Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Arten des gemeinen Wesens. und Tugend (§. 241), und absonderlich ei-ne aufrichtige und grosse Liebe zu ihren Un- terthanen haben (§. 246); so kan auch in einer Monarchie, wo nur eine Person herr- schet, die gemeine Wohlfahrt befördert wer- den, und folglich ist sie möglich, wenn der Monarche verständig und tugendhafft ist, absonderlich seine Unterthanen aufrichtig und sehr liebet. Es ist eben nicht nöthig, daß ein Monarche für sich so viel Verstand hat, daß er alles selbst überlegen, und die zur Beförderung der gemeinen Wohlfahrt und Sicherheit nöthige Mittel erfinden kan (wiewohl wenn solches wäre, so wäre es um so viel besser); sondern es ist genung, wenn er verständig ist klugen Rath zu be- urtheilen, damit er nicht den guten hintan- setze, und dem schlimmen folge. Zu wel- chem Ende nöthig ist, daß er allezeit nach dem Grunde frage, warumb einer diesen oder jenen Rath giebet, und wie er vermei- net, daß dadurch die gemeine Wohlfahrt solle befördert und die Sicherheit erhalten werden: er aber nach dem urtheilet, ob durch die vorgeschlagene Mittel dergleichen möglich ist. Woraus erhellet, wie weit er seinen Verstand vollkommen zu machen nöthig hat, und was er für Erkänntniß der Wahrheit besitzen muß. Absonderlich sie- het man, ein Monarche müsse zum wenig- sten so viel Verstand haben, daß er erken- net M 2
Arten des gemeinen Weſens. und Tugend (§. 241), und abſonderlich ei-ne aufrichtige und groſſe Liebe zu ihren Un- terthanen haben (§. 246); ſo kan auch in einer Monarchie, wo nur eine Perſon herr- ſchet, die gemeine Wohlfahrt befoͤrdert wer- den, und folglich iſt ſie moͤglich, wenn der Monarche verſtaͤndig und tugendhafft iſt, abſonderlich ſeine Unterthanen aufrichtig und ſehr liebet. Es iſt eben nicht noͤthig, daß ein Monarche fuͤr ſich ſo viel Verſtand hat, daß er alles ſelbſt uͤberlegen, und die zur Befoͤrderung der gemeinen Wohlfahrt und Sicherheit noͤthige Mittel erfinden kan (wiewohl wenn ſolches waͤre, ſo waͤre es um ſo viel beſſer); ſondern es iſt genung, wenn er verſtaͤndig iſt klugen Rath zu be- urtheilen, damit er nicht den guten hintan- ſetze, und dem ſchlimmen folge. Zu wel- chem Ende noͤthig iſt, daß er allezeit nach dem Grunde frage, warumb einer dieſen oder jenen Rath giebet, und wie er vermei- net, daß dadurch die gemeine Wohlfahrt ſolle befoͤrdert und die Sicherheit erhalten werden: er aber nach dem urtheilet, ob durch die vorgeſchlagene Mittel dergleichen moͤglich iſt. Woraus erhellet, wie weit er ſeinen Verſtand vollkommen zu machen noͤthig hat, und was er fuͤr Erkaͤnntniß der Wahrheit beſitzen muß. Abſonderlich ſie- het man, ein Monarche muͤſſe zum wenig- ſten ſo viel Verſtand haben, daß er erken- net M 2
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Arten des gemeinen Weſens.
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ne aufrichtige und groſſe Liebe zu ihren Un-
terthanen haben (§. 246); ſo kan auch in
einer Monarchie, wo nur eine Perſon herr-
ſchet, die gemeine Wohlfahrt befoͤrdert wer-
den, und folglich iſt ſie moͤglich, wenn der
Monarche verſtaͤndig und tugendhafft iſt,
abſonderlich ſeine Unterthanen aufrichtig
und ſehr liebet. Es iſt eben nicht noͤthig,
daß ein Monarche fuͤr ſich ſo viel Verſtand
hat, daß er alles ſelbſt uͤberlegen, und die
zur Befoͤrderung der gemeinen Wohlfahrt
und Sicherheit noͤthige Mittel erfinden kan
(wiewohl wenn ſolches waͤre, ſo waͤre es
um ſo viel beſſer); ſondern es iſt genung,
wenn er verſtaͤndig iſt klugen Rath zu be-
urtheilen, damit er nicht den guten hintan-
ſetze, und dem ſchlimmen folge. Zu wel-
chem Ende noͤthig iſt, daß er allezeit nach
dem Grunde frage, warumb einer dieſen
oder jenen Rath giebet, und wie er vermei-
net, daß dadurch die gemeine Wohlfahrt
ſolle befoͤrdert und die Sicherheit erhalten
werden: er aber nach dem urtheilet, ob
durch die vorgeſchlagene Mittel dergleichen
moͤglich iſt. Woraus erhellet, wie weit
er ſeinen Verſtand vollkommen zu machen
noͤthig hat, und was er fuͤr Erkaͤnntniß der
Wahrheit beſitzen muß. Abſonderlich ſie-
het man, ein Monarche muͤſſe zum wenig-
ſten ſo viel Verſtand haben, daß er erken-
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