachen eine Stütze haben — wirket, daß die Unentſchiedenen zum Entſchluſſe kommen — die Zaghaften Muth gewinnen und die öffentliche Meinung in Wahrheit ſich ausſpreche. Nur auf dieſe Weiſe kann dem theueren Vaterlande Hilfe und Rettung kommen, nur auf dieſem Wege werden in ihm Ruhm und Glück, Ehre und Wohlſtand auferſtehen. Gelingt es uns zu handeln, wie es Pflicht, Zeit und Lage gebieten — gelingt es uns, die vereinzelten Kräfte zu vereinigen und die vereinigten klug zu ge- brachen — welche Macht dürfte es dann wagen, unſerem feſten und ernſten Willen entgegen zu treten? Darum allen deutſchen Männern, welche für die Wiedergeburt des Vaterlandes, entſchloſſen ſind jedes Opfer zu bringen, ein dreimaliges Lebehoch! Es lebe Deutſchlands Einheit! Deutſchlands Freiheit — und durch ſie, Deutſchlands Wiedergeburt! Hierauf folgten ohne Unterbrechung die Reden des Redakteurs des Weſtboten und der Zeitſchrift „Deutſchland“ Siebenpfeiffer und des Redakteurs der deutſchen Tribüne J. G. A. Wirth: Nede von Siebenpfeiffer. „Der Gedanke des heutigen Feſtes und der Aufruf (vom 20. April) zur Feier deſſelben haben ſo mancherlei und ſeltſame Auslegungen erfah- ren, daß es Pflicht ſcheint für denjenigen, von welchem die Idee und der Aufruf ausgegangen, ſich über die Bedeutung zu erklären, die er damit verknüpft, wobei indeß Jedermann frei bleibt, ſie nach ſeiner

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest01_1832/39
Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest01_1832/39>, abgerufen am 03.12.2024.