würde; so würde man nach und nach im- mer vollkommnere Gesetze bekommen und dadurch das gemeine Wesen sich nicht ei- ner geringen Aufnahme zu getrösten haben, indem doch auf den Gesetzen die gantze Wohlfahrt und Sicherheit desselben ge- bauet ist (§. 215. 404).
Wie die Gesetze nach und nach zu verbes- sern.
§ 412.
Es sället auch öffters schweer, ja denen Gesetzgebern wohl gar unmöglich, daß sie alle Fälle vorher sehen können, die sich bey der Sache ereignen können, davon das Gesetze gegeben wird. Unterdessen da in verschiedenen Fällen die Umstände gantz unterschieden sind; pfleget es zu geschehen, daß die viel zu allgemeinen Gesetze sich darauf nicht schicken und man dannenhe- ro der natürlichen Billigkeit allzunahe tritt, wenn man ihnen schlechterdinges folget. Unterdessen ist doch auch nicht zu verstat- ten, daß einer eigenmächtig davon abwei- che (§. 409), insonderheit weil daraus An- laß zu Ausflüchten könte genommen wer- den, wenn man aus anderen intereßirten Absichten davon abwiche. Derowegen wenn sich ein solcher Fall ereignete, so sol- te Leuten, die im Nachdencken geübet und in Rechts-Gründen erfahren sind, derglei- chen man bey der Academie der Wissen- schafften haben sol (§. 301), die Entscheidung desselben zu untersuchen aufgegeben werden. Wenn man nun heraus gebracht hätte,
was
Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
wuͤrde; ſo wuͤrde man nach und nach im- mer vollkommnere Geſetze bekommen und dadurch das gemeine Weſen ſich nicht ei- ner geringen Aufnahme zu getroͤſten haben, indem doch auf den Geſetzen die gantze Wohlfahrt und Sicherheit deſſelben ge- bauet iſt (§. 215. 404).
Wie die Geſetze nach und nach zu verbeſ- ſern.
§ 412.
Es ſaͤllet auch oͤffters ſchweer, ja denen Geſetzgebern wohl gar unmoͤglich, daß ſie alle Faͤlle vorher ſehen koͤnnen, die ſich bey der Sache ereignen koͤnnen, davon das Geſetze gegeben wird. Unterdeſſen da in verſchiedenen Faͤllen die Umſtaͤnde gantz unterſchieden ſind; pfleget es zu geſchehen, daß die viel zu allgemeinen Geſetze ſich darauf nicht ſchicken und man dannenhe- ro der natuͤrlichen Billigkeit allzunahe tritt, wenn man ihnen ſchlechterdinges folget. Unterdeſſen iſt doch auch nicht zu verſtat- ten, daß einer eigenmaͤchtig davon abwei- che (§. 409), inſonderheit weil daraus An- laß zu Ausfluͤchten koͤnte genommen wer- den, wenn man aus anderen intereßirten Abſichten davon abwiche. Derowegen wenn ſich ein ſolcher Fall ereignete, ſo ſol- te Leuten, die im Nachdencken geuͤbet und in Rechts-Gruͤnden erfahren ſind, derglei- chen man bey der Academie der Wiſſen- ſchafften haben ſol (§. 301), die Entſcheidung deſſelben zu unterſuchen aufgegeben werden. Wenn man nun heraus gebracht haͤtte,
was
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Cap. 4. Von den buͤrgerlichen
wuͤrde; ſo wuͤrde man nach und nach im-
mer vollkommnere Geſetze bekommen und
dadurch das gemeine Weſen ſich nicht ei-
ner geringen Aufnahme zu getroͤſten haben,
indem doch auf den Geſetzen die gantze
Wohlfahrt und Sicherheit deſſelben ge-
bauet iſt (§. 215. 404).
§ 412.Es ſaͤllet auch oͤffters ſchweer, ja
denen Geſetzgebern wohl gar unmoͤglich,
daß ſie alle Faͤlle vorher ſehen koͤnnen, die
ſich bey der Sache ereignen koͤnnen, davon
das Geſetze gegeben wird. Unterdeſſen da
in verſchiedenen Faͤllen die Umſtaͤnde gantz
unterſchieden ſind; pfleget es zu geſchehen,
daß die viel zu allgemeinen Geſetze ſich
darauf nicht ſchicken und man dannenhe-
ro der natuͤrlichen Billigkeit allzunahe tritt,
wenn man ihnen ſchlechterdinges folget.
Unterdeſſen iſt doch auch nicht zu verſtat-
ten, daß einer eigenmaͤchtig davon abwei-
che (§. 409), inſonderheit weil daraus An-
laß zu Ausfluͤchten koͤnte genommen wer-
den, wenn man aus anderen intereßirten
Abſichten davon abwiche. Derowegen
wenn ſich ein ſolcher Fall ereignete, ſo ſol-
te Leuten, die im Nachdencken geuͤbet und
in Rechts-Gruͤnden erfahren ſind, derglei-
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/440>, abgerufen am 22.11.2024.
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