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Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832.

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darin, daß die Herzoge von Oesterreich und die Kurfürsten von Bran-
denburg den größten Theil von Deutschland an sich gerissen haben, und
unter dem Titel der Kaiser von Oesterreich und der Könige von Preu-
ßen nicht nur ihre eigenen, durch methodische Plünderung Deutschlands
erworbenen Länder, nach orientalischen Formen beherrschen und deren
Kräfte zur Unterdrückung der Freiheit und Volkshoheit der europäischen
Nationen verwenden, sondern auch ihr Uebergewicht über die kleineren
Länder Deutschlands benützen, um auch die Kräfte dieser dem Systeme
fürstlicher Alleinherrschaft und despotischer Gewalt dienstbar zu machen.
Bei jeder Bewegung eines Volkes, welche die Erringung der Freiheit
und einer vernünftigen Staatsverfassung zum Ziele hat, sind die Kö-
nige von Preußen und Oesterreich durch Gleichheit der Zwecke, Ge-
sinnungen und Interessen an Rußland geknüpft, und so entsteht jener
furchtbare Bund, der die Freiheit der Völker bisher immer noch zu
tödten vermochte. Die Hauptmacht dieses finstern Bundes besteht im-
mer aus deutschen Kräften, da Rußland ohne die Allianz mit Preußen
und Oesterreich ohnmächtig wäre und durch innere Stürme in Zerrüt-
tung fallen würde. So riesenhaft daher die Macht des absoluten Bun-
des auch seyn mag, so ist ihr Ende doch in dem Augenblicke gekommen,
wo in Deutschland die Vernunft auch in politischer Beziehung den Sieg
erlangt, d. h. in dem Augenblicke, wo die öffentlichen Angelegenheiten
nicht mehr nach dem despotischen Willen eines Einzigen, nicht mehr
nach den Interessen einer über ganz Europa verzweigten Aristokraten-
Familie, sondern nach dem Willen der Gesellschaft selbst und nach den
Bedürfnissen des Volkes geleitet werden. In dem Augenblicke, wo die
deutsche Volkshoheit in ihr gutes Recht eingesetzt seyn wird, in dem
Augenblicke ist der innigste Völkerbund geschlossen, denn das Volk
liebt, wo die Könige hassen, das Volk vertheidigt, wo die
Könige verfolgen, das Volk gönnt das, was es selbst mit
seinem Herzblut zu erringen trachtet, und, was ihm das Theuerste
ist, die Freiheit, Aufklärung, Nationalität und Volks-
hoheit
, auch dem Brudervolke: das deutsche Volk gönnt da-
her diese hohen, unschätzbaren Güter auch seinen Brüdern in Polen,
Ungarn, Italien und Spanien. Wenn also das deutsche Geld und das
deutsche Blut nicht mehr den Befehlen der Herzoge von Oesterreich und
der Kurfürsten von Brandenburg, sondern der Verfügung des Volkes
unterworfen sind, so wird Polen, Ungarn und Italien frei, weil Ruß-
land dann der Ohnmacht verfallen ist und sonst keine Macht mehr be-
steht, welche zu einem Kreuzzuge gegen die Freiheit der Völker verwen-

darin, daß die Herzoge von Oeſterreich und die Kurfürſten von Bran-
denburg den größten Theil von Deutſchland an ſich geriſſen haben, und
unter dem Titel der Kaiſer von Oeſterreich und der Könige von Preu-
ßen nicht nur ihre eigenen, durch methodiſche Plünderung Deutſchlands
erworbenen Länder, nach orientaliſchen Formen beherrſchen und deren
Kräfte zur Unterdrückung der Freiheit und Volkshoheit der europäiſchen
Nationen verwenden, ſondern auch ihr Uebergewicht über die kleineren
Länder Deutſchlands benützen, um auch die Kräfte dieſer dem Syſteme
fürſtlicher Alleinherrſchaft und despotiſcher Gewalt dienſtbar zu machen.
Bei jeder Bewegung eines Volkes, welche die Erringung der Freiheit
und einer vernünftigen Staatsverfaſſung zum Ziele hat, ſind die Kö-
nige von Preußen und Oeſterreich durch Gleichheit der Zwecke, Ge-
ſinnungen und Intereſſen an Rußland geknüpft, und ſo entſteht jener
furchtbare Bund, der die Freiheit der Völker bisher immer noch zu
tödten vermochte. Die Hauptmacht dieſes finſtern Bundes beſteht im-
mer aus deutſchen Kräften, da Rußland ohne die Allianz mit Preußen
und Oeſterreich ohnmächtig wäre und durch innere Stürme in Zerrüt-
tung fallen würde. So rieſenhaft daher die Macht des abſoluten Bun-
des auch ſeyn mag, ſo iſt ihr Ende doch in dem Augenblicke gekommen,
wo in Deutſchland die Vernunft auch in politiſcher Beziehung den Sieg
erlangt, d. h. in dem Augenblicke, wo die öffentlichen Angelegenheiten
nicht mehr nach dem despotiſchen Willen eines Einzigen, nicht mehr
nach den Intereſſen einer über ganz Europa verzweigten Ariſtokraten-
Familie, ſondern nach dem Willen der Geſellſchaft ſelbſt und nach den
Bedürfniſſen des Volkes geleitet werden. In dem Augenblicke, wo die
deutſche Volkshoheit in ihr gutes Recht eingeſetzt ſeyn wird, in dem
Augenblicke iſt der innigſte Völkerbund geſchloſſen, denn das Volk
liebt, wo die Könige haſſen, das Volk vertheidigt, wo die
Könige verfolgen, das Volk gönnt das, was es ſelbſt mit
ſeinem Herzblut zu erringen trachtet, und, was ihm das Theuerſte
iſt, die Freiheit, Aufklärung, Nationalität und Volks-
hoheit
, auch dem Brudervolke: das deutſche Volk gönnt da-
her dieſe hohen, unſchätzbaren Güter auch ſeinen Brüdern in Polen,
Ungarn, Italien und Spanien. Wenn alſo das deutſche Geld und das
deutſche Blut nicht mehr den Befehlen der Herzoge von Oeſterreich und
der Kurfürſten von Brandenburg, ſondern der Verfügung des Volkes
unterworfen ſind, ſo wird Polen, Ungarn und Italien frei, weil Ruß-
land dann der Ohnmacht verfallen iſt und ſonſt keine Macht mehr be-
ſteht, welche zu einem Kreuzzuge gegen die Freiheit der Völker verwen-

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[42/0050] darin, daß die Herzoge von Oeſterreich und die Kurfürſten von Bran- denburg den größten Theil von Deutſchland an ſich geriſſen haben, und unter dem Titel der Kaiſer von Oeſterreich und der Könige von Preu- ßen nicht nur ihre eigenen, durch methodiſche Plünderung Deutſchlands erworbenen Länder, nach orientaliſchen Formen beherrſchen und deren Kräfte zur Unterdrückung der Freiheit und Volkshoheit der europäiſchen Nationen verwenden, ſondern auch ihr Uebergewicht über die kleineren Länder Deutſchlands benützen, um auch die Kräfte dieſer dem Syſteme fürſtlicher Alleinherrſchaft und despotiſcher Gewalt dienſtbar zu machen. Bei jeder Bewegung eines Volkes, welche die Erringung der Freiheit und einer vernünftigen Staatsverfaſſung zum Ziele hat, ſind die Kö- nige von Preußen und Oeſterreich durch Gleichheit der Zwecke, Ge- ſinnungen und Intereſſen an Rußland geknüpft, und ſo entſteht jener furchtbare Bund, der die Freiheit der Völker bisher immer noch zu tödten vermochte. Die Hauptmacht dieſes finſtern Bundes beſteht im- mer aus deutſchen Kräften, da Rußland ohne die Allianz mit Preußen und Oeſterreich ohnmächtig wäre und durch innere Stürme in Zerrüt- tung fallen würde. So rieſenhaft daher die Macht des abſoluten Bun- des auch ſeyn mag, ſo iſt ihr Ende doch in dem Augenblicke gekommen, wo in Deutſchland die Vernunft auch in politiſcher Beziehung den Sieg erlangt, d. h. in dem Augenblicke, wo die öffentlichen Angelegenheiten nicht mehr nach dem despotiſchen Willen eines Einzigen, nicht mehr nach den Intereſſen einer über ganz Europa verzweigten Ariſtokraten- Familie, ſondern nach dem Willen der Geſellſchaft ſelbſt und nach den Bedürfniſſen des Volkes geleitet werden. In dem Augenblicke, wo die deutſche Volkshoheit in ihr gutes Recht eingeſetzt ſeyn wird, in dem Augenblicke iſt der innigſte Völkerbund geſchloſſen, denn das Volk liebt, wo die Könige haſſen, das Volk vertheidigt, wo die Könige verfolgen, das Volk gönnt das, was es ſelbſt mit ſeinem Herzblut zu erringen trachtet, und, was ihm das Theuerſte iſt, die Freiheit, Aufklärung, Nationalität und Volks- hoheit, auch dem Brudervolke: das deutſche Volk gönnt da- her dieſe hohen, unſchätzbaren Güter auch ſeinen Brüdern in Polen, Ungarn, Italien und Spanien. Wenn alſo das deutſche Geld und das deutſche Blut nicht mehr den Befehlen der Herzoge von Oeſterreich und der Kurfürſten von Brandenburg, ſondern der Verfügung des Volkes unterworfen ſind, ſo wird Polen, Ungarn und Italien frei, weil Ruß- land dann der Ohnmacht verfallen iſt und ſonſt keine Macht mehr be- ſteht, welche zu einem Kreuzzuge gegen die Freiheit der Völker verwen-

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Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 1. Neustadt, 1832, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest01_1832/50>, abgerufen am 03.05.2024.