Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 3. Von der Einrichtung gen wenn keine andere Umbstände mit inBetrachtung zuziehen sind, so sollen die Mordthaten schwerer als Diebstahle ge- straffet werden. Wenn der Diebstahl nicht sehr gemein ist, sondern in vieler Zeit kaum etwas davon gehöret wird; so kan man mit einer geringeren als einer Lebens- Straffe zufrieden seyn: hingegen wo vie- le sich auf das Stehlen legen und die ge- linden Straffen nicht mehr zureichen wol- len dem Ubel zu steuren, da muß man biß an das Leben kommen. Ja wenn man sich auch an die übliche Lebens-Straffe nicht mehr kehret; so muß man eine härtere se- tzen. Z. E. Wenn die Diebe sich nicht mehr vor dem Strange fürchten, wäre es nicht unrecht, wenn man sie mit dem Ra- de verfolgete. Ein Kirchen-Raub kan leichter begangen werden als ein gemeiner Diebstahl, weil in der Kirche niemand zugegen ist, der es gewahr werden und Wiederstand thun kan. Derowegen muß ein Kirchen-Raub härter bestrafft werden als ein gemeiner Diebstahl. Eben diese Bewandniß hat es mit einem Strassen- Raube. Wiederumb ein Diebstahl, der mit gewaltsamer Erbrechung geschiehet, er- fordert mehr Vorfatz als ein anderer, wo man alles offen findet. Derowegen muß jener abermahl viel härter als dieser be- straffet werden. Und da in dem Kirchen- Raub
Cap. 3. Von der Einrichtung gen wenn keine andere Umbſtaͤnde mit inBetrachtung zuziehen ſind, ſo ſollen die Mordthaten ſchwerer als Diebſtahle ge- ſtraffet werden. Wenn der Diebſtahl nicht ſehr gemein iſt, ſondern in vieler Zeit kaum etwas davon gehoͤret wird; ſo kan man mit einer geringeren als einer Lebens- Straffe zufrieden ſeyn: hingegen wo vie- le ſich auf das Stehlen legen und die ge- linden Straffen nicht mehr zureichen wol- len dem Ubel zu ſteuren, da muß man biß an das Leben kommen. Ja wenn man ſich auch an die uͤbliche Lebens-Straffe nicht mehr kehret; ſo muß man eine haͤrtere ſe- tzen. Z. E. Wenn die Diebe ſich nicht mehr vor dem Strange fuͤrchten, waͤre es nicht unrecht, wenn man ſie mit dem Ra- de verfolgete. Ein Kirchen-Raub kan leichter begangen werden als ein gemeiner Diebſtahl, weil in der Kirche niemand zugegen iſt, der es gewahr werden und Wiederſtand thun kan. Derowegen muß ein Kirchen-Raub haͤrter beſtrafft werden als ein gemeiner Diebſtahl. Eben dieſe Bewandniß hat es mit einem Straſſen- Raube. Wiederumb ein Diebſtahl, der mit gewaltſamer Erbrechung geſchiehet, er- fordert mehr Vorfatz als ein anderer, wo man alles offen findet. Derowegen muß jener abermahl viel haͤrter als dieſer be- ſtraffet werden. Und da in dem Kirchen- Raub
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Cap. 3. Von der Einrichtung
gen wenn keine andere Umbſtaͤnde mit in
Betrachtung zuziehen ſind, ſo ſollen die
Mordthaten ſchwerer als Diebſtahle ge-
ſtraffet werden. Wenn der Diebſtahl
nicht ſehr gemein iſt, ſondern in vieler Zeit
kaum etwas davon gehoͤret wird; ſo kan
man mit einer geringeren als einer Lebens-
Straffe zufrieden ſeyn: hingegen wo vie-
le ſich auf das Stehlen legen und die ge-
linden Straffen nicht mehr zureichen wol-
len dem Ubel zu ſteuren, da muß man biß
an das Leben kommen. Ja wenn man ſich
auch an die uͤbliche Lebens-Straffe nicht
mehr kehret; ſo muß man eine haͤrtere ſe-
tzen. Z. E. Wenn die Diebe ſich nicht
mehr vor dem Strange fuͤrchten, waͤre es
nicht unrecht, wenn man ſie mit dem Ra-
de verfolgete. Ein Kirchen-Raub kan
leichter begangen werden als ein gemeiner
Diebſtahl, weil in der Kirche niemand
zugegen iſt, der es gewahr werden und
Wiederſtand thun kan. Derowegen muß
ein Kirchen-Raub haͤrter beſtrafft werden
als ein gemeiner Diebſtahl. Eben dieſe
Bewandniß hat es mit einem Straſſen-
Raube. Wiederumb ein Diebſtahl, der
mit gewaltſamer Erbrechung geſchiehet, er-
fordert mehr Vorfatz als ein anderer, wo
man alles offen findet. Derowegen muß
jener abermahl viel haͤrter als dieſer be-
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