Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832.Vaterland -- Freiheit -- ja! ein freies deutsches Va- Der Deutschen Mai -- Wonnemonat nannten unsere Väter Für unser Deutschland war ein solcher Mai aufgegangen, mit brau- So weit von diesem erhabenen Punkte der Blick reicht, dehnt sich aus 3
Vaterland — Freiheit — ja! ein freies deutſches Va- Der Deutſchen Mai — Wonnemonat nannten unſere Vaͤter Fuͤr unſer Deutſchland war ein ſolcher Mai aufgegangen, mit brau- So weit von dieſem erhabenen Punkte der Blick reicht, dehnt ſich aus 3
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0041" n="33"/> <p><hi rendition="#g">Vaterland — Freiheit</hi> — ja! <hi rendition="#g">ein freies deutſches Va-<lb/> terland</hi> — dies der Sinn des heutigen Feſtes, dies die Worte, deren<lb/> Donnerſchall durch alle deutſchen Gemarken drang, den Verraͤthern der<lb/> deutſchen Nationalſache die Knochen erſchuͤtternd, die Patrioten aber an-<lb/> feuernd und ſtaͤhlend zur Ausdauer im heiligen Kampfe, „im Kampf zur<lb/> Abſchuͤttelung innerer und aͤußerer Gewalt.“</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Deutſchen Mai</hi> — Wonnemonat nannten unſere Vaͤter<lb/> den Mai, wonniglich ſchmeichelt er den Sinnen, mit Wonne kirrt er das<lb/> Herz, mit Wonnebildern umgaukelt er die Phantaſie. Mit Bluͤten ſahn<lb/> wir Baum und Strauch geſchmuͤckt, ein Duͤftemeer wird bald umfluthen<lb/> die zahlloſe Weingelaͤnde: reiche Fruchtbarkeit wird der Erndtemonat<lb/> bringen, wenn kein Spaͤtfroſt toͤdtet, kein Hagel zerſchlaͤgt, kein Sturm<lb/> zerknickt. Auch der <hi rendition="#g">Voͤlker Leben</hi> hat ſeine Maitage, die wiederzukehren<lb/> pflegen in jedem politiſchen Umſchwung, der mit friſcher Jugendlichkeit alle<lb/> Nerven und Adern uns durchzuckt: wohl den Voͤlkern, wenn die belebende<lb/> Sonne der Vaterlandsliebe die edleren Bluͤten befruchtet, wenn nicht der<lb/> Winterfroſt der Selbſtſucht ſie toͤdtet, nicht der Sturm despotiſcher Gewalt<lb/> ſie vernichtet! Auch die Voͤlker haben ihre Maitage, wo die bluͤtenum-<lb/> kraͤnzte Hoffnung erwacht, wo die patriotiſche Phantaſie mit roſenfarbenen<lb/> Geſichten ſpielt. Auch die Voͤlker haben ihren Erndtemonat, und der<lb/> Baum ihres Lebens umhaͤngt ſich mit koͤſtlichen Fruͤchten, dem Segen des<lb/> Wohlſtandes und dem Ruhme der Geſchichte, wenn er wurzelt in der<lb/> Liebe zum Vaterland, wenn er von treuen Buͤrgerhaͤnden gepflegt und<lb/> gehegt wird.</p><lb/> <p>Fuͤr unſer Deutſchland war ein ſolcher Mai aufgegangen, mit brau-<lb/> ſender Jugendkraft ſtuͤrzte das deutſche Volk in den Kampf, zu erringen<lb/> die Freiheit, zu erringen ein Vaterland; aber die edelſte Bluͤte des Siegs<lb/> ward zernagt vom Wurm fuͤrſtlich-ariſtokratiſcher Selbſtſucht, die heilige<lb/> Saat, von edlem Buͤrgerblute geduͤngt, ward zertreten vom eiſernen<lb/> Fuß der Despoten. Nun iſt er wiedergekehrt der herrliche Voͤlker-Mai,<lb/> er ſteht vor Aller Augen, das Haupt umkraͤnzt mit den Kraͤnzen der<lb/> Hoffnung: friſch will der Voͤlkerbaum gruͤnen und bluͤhen, und mit reicher<lb/> Frucht ſich beladen. Aber noch ſtehen wir ſinnend und zaudernd; noch<lb/> iſt ihm nicht Aller Liebe geweiht, Aller pflegende Sorgfalt; noch ſchmach-<lb/> ten die Wurzeln auf duͤrrem Geſtein, duͤrftig benetzt von den Thraͤnen<lb/> der Maͤrtyrer, die in Verbannung leben, in Kerkern ſeufzen, oder dem<lb/> Vaterlande den letzen Gruß zuwinkten von dem Schaffot. —</p><lb/> <p>So weit von dieſem erhabenen Punkte der Blick reicht, dehnt ſich aus<lb/> das herrliche Rheinthal, jener beneidete Garten, auf den die Natur alle<lb/> <fw place="bottom" type="sig">3</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [33/0041]
Vaterland — Freiheit — ja! ein freies deutſches Va-
terland — dies der Sinn des heutigen Feſtes, dies die Worte, deren
Donnerſchall durch alle deutſchen Gemarken drang, den Verraͤthern der
deutſchen Nationalſache die Knochen erſchuͤtternd, die Patrioten aber an-
feuernd und ſtaͤhlend zur Ausdauer im heiligen Kampfe, „im Kampf zur
Abſchuͤttelung innerer und aͤußerer Gewalt.“
Der Deutſchen Mai — Wonnemonat nannten unſere Vaͤter
den Mai, wonniglich ſchmeichelt er den Sinnen, mit Wonne kirrt er das
Herz, mit Wonnebildern umgaukelt er die Phantaſie. Mit Bluͤten ſahn
wir Baum und Strauch geſchmuͤckt, ein Duͤftemeer wird bald umfluthen
die zahlloſe Weingelaͤnde: reiche Fruchtbarkeit wird der Erndtemonat
bringen, wenn kein Spaͤtfroſt toͤdtet, kein Hagel zerſchlaͤgt, kein Sturm
zerknickt. Auch der Voͤlker Leben hat ſeine Maitage, die wiederzukehren
pflegen in jedem politiſchen Umſchwung, der mit friſcher Jugendlichkeit alle
Nerven und Adern uns durchzuckt: wohl den Voͤlkern, wenn die belebende
Sonne der Vaterlandsliebe die edleren Bluͤten befruchtet, wenn nicht der
Winterfroſt der Selbſtſucht ſie toͤdtet, nicht der Sturm despotiſcher Gewalt
ſie vernichtet! Auch die Voͤlker haben ihre Maitage, wo die bluͤtenum-
kraͤnzte Hoffnung erwacht, wo die patriotiſche Phantaſie mit roſenfarbenen
Geſichten ſpielt. Auch die Voͤlker haben ihren Erndtemonat, und der
Baum ihres Lebens umhaͤngt ſich mit koͤſtlichen Fruͤchten, dem Segen des
Wohlſtandes und dem Ruhme der Geſchichte, wenn er wurzelt in der
Liebe zum Vaterland, wenn er von treuen Buͤrgerhaͤnden gepflegt und
gehegt wird.
Fuͤr unſer Deutſchland war ein ſolcher Mai aufgegangen, mit brau-
ſender Jugendkraft ſtuͤrzte das deutſche Volk in den Kampf, zu erringen
die Freiheit, zu erringen ein Vaterland; aber die edelſte Bluͤte des Siegs
ward zernagt vom Wurm fuͤrſtlich-ariſtokratiſcher Selbſtſucht, die heilige
Saat, von edlem Buͤrgerblute geduͤngt, ward zertreten vom eiſernen
Fuß der Despoten. Nun iſt er wiedergekehrt der herrliche Voͤlker-Mai,
er ſteht vor Aller Augen, das Haupt umkraͤnzt mit den Kraͤnzen der
Hoffnung: friſch will der Voͤlkerbaum gruͤnen und bluͤhen, und mit reicher
Frucht ſich beladen. Aber noch ſtehen wir ſinnend und zaudernd; noch
iſt ihm nicht Aller Liebe geweiht, Aller pflegende Sorgfalt; noch ſchmach-
ten die Wurzeln auf duͤrrem Geſtein, duͤrftig benetzt von den Thraͤnen
der Maͤrtyrer, die in Verbannung leben, in Kerkern ſeufzen, oder dem
Vaterlande den letzen Gruß zuwinkten von dem Schaffot. —
So weit von dieſem erhabenen Punkte der Blick reicht, dehnt ſich aus
das herrliche Rheinthal, jener beneidete Garten, auf den die Natur alle
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