Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite

besondere unser wackrer Fitz, Bürger zu Dürkheim, in einer Rede,
die allgemein Anklang fand. Wir wollen daher das zweite Heft der
Festbeschreibung mit der Rede dieses Patrioten eröffnen:


So viel uns Deutschen, im Allgemeinen, bei unserem jetzigen Zustand
noch zu wünschen und zu erringen übrig ist, so müssen doch alle unsre
Klagen und Wünsche in den Hintergrund treten, wenn wir an das Schick-
sal der edlen polnischen Nation denken.

Ich glaube daher, daß es ganz an seinem Orte ist, bei dem heu-
tigen deutschen Maifeste, bei welchem wir mehrere der edelsten Glieder
dieser Nation in unsrer Mitte erblicken, -- die Frage vorzulegen und zu
erörtern: Ob es denn, wie bisher bei uns Deutschen, immer nur allein
bei der innigen Theilnahme an ihrem Schicksale verbleiben soll, oder
ob wir mehr für sie thun können und sollen! --

Es schwellt mir die Brust, wenn ich daran denke, daß der erste feste
Entschluß, die schönste und edelste Handlung zu vollbringen, -- welche die
Muse der Geschichte in Erz graben, und die Chöre der guten Geister in
dem Himmel jubelnd verkünden würden, -- wenn, sage ich, der erste
feste Entschluß, eine so edle That zu vollbringen, als die ist: Polens
Befreiung vom Joche des Tyrannen, von der heute versammelten Menge,
an diesem festlichen Tage, aus Hambachs Schloß-Ruinen ausgehen
würde! --

Denn so lange diese edle Nation unter einem so furchtbaren Joche
der Tyraney leidet, so lange ihre edelsten Glieder als Verbannte in
Frankreich leben, und ein größerer Theil in den Wüsten Sibiriens schmach-
ten muß, so lange kann kein andrer Gedanke in meiner Seele auf-
kommen, als der, -- das Schicksal der unglücklichen, dreimal bedauerungs-
werthen polnischen Nation gemildert zu sehen. Und ich bin gewiß, dieses
Gefühl theilen alle die hier sind, und Millionen von wackern Männern
unsrer und andrer Nationen mit uns. -- Und trotz diesem Gefühle der
Millionen, sollte es blos bei dem weibischen Gewinsel des Mittleids
bleiben?! Trotz diesen Millionen, die sich für Polen und dadurch für
die Sache der ganzen Menschheit erheben könnten, -- sehen wir ruhig
zu, wie das Ungeheuer in Menschengestalt, auf dem russischen Throne,
durch seine Schergen, die edelste Nation von Gottes Erde vertilgen
läßt! -- sehen zu, wie er tausende von Familien nach Sibirien schickt,
ihnen Vermögen, Namen und Ehre raubt, und sonstige Grausamkeiten
an ihnen verübt, welche auszusprechen, sich das menschliche Gefühl empört.
So daß der größte Theil der Nation in eine solche Lage versetzt wurde,

beſondere unſer wackrer Fitz, Bürger zu Dürkheim, in einer Rede,
die allgemein Anklang fand. Wir wollen daher das zweite Heft der
Feſtbeſchreibung mit der Rede dieſes Patrioten eröffnen:


So viel uns Deutſchen, im Allgemeinen, bei unſerem jetzigen Zuſtand
noch zu wuͤnſchen und zu erringen uͤbrig iſt, ſo muͤſſen doch alle unſre
Klagen und Wuͤnſche in den Hintergrund treten, wenn wir an das Schick-
ſal der edlen polniſchen Nation denken.

Ich glaube daher, daß es ganz an ſeinem Orte iſt, bei dem heu-
tigen deutſchen Maifeſte, bei welchem wir mehrere der edelſten Glieder
dieſer Nation in unſrer Mitte erblicken, — die Frage vorzulegen und zu
eroͤrtern: Ob es denn, wie bisher bei uns Deutſchen, immer nur allein
bei der innigen Theilnahme an ihrem Schickſale verbleiben ſoll, oder
ob wir mehr fuͤr ſie thun koͤnnen und ſollen! —

Es ſchwellt mir die Bruſt, wenn ich daran denke, daß der erſte feſte
Entſchluß, die ſchoͤnſte und edelſte Handlung zu vollbringen, — welche die
Muſe der Geſchichte in Erz graben, und die Choͤre der guten Geiſter in
dem Himmel jubelnd verkuͤnden wuͤrden, — wenn, ſage ich, der erſte
feſte Entſchluß, eine ſo edle That zu vollbringen, als die iſt: Polens
Befreiung vom Joche des Tyrannen, von der heute verſammelten Menge,
an dieſem feſtlichen Tage, aus Hambachs Schloß-Ruinen ausgehen
wuͤrde! —

Denn ſo lange dieſe edle Nation unter einem ſo furchtbaren Joche
der Tyraney leidet, ſo lange ihre edelſten Glieder als Verbannte in
Frankreich leben, und ein größerer Theil in den Wuͤſten Sibiriens ſchmach-
ten muß, ſo lange kann kein andrer Gedanke in meiner Seele auf-
kommen, als der, — das Schickſal der ungluͤcklichen, dreimal bedauerungs-
werthen polniſchen Nation gemildert zu ſehen. Und ich bin gewiß, dieſes
Gefuͤhl theilen alle die hier ſind, und Millionen von wackern Maͤnnern
unſrer und andrer Nationen mit uns. — Und trotz dieſem Gefuͤhle der
Millionen, ſollte es blos bei dem weibiſchen Gewinſel des Mittleids
bleiben?! Trotz dieſen Millionen, die ſich fuͤr Polen und dadurch fuͤr
die Sache der ganzen Menſchheit erheben koͤnnten, — ſehen wir ruhig
zu, wie das Ungeheuer in Menſchengeſtalt, auf dem ruſſiſchen Throne,
durch ſeine Schergen, die edelſte Nation von Gottes Erde vertilgen
laͤßt! — ſehen zu, wie er tauſende von Familien nach Sibirien ſchickt,
ihnen Vermoͤgen, Namen und Ehre raubt, und ſonſtige Grauſamkeiten
an ihnen veruͤbt, welche auszuſprechen, ſich das menſchliche Gefuͤhl empoͤrt.
So daß der groͤßte Theil der Nation in eine ſolche Lage verſetzt wurde,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0008" n="66"/>
be&#x017F;ondere un&#x017F;er wackrer <hi rendition="#g">Fitz</hi>, Bürger zu Dürkheim, in einer Rede,<lb/>
die allgemein Anklang fand. Wir wollen daher das zweite Heft der<lb/>
Fe&#x017F;tbe&#x017F;chreibung mit der Rede die&#x017F;es Patrioten eröffnen:</p><lb/>
        <space dim="vertical"/>
        <p>So viel uns Deut&#x017F;chen, im Allgemeinen, bei un&#x017F;erem jetzigen Zu&#x017F;tand<lb/>
noch zu wu&#x0364;n&#x017F;chen und zu erringen u&#x0364;brig i&#x017F;t, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en doch alle un&#x017F;re<lb/>
Klagen und Wu&#x0364;n&#x017F;che in den Hintergrund treten, wenn wir an das Schick-<lb/>
&#x017F;al der edlen polni&#x017F;chen Nation denken.</p><lb/>
        <p>Ich glaube daher, daß es ganz an &#x017F;einem Orte i&#x017F;t, bei dem heu-<lb/>
tigen deut&#x017F;chen Maife&#x017F;te, bei welchem wir mehrere der edel&#x017F;ten Glieder<lb/>
die&#x017F;er Nation in un&#x017F;rer Mitte erblicken, &#x2014; die Frage vorzulegen und zu<lb/>
ero&#x0364;rtern: Ob es denn, wie bisher bei uns Deut&#x017F;chen, immer nur allein<lb/>
bei der innigen Theilnahme an ihrem Schick&#x017F;ale verbleiben &#x017F;oll, oder<lb/>
ob wir <hi rendition="#g">mehr</hi> fu&#x0364;r &#x017F;ie thun ko&#x0364;nnen und &#x017F;ollen! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Es &#x017F;chwellt mir die Bru&#x017F;t, wenn ich daran denke, daß der er&#x017F;te fe&#x017F;te<lb/>
Ent&#x017F;chluß, die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te und edel&#x017F;te Handlung zu vollbringen, &#x2014; welche die<lb/>
Mu&#x017F;e der Ge&#x017F;chichte in Erz graben, und die Cho&#x0364;re der guten Gei&#x017F;ter in<lb/>
dem Himmel jubelnd verku&#x0364;nden wu&#x0364;rden, &#x2014; wenn, &#x017F;age ich, der er&#x017F;te<lb/>
fe&#x017F;te Ent&#x017F;chluß, eine &#x017F;o edle That zu vollbringen, als die i&#x017F;t: Polens<lb/>
Befreiung vom Joche des Tyrannen, von der heute ver&#x017F;ammelten Menge,<lb/>
an die&#x017F;em fe&#x017F;tlichen Tage, aus Hambachs Schloß-Ruinen ausgehen<lb/>
wu&#x0364;rde! &#x2014;</p><lb/>
        <p>Denn &#x017F;o lange die&#x017F;e edle Nation unter einem &#x017F;o furchtbaren Joche<lb/>
der Tyraney leidet, &#x017F;o lange ihre edel&#x017F;ten Glieder als Verbannte in<lb/>
Frankreich leben, und ein größerer Theil in den Wu&#x0364;&#x017F;ten Sibiriens &#x017F;chmach-<lb/>
ten muß, <hi rendition="#g">&#x017F;o lange</hi> kann kein andrer Gedanke in meiner Seele auf-<lb/>
kommen, als der, &#x2014; das Schick&#x017F;al der unglu&#x0364;cklichen, dreimal bedauerungs-<lb/>
werthen polni&#x017F;chen Nation gemildert zu &#x017F;ehen. Und ich bin gewiß, die&#x017F;es<lb/>
Gefu&#x0364;hl theilen alle die hier &#x017F;ind, und Millionen von wackern Ma&#x0364;nnern<lb/>
un&#x017F;rer und andrer Nationen mit uns. &#x2014; Und trotz die&#x017F;em Gefu&#x0364;hle der<lb/>
Millionen, &#x017F;ollte es blos bei dem weibi&#x017F;chen Gewin&#x017F;el des Mittleids<lb/>
bleiben?! Trotz die&#x017F;en Millionen, die &#x017F;ich fu&#x0364;r Polen und dadurch fu&#x0364;r<lb/>
die Sache der ganzen Men&#x017F;chheit erheben ko&#x0364;nnten, &#x2014; &#x017F;ehen wir ruhig<lb/>
zu, wie das Ungeheuer in Men&#x017F;chenge&#x017F;talt, auf dem ru&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen Throne,<lb/>
durch &#x017F;eine Schergen, die edel&#x017F;te Nation von Gottes Erde vertilgen<lb/>
la&#x0364;ßt! &#x2014; &#x017F;ehen zu, wie er tau&#x017F;ende von Familien nach Sibirien &#x017F;chickt,<lb/>
ihnen Vermo&#x0364;gen, Namen und Ehre raubt, und &#x017F;on&#x017F;tige Grau&#x017F;amkeiten<lb/>
an ihnen veru&#x0364;bt, welche auszu&#x017F;prechen, &#x017F;ich das men&#x017F;chliche Gefu&#x0364;hl empo&#x0364;rt.<lb/>
So daß der gro&#x0364;ßte Theil der Nation in eine &#x017F;olche Lage ver&#x017F;etzt wurde,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[66/0008] beſondere unſer wackrer Fitz, Bürger zu Dürkheim, in einer Rede, die allgemein Anklang fand. Wir wollen daher das zweite Heft der Feſtbeſchreibung mit der Rede dieſes Patrioten eröffnen: So viel uns Deutſchen, im Allgemeinen, bei unſerem jetzigen Zuſtand noch zu wuͤnſchen und zu erringen uͤbrig iſt, ſo muͤſſen doch alle unſre Klagen und Wuͤnſche in den Hintergrund treten, wenn wir an das Schick- ſal der edlen polniſchen Nation denken. Ich glaube daher, daß es ganz an ſeinem Orte iſt, bei dem heu- tigen deutſchen Maifeſte, bei welchem wir mehrere der edelſten Glieder dieſer Nation in unſrer Mitte erblicken, — die Frage vorzulegen und zu eroͤrtern: Ob es denn, wie bisher bei uns Deutſchen, immer nur allein bei der innigen Theilnahme an ihrem Schickſale verbleiben ſoll, oder ob wir mehr fuͤr ſie thun koͤnnen und ſollen! — Es ſchwellt mir die Bruſt, wenn ich daran denke, daß der erſte feſte Entſchluß, die ſchoͤnſte und edelſte Handlung zu vollbringen, — welche die Muſe der Geſchichte in Erz graben, und die Choͤre der guten Geiſter in dem Himmel jubelnd verkuͤnden wuͤrden, — wenn, ſage ich, der erſte feſte Entſchluß, eine ſo edle That zu vollbringen, als die iſt: Polens Befreiung vom Joche des Tyrannen, von der heute verſammelten Menge, an dieſem feſtlichen Tage, aus Hambachs Schloß-Ruinen ausgehen wuͤrde! — Denn ſo lange dieſe edle Nation unter einem ſo furchtbaren Joche der Tyraney leidet, ſo lange ihre edelſten Glieder als Verbannte in Frankreich leben, und ein größerer Theil in den Wuͤſten Sibiriens ſchmach- ten muß, ſo lange kann kein andrer Gedanke in meiner Seele auf- kommen, als der, — das Schickſal der ungluͤcklichen, dreimal bedauerungs- werthen polniſchen Nation gemildert zu ſehen. Und ich bin gewiß, dieſes Gefuͤhl theilen alle die hier ſind, und Millionen von wackern Maͤnnern unſrer und andrer Nationen mit uns. — Und trotz dieſem Gefuͤhle der Millionen, ſollte es blos bei dem weibiſchen Gewinſel des Mittleids bleiben?! Trotz dieſen Millionen, die ſich fuͤr Polen und dadurch fuͤr die Sache der ganzen Menſchheit erheben koͤnnten, — ſehen wir ruhig zu, wie das Ungeheuer in Menſchengeſtalt, auf dem ruſſiſchen Throne, durch ſeine Schergen, die edelſte Nation von Gottes Erde vertilgen laͤßt! — ſehen zu, wie er tauſende von Familien nach Sibirien ſchickt, ihnen Vermoͤgen, Namen und Ehre raubt, und ſonſtige Grauſamkeiten an ihnen veruͤbt, welche auszuſprechen, ſich das menſchliche Gefuͤhl empoͤrt. So daß der groͤßte Theil der Nation in eine ſolche Lage verſetzt wurde,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest02_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest02_1832/8
Zitationshilfe: Wirth, Johann Georg August: Das Nationalfest der Deutschen zu Hambach. Heft 2. Neustadt, 1832, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wirth_nationalfest02_1832/8>, abgerufen am 21.11.2024.