nis der metaphysischen mit darbey ist. Wo es aber an der letzteren fehlet, da kan sich keiner rühmen, daß er die er- steren völlig begreiffet. Unterdessen ist doch ein grosser Unterscheid, ob man diese Wahrheiten völlig begreiffet, oder nur oben hin ansiehet. Wer sie völlig begreiffet, der ist versichert, daß er sich niemahls den Schein wird blenden las- sen, und das falsche für das wahre, das schlechtere an stat des besseren er- wehlen, noch auch aus Ubereilung ta- deln, was in der Vernunfft genung gegründet ist. Hingegen zeiget es die Erfahrung, wie diejenigen, welche sie nur obenhin erkennen, sich in ihren Ge- dancken öffters betrügen, auf viele Jrr- thümer gerathen, und mit einer Heff- tigkeit tadeln, was vielmehr rühmens würdig gefunden wird, wenn man es gründlich untersuchet. Man darf auch nicht meinen, als wenn die Erfahrung
mir
Vorrede.
nis der metaphyſiſchen mit darbey iſt. Wo es aber an der letzteren fehlet, da kan ſich keiner ruͤhmen, daß er die er- ſteren voͤllig begreiffet. Unterdeſſen iſt doch ein groſſer Unterſcheid, ob man dieſe Wahrheiten voͤllig begreiffet, oder nur oben hin anſiehet. Wer ſie voͤllig begreiffet, der iſt verſichert, daß er ſich niemahls den Schein wird blenden laſ- ſen, und das falſche fuͤr das wahre, das ſchlechtere an ſtat des beſſeren er- wehlen, noch auch aus Ubereilung ta- deln, was in der Vernunfft genung gegruͤndet iſt. Hingegen zeiget es die Erfahrung, wie diejenigen, welche ſie nur obenhin erkennen, ſich in ihren Ge- dancken oͤffters betruͤgen, auf viele Jrr- thuͤmer gerathen, und mit einer Heff- tigkeit tadeln, was vielmehr ruͤhmens wuͤrdig gefunden wird, wenn man es gruͤndlich unterſuchet. Man darf auch nicht meinen, als wenn die Erfahrung
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[0012]
Vorrede.
nis der metaphyſiſchen mit darbey iſt.
Wo es aber an der letzteren fehlet, da
kan ſich keiner ruͤhmen, daß er die er-
ſteren voͤllig begreiffet. Unterdeſſen
iſt doch ein groſſer Unterſcheid, ob man
dieſe Wahrheiten voͤllig begreiffet, oder
nur oben hin anſiehet. Wer ſie voͤllig
begreiffet, der iſt verſichert, daß er ſich
niemahls den Schein wird blenden laſ-
ſen, und das falſche fuͤr das wahre,
das ſchlechtere an ſtat des beſſeren er-
wehlen, noch auch aus Ubereilung ta-
deln, was in der Vernunfft genung
gegruͤndet iſt. Hingegen zeiget es die
Erfahrung, wie diejenigen, welche ſie
nur obenhin erkennen, ſich in ihren Ge-
dancken oͤffters betruͤgen, auf viele Jrr-
thuͤmer gerathen, und mit einer Heff-
tigkeit tadeln, was vielmehr ruͤhmens
wuͤrdig gefunden wird, wenn man es
gruͤndlich unterſuchet. Man darf auch
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/12>, abgerufen am 23.11.2024.
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