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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 3. Von der Unterrichtung
die allgemeine Pflichten verbunden (§. 807.
808. Mor.); aber hier kommt noch eine
neue Verbindlichkeit dazu, daß einer des
andern sein Amt unkräfftig machet (§. 8.
Mor.). Wir finden leider! in der Erfah-
rung, daß nicht mit geringem Nachtheile der
Lernenden insgemein die Lehrenden dieser
Pflicht zuwieder handeln, und einer des
andern Ansehen auf allerhand Weise zu
verkleinern suchet. Worans denn ferner
dieses Unheil erwächset, daß unter den ler-
nenden Partheyen entstehen, deren einige
sich an diesen, andere an einen andern hän-
gen, und dadurch in einen Haß gegen ein-
ander entbrennen, folgends bey allerhand
Gelegenheiten einer gegen den andern sich
wiedrig erzeiget (§. 454. Met.). Was mehr
vor Unheil heraus kommet, lieget nicht allein
am Tage; sondern wer die Menschen in ih-
rem Thun und Lassen kennet, kan es auch
mehr als zu viel begreiffen. Warum Leh-
rende einander zu verkleinern trachten, kom-
met gemeiniglich daher, daß sie an Ehre und
Einkünfften ungleich sind, ob sich gleich in ih-
ren Verdiensten dergleichen Ungleichheit
nicht befindet, sondern öffters wohl gar das
Nachsehen haben muß, der die meiste Ver-
dienste hat. Hieraus entstehet Neid (§. 460.
Met.) und weil dieser mit dem Hasse verge-
sellschafftet ist (§. cit.); so ist man bereit aus
des andern Unglück Vergnügen zu schöpf-

fen

Cap. 3. Von der Unterrichtung
die allgemeine Pflichten verbunden (§. 807.
808. Mor.); aber hier kommt noch eine
neue Verbindlichkeit dazu, daß einer des
andern ſein Amt unkraͤfftig machet (§. 8.
Mor.). Wir finden leider! in der Erfah-
rung, daß nicht mit geringem Nachtheile der
Lernenden insgemein die Lehrenden dieſer
Pflicht zuwieder handeln, und einer des
andern Anſehen auf allerhand Weiſe zu
verkleinern ſuchet. Worans denn ferner
dieſes Unheil erwaͤchſet, daß unter den ler-
nenden Partheyen entſtehen, deren einige
ſich an dieſen, andere an einen andern haͤn-
gen, und dadurch in einen Haß gegen ein-
ander entbrennen, folgends bey allerhand
Gelegenheiten einer gegen den andern ſich
wiedrig erzeiget (§. 454. Met.). Was mehr
vor Unheil heraus kommet, lieget nicht allein
am Tage; ſondern wer die Menſchen in ih-
rem Thun und Laſſen kennet, kan es auch
mehr als zu viel begreiffen. Warum Leh-
rende einander zu verkleinern trachten, kom-
met gemeiniglich daher, daß ſie an Ehre und
Einkuͤnfften ungleich ſind, ob ſich gleich in ih-
ren Verdienſten dergleichen Ungleichheit
nicht befindet, ſondern oͤffters wohl gar das
Nachſehen haben muß, der die meiſte Ver-
dienſte hat. Hieraus entſtehet Neid (§. 460.
Met.) und weil dieſer mit dem Haſſe verge-
ſellſchafftet iſt (§. cit.); ſo iſt man bereit aus
des andern Ungluͤck Vergnuͤgen zu ſchoͤpf-

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[218/0236] Cap. 3. Von der Unterrichtung die allgemeine Pflichten verbunden (§. 807. 808. Mor.); aber hier kommt noch eine neue Verbindlichkeit dazu, daß einer des andern ſein Amt unkraͤfftig machet (§. 8. Mor.). Wir finden leider! in der Erfah- rung, daß nicht mit geringem Nachtheile der Lernenden insgemein die Lehrenden dieſer Pflicht zuwieder handeln, und einer des andern Anſehen auf allerhand Weiſe zu verkleinern ſuchet. Worans denn ferner dieſes Unheil erwaͤchſet, daß unter den ler- nenden Partheyen entſtehen, deren einige ſich an dieſen, andere an einen andern haͤn- gen, und dadurch in einen Haß gegen ein- ander entbrennen, folgends bey allerhand Gelegenheiten einer gegen den andern ſich wiedrig erzeiget (§. 454. Met.). Was mehr vor Unheil heraus kommet, lieget nicht allein am Tage; ſondern wer die Menſchen in ih- rem Thun und Laſſen kennet, kan es auch mehr als zu viel begreiffen. Warum Leh- rende einander zu verkleinern trachten, kom- met gemeiniglich daher, daß ſie an Ehre und Einkuͤnfften ungleich ſind, ob ſich gleich in ih- ren Verdienſten dergleichen Ungleichheit nicht befindet, ſondern oͤffters wohl gar das Nachſehen haben muß, der die meiſte Ver- dienſte hat. Hieraus entſtehet Neid (§. 460. Met.) und weil dieſer mit dem Haſſe verge- ſellſchafftet iſt (§. cit.); ſo iſt man bereit aus des andern Ungluͤck Vergnuͤgen zu ſchoͤpf- fen

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/236>, abgerufen am 24.11.2024.