Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 3. Von der Einrichtung ten Reihe folget, sie einer beständigenund unvergänglichen gleich wird. De- rowegen kommet es nur darauf an, daß man vergängliche Lust der beständigen gleich zu machen trachtet: Welches ge- schiehet, wenn man sie dergestalt gebrau- chet, daß sie der beständigen keinen Ein- trag thut, noch auch Unlust nach sich ziehet. Da nun hierzu grosser Verstand und viele Klugheit erfordert wird, abson- derlich da der rechte Gebrauch der ver- gänglichen Lust und die Art und Weise sie der beständigen gleich zu machen noch zur Zeit in keine Regeln gebracht wor- den; so ist es kein Wunder, wenn wir wenige Menschen finden, die das vergäng- liche mit dem unvergänglichen auf gehö- rige Weise zu vereinigen wissen, sondern vielmehr täglich erfahren, daß die mei- sten einig und allein auf das vergäng- liche, andere wenige hingegen auf das unvergängliche sehen. Woraus nach die- sem erfolget, daß, da der erstere Hauffe der gröste ist, gründliche Wissenschaff- ten bey den meisten in Verachtung gerah- ten, und dadurch in ihrer Aufnahme gar sehr gehindert werden: Welches der Ab- sicht der Academie der Wissenschafften zu- wieder läufft (§. 300). sich in Samm- §. 303. Weil die Academie der Wis- fin-
Cap. 3. Von der Einrichtung ten Reihe folget, ſie einer beſtaͤndigenund unvergaͤnglichen gleich wird. De- rowegen kommet es nur darauf an, daß man vergaͤngliche Luſt der beſtaͤndigen gleich zu machen trachtet: Welches ge- ſchiehet, wenn man ſie dergeſtalt gebrau- chet, daß ſie der beſtaͤndigen keinen Ein- trag thut, noch auch Unluſt nach ſich ziehet. Da nun hierzu groſſer Verſtand und viele Klugheit erfordert wird, abſon- derlich da der rechte Gebrauch der ver- gaͤnglichen Luſt und die Art und Weiſe ſie der beſtaͤndigen gleich zu machen noch zur Zeit in keine Regeln gebracht wor- den; ſo iſt es kein Wunder, wenn wir wenige Menſchen finden, die das vergaͤng- liche mit dem unvergaͤnglichen auf gehoͤ- rige Weiſe zu vereinigen wiſſen, ſondern vielmehr taͤglich erfahren, daß die mei- ſten einig und allein auf das vergaͤng- liche, andere wenige hingegen auf das unvergaͤngliche ſehen. Woraus nach die- ſem erfolget, daß, da der erſtere Hauffe der groͤſte iſt, gruͤndliche Wiſſenſchaff- ten bey den meiſten in Verachtung gerah- ten, und dadurch in ihrer Aufnahme gar ſehr gehindert werden: Welches der Ab- ſicht der Academie der Wiſſenſchafften zu- wieder laͤufft (§. 300). ſich in Samm- §. 303. Weil die Academie der Wiſ- fin-
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Cap. 3. Von der Einrichtung
ten Reihe folget, ſie einer beſtaͤndigen
und unvergaͤnglichen gleich wird. De-
rowegen kommet es nur darauf an, daß
man vergaͤngliche Luſt der beſtaͤndigen
gleich zu machen trachtet: Welches ge-
ſchiehet, wenn man ſie dergeſtalt gebrau-
chet, daß ſie der beſtaͤndigen keinen Ein-
trag thut, noch auch Unluſt nach ſich
ziehet. Da nun hierzu groſſer Verſtand
und viele Klugheit erfordert wird, abſon-
derlich da der rechte Gebrauch der ver-
gaͤnglichen Luſt und die Art und Weiſe
ſie der beſtaͤndigen gleich zu machen noch
zur Zeit in keine Regeln gebracht wor-
den; ſo iſt es kein Wunder, wenn wir
wenige Menſchen finden, die das vergaͤng-
liche mit dem unvergaͤnglichen auf gehoͤ-
rige Weiſe zu vereinigen wiſſen, ſondern
vielmehr taͤglich erfahren, daß die mei-
ſten einig und allein auf das vergaͤng-
liche, andere wenige hingegen auf das
unvergaͤngliche ſehen. Woraus nach die-
ſem erfolget, daß, da der erſtere Hauffe
der groͤſte iſt, gruͤndliche Wiſſenſchaff-
ten bey den meiſten in Verachtung gerah-
ten, und dadurch in ihrer Aufnahme gar
ſehr gehindert werden: Welches der Ab-
ſicht der Academie der Wiſſenſchafften zu-
wieder laͤufft (§. 300).
§. 303.Weil die Academie der Wiſ-
ſenſchafften bloß Wahrheiten ſammlen, er-
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