Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710.Anfangs-Gründe harte Materie der Steine nicht wie die Erdeschwindet. Ja die Kalck-Steine werden im brennen gar zu Kalck. Wenn nun hernach die Ziegel die Feuchtigkeit in sich ziehen/ wer- den sie von dem sich aufblasenden Kalcke aus einander getrieben. Die Würtzelchen und Würme werden von der Gewalt des Feuers verzehret und lassen die Ziegel hin und wie- der hohl. Wenn nun in dem feuchten Herb- ste die Feuchtigkeiten sich häufig hinein zie- hen und in dem Winter durch den Frost ge- frieren; so werden die Ziegel dadurch ge- sprenget: wie Dieussart in seinem Theatro Archit. Civil. lib. 1. c. 6 f. 15 angemer- cket. Daher muß man im Ziegelstreichen sich für allen diesen Dingen hütten. Wenn aber die Lette gleichsam fermentiret/ so löset sie sich recht auf und/ in dem sie wohl durch einander gerühret wird/ giebet sie sich wieder fester zusammen. Daher kan man auch fe- ste Ziegel daraus streichen. Wenn der Frost die Ziegel betrieft/ so zerfallen sie und ist die gantze Arbeit vergebens: ist der Frost nicht zu heftig/ so werden sie wenigstens ge- brechlich. Daher kan man sie nicht im Win- ter streichen/ es sey denn daß sie zugedeckt und wieder den Frost verwahret werden. Jn der Hietze trocknen sie ungleich/ bekommen Rietze und werfen sich. Daher streicht man sie nicht in heissen Sommer-Tagen/ oder bedeckt sie mit angefeuchtetem Stroh/ daß sie
Anfangs-Gruͤnde harte Materie der Steine nicht wie die Erdeſchwindet. Ja die Kalck-Steine werden im brennen gar zu Kalck. Wenn nun hernach die Ziegel die Feuchtigkeit in ſich ziehen/ wer- den ſie von dem ſich aufblaſenden Kalcke aus einander getrieben. Die Wuͤrtzelchen und Wuͤrme werden von der Gewalt des Feuers verzehret und laſſen die Ziegel hin und wie- der hohl. Wenn nun in dem feuchten Herb- ſte die Feuchtigkeiten ſich haͤufig hinein zie- hen und in dem Winter durch den Froſt ge- frieren; ſo werden die Ziegel dadurch ge- ſprenget: wie Dieuſſart in ſeinem Theatro Archit. Civil. lib. 1. c. 6 f. 15 angemer- cket. Daher muß man im Ziegelſtreichen ſich fuͤr allen dieſen Dingen huͤtten. Wenn aber die Lette gleichſam fermentiret/ ſo loͤſet ſie ſich recht auf und/ in dem ſie wohl durch einander geruͤhret wird/ giebet ſie ſich wieder feſter zuſammen. Daher kan man auch fe- ſte Ziegel daraus ſtreichen. Wenn der Froſt die Ziegel betrieft/ ſo zerfallen ſie und iſt die gantze Arbeit vergebens: iſt der Froſt nicht zu heftig/ ſo werden ſie wenigſtens ge- brechlich. Daher kan man ſie nicht im Win- ter ſtreichen/ es ſey denn daß ſie zugedeckt und wieder den Froſt verwahret werden. Jn der Hietze trocknen ſie ungleich/ bekommen Rietze und werfen ſich. Daher ſtreicht man ſie nicht in heiſſen Sommer-Tagen/ oder bedeckt ſie mit angefeuchtetem Stroh/ daß ſie
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Anfangs-Gruͤnde
harte Materie der Steine nicht wie die Erde
ſchwindet. Ja die Kalck-Steine werden im
brennen gar zu Kalck. Wenn nun hernach
die Ziegel die Feuchtigkeit in ſich ziehen/ wer-
den ſie von dem ſich aufblaſenden Kalcke aus
einander getrieben. Die Wuͤrtzelchen und
Wuͤrme werden von der Gewalt des Feuers
verzehret und laſſen die Ziegel hin und wie-
der hohl. Wenn nun in dem feuchten Herb-
ſte die Feuchtigkeiten ſich haͤufig hinein zie-
hen und in dem Winter durch den Froſt ge-
frieren; ſo werden die Ziegel dadurch ge-
ſprenget: wie Dieuſſart in ſeinem Theatro
Archit. Civil. lib. 1. c. 6 f. 15 angemer-
cket. Daher muß man im Ziegelſtreichen
ſich fuͤr allen dieſen Dingen huͤtten. Wenn
aber die Lette gleichſam fermentiret/ ſo loͤſet
ſie ſich recht auf und/ in dem ſie wohl durch
einander geruͤhret wird/ giebet ſie ſich wieder
feſter zuſammen. Daher kan man auch fe-
ſte Ziegel daraus ſtreichen. Wenn der
Froſt die Ziegel betrieft/ ſo zerfallen ſie und iſt
die gantze Arbeit vergebens: iſt der Froſt
nicht zu heftig/ ſo werden ſie wenigſtens ge-
brechlich. Daher kan man ſie nicht im Win-
ter ſtreichen/ es ſey denn daß ſie zugedeckt und
wieder den Froſt verwahret werden. Jn
der Hietze trocknen ſie ungleich/ bekommen
Rietze und werfen ſich. Daher ſtreicht
man ſie nicht in heiſſen Sommer-Tagen/ oder
bedeckt ſie mit angefeuchtetem Stroh/ daß
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Zitationshilfe: | Wolff, Christian von: Der Anfangs-Gründe Aller Mathematischen Wissenschafften. Bd. 1. Halle (Saale), 1710. , S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_anfangsgruende01_1710/422>, abgerufen am 27.07.2024. |