schaffenheit der Verbindlichkeit überhaupt (§. 8 Mor.), folgends auch der natürlichen (§. 9 Mor.), nicht eingesehen, haben die bürgerliche Verbindlichkeit mit der natür- lichen vermenget, und die Erklärung des bürgerlichen Gesetzes für eine allgemeine Erklärung des Gesetzes gehalten, folgends behauptet, es könne kein Gesetze, und also auch kein Gesetze der Natur, ohne einen O- bern seyn.
§. 406.
Allein da gleichwol derjenige,Wer zü Gesetzen Rath ge- ben sol. welcher ein Gesetze geben wil, die Beschaf- fenheit der Handlungen deutlich erkennen muß, damit er urtheilen kan, ob es der ge- meinen Wohlfahrt und Sicherheit gemäß sey oder nicht (§. 215); hingegen derglei- chen Erkänntniß der Obrigkeit nicht immer beywohnen kan, indem sie sonst zugleich al- le Handwercke, Handthierungen und Kün- ste völlig verstehen müste (§. 404): so müs- sen die Gesetze von Personen aufgesetzet werden, die genungsame Erkäntniß dazu ha- ben und nach diesem dem Oberen übergeben werden, daß er sie bestetige oder confir- mire. Und durch diese Bestetigung oder Confirmation werden sie erst zu einem Ge- setze: denn dadurch werden sie zum Willen des Oberen und ein Befehl desselben, auch erlangen sie dadurch erst eine Verbindlich- keit, weil im gemeinen Wesen niemand einen verbinden kan als die Obrigkeit (§.
229).
Geſetzen.
ſchaffenheit der Verbindlichkeit uͤberhaupt (§. 8 Mor.), folgends auch der natuͤrlichen (§. 9 Mor.), nicht eingeſehen, haben die buͤrgerliche Verbindlichkeit mit der natuͤr- lichen vermenget, und die Erklaͤrung des buͤrgerlichen Geſetzes fuͤr eine allgemeine Erklaͤrung des Geſetzes gehalten, folgends behauptet, es koͤnne kein Geſetze, und alſo auch kein Geſetze der Natur, ohne einen O- bern ſeyn.
§. 406.
Allein da gleichwol derjenige,Wer zuͤ Geſetzen Rath ge- ben ſol. welcher ein Geſetze geben wil, die Beſchaf- fenheit der Handlungen deutlich erkennen muß, damit er urtheilen kan, ob es der ge- meinen Wohlfahrt und Sicherheit gemaͤß ſey oder nicht (§. 215); hingegen derglei- chen Erkaͤnntniß der Obrigkeit nicht immer beywohnen kan, indem ſie ſonſt zugleich al- le Handwercke, Handthierungen und Kuͤn- ſte voͤllig verſtehen muͤſte (§. 404): ſo muͤſ- ſen die Geſetze von Perſonen aufgeſetzet werden, die genungſame Erkaͤntniß dazu ha- ben und nach dieſem dem Oberen uͤbergeben werden, daß er ſie beſtetige oder confir- mire. Und durch dieſe Beſtetigung oder Confirmation werden ſie erſt zu einem Ge- ſetze: denn dadurch werden ſie zum Willen des Oberen und ein Befehl deſſelben, auch erlangen ſie dadurch erſt eine Verbindlich- keit, weil im gemeinen Weſen niemand einen verbinden kan als die Obrigkeit (§.
229).
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Geſetzen.
ſchaffenheit der Verbindlichkeit uͤberhaupt
(§. 8 Mor.), folgends auch der natuͤrlichen
(§. 9 Mor.), nicht eingeſehen, haben die
buͤrgerliche Verbindlichkeit mit der natuͤr-
lichen vermenget, und die Erklaͤrung des
buͤrgerlichen Geſetzes fuͤr eine allgemeine
Erklaͤrung des Geſetzes gehalten, folgends
behauptet, es koͤnne kein Geſetze, und alſo
auch kein Geſetze der Natur, ohne einen O-
bern ſeyn.
§. 406.Allein da gleichwol derjenige,
welcher ein Geſetze geben wil, die Beſchaf-
fenheit der Handlungen deutlich erkennen
muß, damit er urtheilen kan, ob es der ge-
meinen Wohlfahrt und Sicherheit gemaͤß
ſey oder nicht (§. 215); hingegen derglei-
chen Erkaͤnntniß der Obrigkeit nicht immer
beywohnen kan, indem ſie ſonſt zugleich al-
le Handwercke, Handthierungen und Kuͤn-
ſte voͤllig verſtehen muͤſte (§. 404): ſo muͤſ-
ſen die Geſetze von Perſonen aufgeſetzet
werden, die genungſame Erkaͤntniß dazu ha-
ben und nach dieſem dem Oberen uͤbergeben
werden, daß er ſie beſtetige oder confir-
mire. Und durch dieſe Beſtetigung oder
Confirmation werden ſie erſt zu einem Ge-
ſetze: denn dadurch werden ſie zum Willen
des Oberen und ein Befehl deſſelben, auch
erlangen ſie dadurch erſt eine Verbindlich-
keit, weil im gemeinen Weſen niemand
einen verbinden kan als die Obrigkeit (§.
229).
Wer zuͤ
Geſetzen
Rath ge-
ben ſol.
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/433>, abgerufen am 22.11.2024.
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