Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite



Was Jhr heute seht, haben schon gestern die Alten
gesehen.
Wißt Jhr denn nicht, daß Thorheit der Menschen
ältester Adel?
Wollt Jhr weise seyn, huldigt ihr, oder Euch selbst
trifft der Tadel!



Zu der eigenen, mannichfachen und lobenswer-
then Art und Weise, wie die israelitische Gemeinde
für ihre Armen sorgt, gehört auch der überall ein-
geführte Gebrauch, daß sich die letzteren auf dem
Kirchhofe einfinden, wenn ein Wohlhabender beer-
digt wird, wo die Hinterbliebenen öfters bedeutende
Summen spenden. Bei der Beerdigung eines rei-
chen Banquiers, der erst kurz vor seinem Tode große
Verluste erlitten, weil er auf das Steigen eines aus-
wärtigen Staatspapieres zur Unzeit spekulirt hatte,
äußerte ein Witzling: (denn diese gibt es bei allen
Gelegenheiten, sowohl in Freuden, als in Leiden)
die Armen hätten bei weiten besser spekulirt, als
der Selige -- sie spekulirten auf herunter! --



Als bei einer andern Beerdigung eines wohlha-
benden Mannes ein unverschämter Armer weniger
bekam, als er vermuthet hatte, zeigte er die Gabe
einem andern Armen, mit der Bemerkung: ob es

F 2



Was Jhr heute ſeht, haben ſchon geſtern die Alten
geſehen.
Wißt Jhr denn nicht, daß Thorheit der Menſchen
älteſter Adel?
Wollt Jhr weiſe ſeyn, huldigt ihr, oder Euch ſelbſt
trifft der Tadel!



Zu der eigenen, mannichfachen und lobenswer-
then Art und Weiſe, wie die iſraelitiſche Gemeinde
für ihre Armen ſorgt, gehört auch der überall ein-
geführte Gebrauch, daß ſich die letzteren auf dem
Kirchhofe einfinden, wenn ein Wohlhabender beer-
digt wird, wo die Hinterbliebenen öfters bedeutende
Summen ſpenden. Bei der Beerdigung eines rei-
chen Banquiers, der erſt kurz vor ſeinem Tode große
Verluſte erlitten, weil er auf das Steigen eines aus-
wärtigen Staatspapieres zur Unzeit ſpekulirt hatte,
äußerte ein Witzling: (denn dieſe gibt es bei allen
Gelegenheiten, ſowohl in Freuden, als in Leiden)
die Armen hätten bei weiten beſſer ſpekulirt, als
der Selige — ſie ſpekulirten auf herunter! —



Als bei einer andern Beerdigung eines wohlha-
benden Mannes ein unverſchämter Armer weniger
bekam, als er vermuthet hatte, zeigte er die Gabe
einem andern Armen, mit der Bemerkung: ob es

F 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0099" n="83"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Was Jhr heute &#x017F;eht, haben &#x017F;chon ge&#x017F;tern die Alten<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;ehen.</hi><lb/>
Wißt Jhr denn nicht, daß Thorheit der Men&#x017F;chen<lb/><hi rendition="#et">älte&#x017F;ter Adel?</hi><lb/>
Wollt Jhr wei&#x017F;e &#x017F;eyn, huldigt ihr, oder Euch &#x017F;elb&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">trifft der Tadel!</hi></p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Zu der eigenen, mannichfachen und lobenswer-<lb/>
then Art und Wei&#x017F;e, wie die i&#x017F;raeliti&#x017F;che Gemeinde<lb/>
für ihre Armen &#x017F;orgt, gehört auch der überall ein-<lb/>
geführte Gebrauch, daß &#x017F;ich die letzteren auf dem<lb/>
Kirchhofe einfinden, wenn ein Wohlhabender beer-<lb/>
digt wird, wo die Hinterbliebenen öfters bedeutende<lb/>
Summen &#x017F;penden. Bei der Beerdigung eines rei-<lb/>
chen Banquiers, der er&#x017F;t kurz vor &#x017F;einem Tode große<lb/>
Verlu&#x017F;te erlitten, weil er auf das Steigen eines aus-<lb/>
wärtigen Staatspapieres zur Unzeit &#x017F;pekulirt hatte,<lb/>
äußerte ein Witzling: (denn die&#x017F;e gibt es bei allen<lb/>
Gelegenheiten, &#x017F;owohl in Freuden, als in Leiden)<lb/>
die Armen hätten bei weiten be&#x017F;&#x017F;er &#x017F;pekulirt, als<lb/>
der Selige &#x2014; &#x017F;ie &#x017F;pekulirten auf herunter! &#x2014;</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Als bei einer andern Beerdigung eines wohlha-<lb/>
benden Mannes ein unver&#x017F;chämter Armer weniger<lb/>
bekam, als er vermuthet hatte, zeigte er die Gabe<lb/>
einem andern Armen, mit der Bemerkung: ob es<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0099] Was Jhr heute ſeht, haben ſchon geſtern die Alten geſehen. Wißt Jhr denn nicht, daß Thorheit der Menſchen älteſter Adel? Wollt Jhr weiſe ſeyn, huldigt ihr, oder Euch ſelbſt trifft der Tadel! Zu der eigenen, mannichfachen und lobenswer- then Art und Weiſe, wie die iſraelitiſche Gemeinde für ihre Armen ſorgt, gehört auch der überall ein- geführte Gebrauch, daß ſich die letzteren auf dem Kirchhofe einfinden, wenn ein Wohlhabender beer- digt wird, wo die Hinterbliebenen öfters bedeutende Summen ſpenden. Bei der Beerdigung eines rei- chen Banquiers, der erſt kurz vor ſeinem Tode große Verluſte erlitten, weil er auf das Steigen eines aus- wärtigen Staatspapieres zur Unzeit ſpekulirt hatte, äußerte ein Witzling: (denn dieſe gibt es bei allen Gelegenheiten, ſowohl in Freuden, als in Leiden) die Armen hätten bei weiten beſſer ſpekulirt, als der Selige — ſie ſpekulirten auf herunter! — Als bei einer andern Beerdigung eines wohlha- benden Mannes ein unverſchämter Armer weniger bekam, als er vermuthet hatte, zeigte er die Gabe einem andern Armen, mit der Bemerkung: ob es F 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/99
Zitationshilfe: Wolff, Sabattia Joseph: Ausverkauf meiner schriftstellerischen Arbeiten. Berlin, 1824, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_ausverkauf_1824/99>, abgerufen am 21.11.2024.