schiehet nemlich offt, daß Kinder auf die Mutter nicht so viel geben, als auf die Vä- ter, weil sie aus grosser Liebe die Schärffe, wo es nöthig ist, aus den Augen setzen. Jn- gleichen können Mütter nicht allzeit verste- hen, was zu der Auferziehung der Söhne nutzet.
§. 160.
Wenn die Kinder nach demPflichten des Va- ters nach Abster- ben der Mutter. Absterben der Mutter so viel Vermögen er- werben, daß von der Nutzung die nöthigen Auferziehungs-Kosten können genommen werden; so ist der Vater nicht gehalten sie von dem seinigen zu geben, sondern vielmehr berechtiget sie davon zu nehmen (§. 769). Unterdessen wenn die Nutzung mehr aus- träget, als die Auferziehungs-Kosten er- fordern; so findet man keinen Grund, war- um man ihm den Uberschuß lassen sollte. Und demnach verbleibet er nach natürlichen Rechten den Kindern. Es verstehet sich a- ber vor sich, daß die gantze Zeit durch, da die Auferziehung gewehret, die Ausgabe und Einnahme mit einander verglichen werden muß. Es ist wohl wahr, daß da- durch der Vater die Mühe hat eine Rech- nung darüber zu führen: er hat aber auch den Vortheil, daß er nicht für die Auferzie- hungs-Kosten sorgen darf. Unterdessen wenn ihm dieses in seinen Verrichtungen Hindernis machet, und die Kinder nach sei- nem Tode bekommen, was er erübriget;
so
Vaͤterlichen Geſellſchafft.
ſchiehet nemlich offt, daß Kinder auf die Mutter nicht ſo viel geben, als auf die Vaͤ- ter, weil ſie aus groſſer Liebe die Schaͤrffe, wo es noͤthig iſt, aus den Augen ſetzen. Jn- gleichen koͤnnen Muͤtter nicht allzeit verſte- hen, was zu der Auferziehung der Soͤhne nutzet.
§. 160.
Wenn die Kinder nach demPflichten des Va- ters nach Abſteꝛ- ben der Mutteꝛ. Abſterben der Mutter ſo viel Vermoͤgen er- werben, daß von der Nutzung die noͤthigen Auferziehungs-Koſten koͤnnen genommen werden; ſo iſt der Vater nicht gehalten ſie von dem ſeinigen zu geben, ſondern vielmehr berechtiget ſie davon zu nehmen (§. 769). Unterdeſſen wenn die Nutzung mehr aus- traͤget, als die Auferziehungs-Koſten er- fordern; ſo findet man keinen Grund, war- um man ihm den Uberſchuß laſſen ſollte. Und demnach verbleibet er nach natuͤrlichen Rechten den Kindern. Es verſtehet ſich a- ber vor ſich, daß die gantze Zeit durch, da die Auferziehung gewehret, die Ausgabe und Einnahme mit einander verglichen werden muß. Es iſt wohl wahr, daß da- durch der Vater die Muͤhe hat eine Rech- nung daruͤber zu fuͤhren: er hat aber auch den Vortheil, daß er nicht fuͤr die Auferzie- hungs-Koſten ſorgen darf. Unterdeſſen wenn ihm dieſes in ſeinen Verrichtungen Hindernis machet, und die Kinder nach ſei- nem Tode bekommen, was er eruͤbriget;
ſo
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Vaͤterlichen Geſellſchafft.
ſchiehet nemlich offt, daß Kinder auf die
Mutter nicht ſo viel geben, als auf die Vaͤ-
ter, weil ſie aus groſſer Liebe die Schaͤrffe,
wo es noͤthig iſt, aus den Augen ſetzen. Jn-
gleichen koͤnnen Muͤtter nicht allzeit verſte-
hen, was zu der Auferziehung der Soͤhne
nutzet.
§. 160.Wenn die Kinder nach dem
Abſterben der Mutter ſo viel Vermoͤgen er-
werben, daß von der Nutzung die noͤthigen
Auferziehungs-Koſten koͤnnen genommen
werden; ſo iſt der Vater nicht gehalten ſie
von dem ſeinigen zu geben, ſondern vielmehr
berechtiget ſie davon zu nehmen (§. 769).
Unterdeſſen wenn die Nutzung mehr aus-
traͤget, als die Auferziehungs-Koſten er-
fordern; ſo findet man keinen Grund, war-
um man ihm den Uberſchuß laſſen ſollte.
Und demnach verbleibet er nach natuͤrlichen
Rechten den Kindern. Es verſtehet ſich a-
ber vor ſich, daß die gantze Zeit durch, da
die Auferziehung gewehret, die Ausgabe
und Einnahme mit einander verglichen
werden muß. Es iſt wohl wahr, daß da-
durch der Vater die Muͤhe hat eine Rech-
nung daruͤber zu fuͤhren: er hat aber auch
den Vortheil, daß er nicht fuͤr die Auferzie-
hungs-Koſten ſorgen darf. Unterdeſſen
wenn ihm dieſes in ſeinen Verrichtungen
Hindernis machet, und die Kinder nach ſei-
nem Tode bekommen, was er eruͤbriget;
ſo
Pflichten
des Va-
ters nach
Abſteꝛ-
ben der
Mutteꝛ.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/129>, abgerufen am 22.11.2024.
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