Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 5. Von der Macht Hoffprediger genennet werden, geschehenmuß; so erkennet man ferner hieraus, wie nöthig es sey, daß Prediger und sonderlich Hoffprediger in gutem Ansehen bey der hohen Landes-Obrigkeit sind, und sie dan- nenhero sich in allem so aufzuführen ha- ben, damit sie ihr Ansehen nicht selbst schwächen, oder auf einige Art und Wei- se verletzen. Sollte es aber auch gleich geschehen, daß eine Obrigkeit sich nicht für GOtt fürchten sollte, so wird doch dadurch der Eyd, damit sie die Grund-Gesetze des Staates beschworen hat, deßwegen noch nicht kraffrloß, sondern er behält dennoch einige Krafft zu verbinden. Nehmlich da aus der Erfahrung bekand ist, auch nach diesem weiter ausgeführet werden sol, daß kein Staat ohne Bündnisse mit andern benachtbahrten bestehen kan, ja auch über- haupt einem Staate vorträglich ist, wenn er mit den Benachtbahrten in gutem Ver- nehmen stehet und sie sich zu ihm nichts wiedriges versehen; so schadet sich die Landes-Obrigkeit gar sehr, wenn sie den Eyd nicht hält, den sie bey Antretung ihrer Regierung geschworen, und wieder die Grund-Gesetze des Staates handelt. Denn auswertige erkennen, daß ihr nicht zutrauen ist, wenn sie gleich etwas ver- sprochen, und werden daher sich nicht ger- ne mit ihnen in Bündnisse einlassen, noch auch
Cap. 5. Von der Macht Hoffprediger genennet werden, geſchehenmuß; ſo erkennet man ferner hieraus, wie noͤthig es ſey, daß Prediger und ſonderlich Hoffprediger in gutem Anſehen bey der hohen Landes-Obrigkeit ſind, und ſie dan- nenhero ſich in allem ſo aufzufuͤhren ha- ben, damit ſie ihr Anſehen nicht ſelbſt ſchwaͤchen, oder auf einige Art und Wei- ſe verletzen. Sollte es aber auch gleich geſchehen, daß eine Obrigkeit ſich nicht fuͤr GOtt fuͤrchten ſollte, ſo wird doch dadurch der Eyd, damit ſie die Grund-Geſetze des Staates beſchworen hat, deßwegen noch nicht kraffrloß, ſondern er behaͤlt dennoch einige Krafft zu verbinden. Nehmlich da aus der Erfahrung bekand iſt, auch nach dieſem weiter ausgefuͤhret werden ſol, daß kein Staat ohne Buͤndniſſe mit andern benachtbahrten beſtehen kan, ja auch uͤber- haupt einem Staate vortraͤglich iſt, wenn er mit den Benachtbahrten in gutem Ver- nehmen ſtehet und ſie ſich zu ihm nichts wiedriges verſehen; ſo ſchadet ſich die Landes-Obrigkeit gar ſehr, wenn ſie den Eyd nicht haͤlt, den ſie bey Antretung ihrer Regierung geſchworen, und wieder die Grund-Geſetze des Staates handelt. Denn auswertige erkennen, daß ihr nicht zutrauen iſt, wenn ſie gleich etwas ver- ſprochen, und werden daher ſich nicht ger- ne mit ihnen in Buͤndniſſe einlaſſen, noch auch
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Cap. 5. Von der Macht
Hoffprediger genennet werden, geſchehen
muß; ſo erkennet man ferner hieraus, wie
noͤthig es ſey, daß Prediger und ſonderlich
Hoffprediger in gutem Anſehen bey der
hohen Landes-Obrigkeit ſind, und ſie dan-
nenhero ſich in allem ſo aufzufuͤhren ha-
ben, damit ſie ihr Anſehen nicht ſelbſt
ſchwaͤchen, oder auf einige Art und Wei-
ſe verletzen. Sollte es aber auch gleich
geſchehen, daß eine Obrigkeit ſich nicht fuͤr
GOtt fuͤrchten ſollte, ſo wird doch dadurch
der Eyd, damit ſie die Grund-Geſetze des
Staates beſchworen hat, deßwegen noch
nicht kraffrloß, ſondern er behaͤlt dennoch
einige Krafft zu verbinden. Nehmlich da
aus der Erfahrung bekand iſt, auch nach
dieſem weiter ausgefuͤhret werden ſol, daß
kein Staat ohne Buͤndniſſe mit andern
benachtbahrten beſtehen kan, ja auch uͤber-
haupt einem Staate vortraͤglich iſt, wenn
er mit den Benachtbahrten in gutem Ver-
nehmen ſtehet und ſie ſich zu ihm nichts
wiedriges verſehen; ſo ſchadet ſich die
Landes-Obrigkeit gar ſehr, wenn ſie den
Eyd nicht haͤlt, den ſie bey Antretung ihrer
Regierung geſchworen, und wieder die
Grund-Geſetze des Staates handelt.
Denn auswertige erkennen, daß ihr nicht
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