hat, theils aus der Begierde sein Anden- cken in den Nachkommen zu erhalten, theils damit man jemanden habe, dem man nach seinem Tode das seinige überlässet, theils aus andern Ursachen, wie solches alles die Erfahrung zur Genüge bestätiget; so hat die Natur viele Bewegungs-Gründe mit der Erzeugung der Kinder verknüpffet und ver- bindet uns demnach dazu (§. 8. Mor.). Zu der Lust im Beyschlaffe kan man auch die Brunst rechnen, wodurch Menschen und Thiere zum Beyschlaffe, sonderlich jene das erste mahl, angetrieben werden, da sie von der Lust, als einer unbekandten Sache, noch keinen Begriff haben.
Kinder/ die man erzeuget/ muß man auch auf- erziehen.
§. 18.
Da die Kinder sich nicht selbst auferziehen können, so sind die Eltern sie aufzuerziehen verbunden (§. 770. Mor.). Derowegen müssen diejenigen, welche sich zusammen begeben, Kinder zu zeugen, auch mit einander einig werden sie zu er- ziehen. Und solchergestalt kan auch die Auferziehung von der Erzeugung nicht ge- trennet werden. Wir finden gar deutlich bey den Thieren, was der Winck der Na- tur in diesem Stücke ist. Wo das Weib- lein allein ihre Jungen auferziehen kan, als wie bey den vierfüßigen Thieren geschiehet, da bekümmert sich das Männlein weiter umb nichts als umb den Beyschlaff, der- gleichen wir auch bey einigem Feder-Vie-
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Cap. 2. Von dem Eheſtande.
hat, theils aus der Begierde ſein Anden- cken in den Nachkommen zu erhalten, theils damit man jemanden habe, dem man nach ſeinem Tode das ſeinige uͤberlaͤſſet, theils aus andern Urſachen, wie ſolches alles die Erfahrung zur Genuͤge beſtaͤtiget; ſo hat die Natur viele Bewegungs-Gruͤnde mit der Erzeugung der Kinder verknuͤpffet und ver- bindet uns demnach dazu (§. 8. Mor.). Zu der Luſt im Beyſchlaffe kan man auch die Brunſt rechnen, wodurch Menſchen und Thiere zum Beyſchlaffe, ſonderlich jene das erſte mahl, angetrieben werden, da ſie von der Luſt, als einer unbekandten Sache, noch keinen Begriff haben.
Kinder/ die man erzeuget/ muß man auch auf- erziehen.
§. 18.
Da die Kinder ſich nicht ſelbſt auferziehen koͤnnen, ſo ſind die Eltern ſie aufzuerziehen verbunden (§. 770. Mor.). Derowegen muͤſſen diejenigen, welche ſich zuſammen begeben, Kinder zu zeugen, auch mit einander einig werden ſie zu er- ziehen. Und ſolchergeſtalt kan auch die Auferziehung von der Erzeugung nicht ge- trennet werden. Wir finden gar deutlich bey den Thieren, was der Winck der Na- tur in dieſem Stuͤcke iſt. Wo das Weib- lein allein ihre Jungen auferziehen kan, als wie bey den vierfuͤßigen Thieren geſchiehet, da bekuͤmmert ſich das Maͤnnlein weiter umb nichts als umb den Beyſchlaff, der- gleichen wir auch bey einigem Feder-Vie-
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Cap. 2. Von dem Eheſtande.
hat, theils aus der Begierde ſein Anden-
cken in den Nachkommen zu erhalten, theils
damit man jemanden habe, dem man nach
ſeinem Tode das ſeinige uͤberlaͤſſet, theils
aus andern Urſachen, wie ſolches alles die
Erfahrung zur Genuͤge beſtaͤtiget; ſo hat die
Natur viele Bewegungs-Gruͤnde mit der
Erzeugung der Kinder verknuͤpffet und ver-
bindet uns demnach dazu (§. 8. Mor.). Zu
der Luſt im Beyſchlaffe kan man auch die
Brunſt rechnen, wodurch Menſchen und
Thiere zum Beyſchlaffe, ſonderlich jene das
erſte mahl, angetrieben werden, da ſie von
der Luſt, als einer unbekandten Sache, noch
keinen Begriff haben.
§. 18.Da die Kinder ſich nicht ſelbſt
auferziehen koͤnnen, ſo ſind die Eltern ſie
aufzuerziehen verbunden (§. 770. Mor.).
Derowegen muͤſſen diejenigen, welche ſich
zuſammen begeben, Kinder zu zeugen,
auch mit einander einig werden ſie zu er-
ziehen. Und ſolchergeſtalt kan auch die
Auferziehung von der Erzeugung nicht ge-
trennet werden. Wir finden gar deutlich
bey den Thieren, was der Winck der Na-
tur in dieſem Stuͤcke iſt. Wo das Weib-
lein allein ihre Jungen auferziehen kan, als
wie bey den vierfuͤßigen Thieren geſchiehet,
da bekuͤmmert ſich das Maͤnnlein weiter
umb nichts als umb den Beyſchlaff, der-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/28>, abgerufen am 21.11.2024.
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