Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 3. Von der Einrichtung desselben und erinnert uns zu unserm Ver-gnügen der mit ihm gepflogenen Freund- schafft, und in so weit ist dieses Vergnü- gen unschuldig. Weil man aber einen Freund liebet (§. 778 Mor.); so wird da- durch der Affeet der Liebe, und zwar einer unschuldigen Liebe, in unser Hertz geprä- get. Da nun dergleichen Liebe höchst nütz- lich ist (§. 777 Mor.); so ist die Vergnü- gung, die man sich durch das Bild ma- chet, etwas sehr gutes (§. 13 Mor.). Hin- gegen wenn man sich an einem nackenden Bilde belustiget; und dardurch zur Geil- heit gereitzet wird; so ist es eine schädliche Lust: wie aus dem vorhergehenden leicht erhellet. Und demnach muß dieser Miß- brauch verhindert, das ist, es muß nicht gedultet werden, daß man solche Bilder, die zur Geilheit reitzen können, verfertige, oder in Zimmern öffentlich habe. Jn die- ser Absicht nun hat man Mahler, Bild- hauer, Drechßler und andere dergleichen Künstler nöthig. Und weil ein jedes Werck um so viel mehr Vergnügen gewehret, je mehr es Vollkommenheit an sich hat (§. 409 Met.); so muß man rechtschaffene Künstler haben: wozu oben bereits Mittel vorgeschlagen worden (§. 314. 315). Zur Ergötzlichkeit der Augen dienen auch die Lust-Gärten und was dazu gehörig: zu welchem Ende nicht allein die Gärtnerey, son-
Cap. 3. Von der Einrichtung deſſelben und erinnert uns zu unſerm Ver-gnuͤgen der mit ihm gepflogenen Freund- ſchafft, und in ſo weit iſt dieſes Vergnuͤ- gen unſchuldig. Weil man aber einen Freund liebet (§. 778 Mor.); ſo wird da- durch der Affeet der Liebe, und zwar einer unſchuldigen Liebe, in unſer Hertz gepraͤ- get. Da nun dergleichen Liebe hoͤchſt nuͤtz- lich iſt (§. 777 Mor.); ſo iſt die Vergnuͤ- gung, die man ſich durch das Bild ma- chet, etwas ſehr gutes (§. 13 Mor.). Hin- gegen wenn man ſich an einem nackenden Bilde beluſtiget; und dardurch zur Geil- heit gereitzet wird; ſo iſt es eine ſchaͤdliche Luſt: wie aus dem vorhergehenden leicht erhellet. Und demnach muß dieſer Miß- brauch verhindert, das iſt, es muß nicht gedultet werden, daß man ſolche Bilder, die zur Geilheit reitzen koͤnnen, verfertige, oder in Zimmern oͤffentlich habe. Jn die- ſer Abſicht nun hat man Mahler, Bild- hauer, Drechßler und andere dergleichen Kuͤnſtler noͤthig. Und weil ein jedes Werck um ſo viel mehr Vergnuͤgen gewehret, je mehr es Vollkommenheit an ſich hat (§. 409 Met.); ſo muß man rechtſchaffene Kuͤnſtler haben: wozu oben bereits Mittel vorgeſchlagen worden (§. 314. 315). Zur Ergoͤtzlichkeit der Augen dienen auch die Luſt-Gaͤrten und was dazu gehoͤrig: zu welchem Ende nicht allein die Gaͤrtnerey, ſon-
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Cap. 3. Von der Einrichtung
deſſelben und erinnert uns zu unſerm Ver-
gnuͤgen der mit ihm gepflogenen Freund-
ſchafft, und in ſo weit iſt dieſes Vergnuͤ-
gen unſchuldig. Weil man aber einen
Freund liebet (§. 778 Mor.); ſo wird da-
durch der Affeet der Liebe, und zwar einer
unſchuldigen Liebe, in unſer Hertz gepraͤ-
get. Da nun dergleichen Liebe hoͤchſt nuͤtz-
lich iſt (§. 777 Mor.); ſo iſt die Vergnuͤ-
gung, die man ſich durch das Bild ma-
chet, etwas ſehr gutes (§. 13 Mor.). Hin-
gegen wenn man ſich an einem nackenden
Bilde beluſtiget; und dardurch zur Geil-
heit gereitzet wird; ſo iſt es eine ſchaͤdliche
Luſt: wie aus dem vorhergehenden leicht
erhellet. Und demnach muß dieſer Miß-
brauch verhindert, das iſt, es muß nicht
gedultet werden, daß man ſolche Bilder,
die zur Geilheit reitzen koͤnnen, verfertige,
oder in Zimmern oͤffentlich habe. Jn die-
ſer Abſicht nun hat man Mahler, Bild-
hauer, Drechßler und andere dergleichen
Kuͤnſtler noͤthig. Und weil ein jedes Werck
um ſo viel mehr Vergnuͤgen gewehret, je
mehr es Vollkommenheit an ſich hat (§.
409 Met.); ſo muß man rechtſchaffene
Kuͤnſtler haben: wozu oben bereits Mittel
vorgeſchlagen worden (§. 314. 315). Zur
Ergoͤtzlichkeit der Augen dienen auch die
Luſt-Gaͤrten und was dazu gehoͤrig: zu
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