Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Gesetzen. der das Gesetze weiß, noch von der daraufgesetzten Straffe etwas vernommen (§. 341)? Und gewiß ist es etwas hartes einen mit einer empfindlichen Straffe zu belegen, davon er nichts hat wissen kön- nen, da er dieselbe würde vermieden ha- ben, wenn er etwas davon gewust hätte. Zu dem Ende solte man auch besondere Ge- setz-Bücher zum gemeinen Gebrauche schreiben, daraus ein jeder gleich in seiner Jugend lernen könnte, was er für Gese- tze in seinen Handlungen in acht zu nehmen hat, woferne er Schaden und Unglück vermeiden wil, gleichwie wir Bücher von der Religion in dieser Absicht schreiben und den Leuten in die Hände geben, damit sie wissen, was ihre Pflicht in diesem Stü- cke ist. Es dörffte dieses zwar, weil es et- was gantz ungewöhnliches ist, einem und dem anderen seltsam vorkommen: allein da jedermann gestehen muß, daß man sich mit der Unwissenheit entschuldigen kan, so lange es nicht in unserem Vermögen ge- standen, dieselbe zu vermeiden (§. 264); so sehe ich nicht, warumb man die zur Ab- wendung der Unwissenheit nöthige Mittel nicht erwehlen sol. Jch verlange hier eben nicht, daß man alle Leute zu Rechts-Gelehr- ten machen sol: sondern will nur, es solle je- der diejenigen Gesetze und dabey gesetzten Straffen lernen, durch deren Ubertretung er D d 5
Geſetzen. der das Geſetze weiß, noch von der daraufgeſetzten Straffe etwas vernommen (§. 341)? Und gewiß iſt es etwas hartes einen mit einer empfindlichen Straffe zu belegen, davon er nichts hat wiſſen koͤn- nen, da er dieſelbe wuͤrde vermieden ha- ben, wenn er etwas davon gewuſt haͤtte. Zu dem Ende ſolte man auch beſondere Ge- ſetz-Buͤcher zum gemeinen Gebrauche ſchreiben, daraus ein jeder gleich in ſeiner Jugend lernen koͤnnte, was er fuͤr Geſe- tze in ſeinen Handlungen in acht zu nehmen hat, woferne er Schaden und Ungluͤck vermeiden wil, gleichwie wir Buͤcher von der Religion in dieſer Abſicht ſchreiben und den Leuten in die Haͤnde geben, damit ſie wiſſen, was ihre Pflicht in dieſem Stuͤ- cke iſt. Es doͤrffte dieſes zwar, weil es et- was gantz ungewoͤhnliches iſt, einem und dem anderen ſeltſam vorkommen: allein da jedermann geſtehen muß, daß man ſich mit der Unwiſſenheit entſchuldigen kan, ſo lange es nicht in unſerem Vermoͤgen ge- ſtanden, dieſelbe zu vermeiden (§. 264); ſo ſehe ich nicht, warumb man die zur Ab- wendung der Unwiſſenheit noͤthige Mittel nicht erwehlen ſol. Jch verlange hier eben nicht, daß man alle Leute zu Rechts-Gelehr- ten machen ſol: ſondern will nur, es ſolle je- der diejenigen Geſetze und dabey geſetzten Straffen lernen, durch deren Ubertretung er D d 5
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Geſetzen.
der das Geſetze weiß, noch von der darauf
geſetzten Straffe etwas vernommen (§.
341)? Und gewiß iſt es etwas hartes
einen mit einer empfindlichen Straffe zu
belegen, davon er nichts hat wiſſen koͤn-
nen, da er dieſelbe wuͤrde vermieden ha-
ben, wenn er etwas davon gewuſt haͤtte.
Zu dem Ende ſolte man auch beſondere Ge-
ſetz-Buͤcher zum gemeinen Gebrauche
ſchreiben, daraus ein jeder gleich in ſeiner
Jugend lernen koͤnnte, was er fuͤr Geſe-
tze in ſeinen Handlungen in acht zu nehmen
hat, woferne er Schaden und Ungluͤck
vermeiden wil, gleichwie wir Buͤcher von
der Religion in dieſer Abſicht ſchreiben und
den Leuten in die Haͤnde geben, damit ſie
wiſſen, was ihre Pflicht in dieſem Stuͤ-
cke iſt. Es doͤrffte dieſes zwar, weil es et-
was gantz ungewoͤhnliches iſt, einem und
dem anderen ſeltſam vorkommen: allein
da jedermann geſtehen muß, daß man ſich
mit der Unwiſſenheit entſchuldigen kan, ſo
lange es nicht in unſerem Vermoͤgen ge-
ſtanden, dieſelbe zu vermeiden (§. 264);
ſo ſehe ich nicht, warumb man die zur Ab-
wendung der Unwiſſenheit noͤthige Mittel
nicht erwehlen ſol. Jch verlange hier eben
nicht, daß man alle Leute zu Rechts-Gelehr-
ten machen ſol: ſondern will nur, es ſolle je-
der diejenigen Geſetze und dabey geſetzten
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