Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Von dem Hause. dern Wercken tractiren, vielweniger garverkleinerlich gegen das Gesinde und die Kinder von ihm reden, oder, wenn er sie schilt, ihm zuwieder seyn und dem Gesin- de überhelffen. Denn ob es wohl an dem ist, daß, wenn sie dem Gesinde und Kindern überhilfft, sie dadurch Liebe bey beyden erhält, daraus nach diesem eine kindliche Furcht (§. 130. 191.) und Scheue (§. 132. 181) bey beyden erwächset, wodurch ihr Amt sehr erleichtert wird, weil sie in die- sem Zustande mehr durch einen Winck, als sonst durch vieles Befehlen und Aergernis ausrichtet; so muß doch dieses mit einer guten Art geschehen, daß sie dadurch nicht die Furcht für dem Hausvater tilget: wel- ches, wie wir erst gesehen, in dem Hause so nöthig und für sie selbst so heilsam ist. Derowegen hat sie es bitweise zuthun und mit bitten anzuhalten, wenn der Hausva- ter sich wiedrig stellet, damit Kinder und Gesinde der Meinung werden, der Haus- vater sey schweer zu erbitten und zu ge- winnen: denn da es der Haus-Mutter, die doch bey ihm viel gilt, und der er aus Liebe sehr zugefallen ist, schweer fället et- was zu erhalten, können sie leicht erachten, daß er sich von ihnen noch schweerer wer- de gewinnen lassen. Wenn demnach die Haus-Mutter nöthig befindet, den Haus- vater in etwas zu errinnern; so soll sie sol- ches J 4
Von dem Hauſe. dern Wercken tractiren, vielweniger garverkleinerlich gegen das Geſinde und die Kinder von ihm reden, oder, wenn er ſie ſchilt, ihm zuwieder ſeyn und dem Geſin- de uͤberhelffen. Denn ob es wohl an dem iſt, daß, wenn ſie dem Geſinde und Kindern uͤberhilfft, ſie dadurch Liebe bey beyden erhaͤlt, daraus nach dieſem eine kindliche Furcht (§. 130. 191.) und Scheue (§. 132. 181) bey beyden erwaͤchſet, wodurch ihr Amt ſehr erleichtert wird, weil ſie in die- ſem Zuſtande mehr durch einen Winck, als ſonſt durch vieles Befehlen und Aergernis ausrichtet; ſo muß doch dieſes mit einer guten Art geſchehen, daß ſie dadurch nicht die Furcht fuͤr dem Hausvater tilget: wel- ches, wie wir erſt geſehen, in dem Hauſe ſo noͤthig und fuͤr ſie ſelbſt ſo heilſam iſt. Derowegen hat ſie es bitweiſe zuthun und mit bitten anzuhalten, wenn der Hausva- ter ſich wiedrig ſtellet, damit Kinder und Geſinde der Meinung werden, der Haus- vater ſey ſchweer zu erbitten und zu ge- winnen: denn da es der Haus-Mutter, die doch bey ihm viel gilt, und der er aus Liebe ſehr zugefallen iſt, ſchweer faͤllet et- was zu erhalten, koͤnnen ſie leicht erachten, daß er ſich von ihnen noch ſchweerer wer- de gewinnen laſſen. Wenn demnach die Haus-Mutter noͤthig befindet, den Haus- vater in etwas zu errinnern; ſo ſoll ſie ſol- ches J 4
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Von dem Hauſe.
dern Wercken tractiren, vielweniger gar
verkleinerlich gegen das Geſinde und die
Kinder von ihm reden, oder, wenn er ſie
ſchilt, ihm zuwieder ſeyn und dem Geſin-
de uͤberhelffen. Denn ob es wohl an dem
iſt, daß, wenn ſie dem Geſinde und Kindern
uͤberhilfft, ſie dadurch Liebe bey beyden
erhaͤlt, daraus nach dieſem eine kindliche
Furcht (§. 130. 191.) und Scheue (§. 132.
181) bey beyden erwaͤchſet, wodurch ihr
Amt ſehr erleichtert wird, weil ſie in die-
ſem Zuſtande mehr durch einen Winck, als
ſonſt durch vieles Befehlen und Aergernis
ausrichtet; ſo muß doch dieſes mit einer
guten Art geſchehen, daß ſie dadurch nicht
die Furcht fuͤr dem Hausvater tilget: wel-
ches, wie wir erſt geſehen, in dem Hauſe
ſo noͤthig und fuͤr ſie ſelbſt ſo heilſam iſt.
Derowegen hat ſie es bitweiſe zuthun und
mit bitten anzuhalten, wenn der Hausva-
ter ſich wiedrig ſtellet, damit Kinder und
Geſinde der Meinung werden, der Haus-
vater ſey ſchweer zu erbitten und zu ge-
winnen: denn da es der Haus-Mutter,
die doch bey ihm viel gilt, und der er aus
Liebe ſehr zugefallen iſt, ſchweer faͤllet et-
was zu erhalten, koͤnnen ſie leicht erachten,
daß er ſich von ihnen noch ſchweerer wer-
de gewinnen laſſen. Wenn demnach die
Haus-Mutter noͤthig befindet, den Haus-
vater in etwas zu errinnern; ſo ſoll ſie ſol-
ches
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