lem Ernst verweisen, wenn sie etwas vor- nehmen, was ihnen unanständig ist, und zwar um soviel mehr, wenn es in ihrer Ge- genwart oder unter solchen Umständen ge- schiehet, da sie leicht vermuthen können, daß sie es erfahren würden.
§. 134.
Es ist nicht zu leugnen, daßWie zu verhüten/ daß Kin- der die Scheu für den Eltern nicht mißbrau- chen. Kinder durch die Scheu, welche sie vor El- tern haben, angetrieben werden ihr Thun und Lassen heimlich zu halten und für ihnen zu verbergen, folgends, wenn sie es erfah- ren, sich auf das Leugnen legen, auch wol gar gewöhnen mit Betheurungen und Schweeren zu erhalten, man solle ihnen glauben. Dadurch aber geschiehet, daß sie im Bösen Gewohnheiten erlangen, ehe die Eltern etwas davon erfahren, und nach die- sem schweer wieder heraus zureissen sind, wenn sie einmal verwildert (§. 384 Mor.). Sie gewöhnen sich zum Lügen und falschen Schweeren, zwey Lastern, daraus viel bö- ses erfolget, und die dem Glücke des Men- schen sehr nachtheilig sind. Damit man nun dieses verhüte, so muß man die Kin- der gelinde tractiren, wenn sie gleich beken- nen, was sie gethan haben; hingegen viel härter straffen, wenn sie es verheelen, und doch endlich überführet werden, auch ih- nen absonderlich dieses wohl einbilden, daß sie bloß deswegen so hart angesehen werden, weil sie sich dieses zu leugnen unterstanden,
und
(Politick) G
Vaͤterlichen Geſellſchafft.
lem Ernſt verweiſen, wenn ſie etwas vor- nehmen, was ihnen unanſtaͤndig iſt, und zwar um ſoviel mehr, wenn es in ihrer Ge- genwart oder unter ſolchen Umſtaͤnden ge- ſchiehet, da ſie leicht vermuthen koͤnnen, daß ſie es erfahren wuͤrden.
§. 134.
Es iſt nicht zu leugnen, daßWie zu veꝛhuͤten/ daß Kin- der die Scheu fuͤr den Elteꝛn nicht mißbꝛau- chen. Kinder durch die Scheu, welche ſie vor El- tern haben, angetrieben werden ihr Thun und Laſſen heimlich zu halten und fuͤr ihnen zu verbergen, folgends, wenn ſie es erfah- ren, ſich auf das Leugnen legen, auch wol gar gewoͤhnen mit Betheurungen und Schweeren zu erhalten, man ſolle ihnen glauben. Dadurch aber geſchiehet, daß ſie im Boͤſen Gewohnheiten erlangen, ehe die Eltern etwas davon erfahren, und nach die- ſem ſchweer wieder heraus zureiſſen ſind, wenn ſie einmal verwildert (§. 384 Mor.). Sie gewoͤhnen ſich zum Luͤgen und falſchen Schweeren, zwey Laſtern, daraus viel boͤ- ſes erfolget, und die dem Gluͤcke des Men- ſchen ſehr nachtheilig ſind. Damit man nun dieſes verhuͤte, ſo muß man die Kin- der gelinde tractiren, wenn ſie gleich beken- nen, was ſie gethan haben; hingegen viel haͤrter ſtraffen, wenn ſie es verheelen, und doch endlich uͤberfuͤhret werden, auch ih- nen abſonderlich dieſes wohl einbilden, daß ſie bloß deswegen ſo hart angeſehen werden, weil ſie ſich dieſes zu leugnen unterſtanden,
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(Politick) G
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Vaͤterlichen Geſellſchafft.
lem Ernſt verweiſen, wenn ſie etwas vor-
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zwar um ſoviel mehr, wenn es in ihrer Ge-
genwart oder unter ſolchen Umſtaͤnden ge-
ſchiehet, da ſie leicht vermuthen koͤnnen, daß
ſie es erfahren wuͤrden.
§. 134.Es iſt nicht zu leugnen, daß
Kinder durch die Scheu, welche ſie vor El-
tern haben, angetrieben werden ihr Thun
und Laſſen heimlich zu halten und fuͤr ihnen
zu verbergen, folgends, wenn ſie es erfah-
ren, ſich auf das Leugnen legen, auch wol
gar gewoͤhnen mit Betheurungen und
Schweeren zu erhalten, man ſolle ihnen
glauben. Dadurch aber geſchiehet, daß
ſie im Boͤſen Gewohnheiten erlangen, ehe die
Eltern etwas davon erfahren, und nach die-
ſem ſchweer wieder heraus zureiſſen ſind,
wenn ſie einmal verwildert (§. 384 Mor.).
Sie gewoͤhnen ſich zum Luͤgen und falſchen
Schweeren, zwey Laſtern, daraus viel boͤ-
ſes erfolget, und die dem Gluͤcke des Men-
ſchen ſehr nachtheilig ſind. Damit man
nun dieſes verhuͤte, ſo muß man die Kin-
der gelinde tractiren, wenn ſie gleich beken-
nen, was ſie gethan haben; hingegen viel
haͤrter ſtraffen, wenn ſie es verheelen, und
doch endlich uͤberfuͤhret werden, auch ih-
nen abſonderlich dieſes wohl einbilden, daß
ſie bloß deswegen ſo hart angeſehen werden,
weil ſie ſich dieſes zu leugnen unterſtanden,
und
Wie zu
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daß Kin-
der die
Scheu
fuͤr den
Elteꝛn
nicht
mißbꝛau-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/115>, abgerufen am 22.11.2024.
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