Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

Bild:
<< vorherige Seite

und Gewale der Obrigkeit.
lich weil Gewalt ohne Macht nichts ist: so
muß auch jederzeit die Macht so weit gehen,
als die Gewalt gehet. Derowegen wo
die Gewalt eingeschräncket wird, muß auch
die Macht eingeschräncket werden. Hätte
einer die Macht und könnte es zwingen,
so würde er doch thun, was er wollte, und
nach den Grund-Gesetzen des Staates
wenig fragen. Was hülffe es nun, daß
man ihm nicht die höchste Gewalt hätte
einräumen wollen? Es geschähe im letz-
tern Falle eben dieses, was in dem ersten
geschehen würde. Nur dienete es dazu,
daß die Stände und übrige Unterthanen
mehr Ursache zu klagen hätten, und da-
durch ihnen selbst mehr Unruhe in ihrem
Gemüthe machten. Wenn die hohe Lan-
des-Obrigkeit kein Geld bekommen kan
ohne Einwilligung der Stände, auch die
Armee nicht zu ihrem völligen Gefallen
hat; so kan sie auch vor sich allein keinen
Krieg anfangen und dadurch das Land in
Unruhe und Unsicherheit setzen, oder auch
gar in das gäntzliche Verderben stürtzen.
Und dannenhero ist die Gewalt Kriege
anzufangen und Friede zu machen dadurch
zugleich eingeschräncket, und brauchet man
hierzu keine andere Mittel.

§. 448.

Endlich damit auch nicht dieRecht zu
denomi-
niren.

Aembter mit untüchtigen Leuten zum Ver-
derben des Landes besetzet werden; so ist

in

und Gewale der Obrigkeit.
lich weil Gewalt ohne Macht nichts iſt: ſo
muß auch jederzeit die Macht ſo weit gehen,
als die Gewalt gehet. Derowegen wo
die Gewalt eingeſchraͤncket wird, muß auch
die Macht eingeſchraͤncket werden. Haͤtte
einer die Macht und koͤnnte es zwingen,
ſo wuͤrde er doch thun, was er wollte, und
nach den Grund-Geſetzen des Staates
wenig fragen. Was huͤlffe es nun, daß
man ihm nicht die hoͤchſte Gewalt haͤtte
einraͤumen wollen? Es geſchaͤhe im letz-
tern Falle eben dieſes, was in dem erſten
geſchehen wuͤrde. Nur dienete es dazu,
daß die Staͤnde und uͤbrige Unterthanen
mehr Urſache zu klagen haͤtten, und da-
durch ihnen ſelbſt mehr Unruhe in ihrem
Gemuͤthe machten. Wenn die hohe Lan-
des-Obrigkeit kein Geld bekommen kan
ohne Einwilligung der Staͤnde, auch die
Armee nicht zu ihrem voͤlligen Gefallen
hat; ſo kan ſie auch vor ſich allein keinen
Krieg anfangen und dadurch das Land in
Unruhe und Unſicherheit ſetzen, oder auch
gar in das gaͤntzliche Verderben ſtuͤrtzen.
Und dannenhero iſt die Gewalt Kriege
anzufangen und Friede zu machen dadurch
zugleich eingeſchraͤncket, und brauchet man
hierzu keine andere Mittel.

§. 448.

Endlich damit auch nicht dieRecht zu
denomi-
niren.

Aembter mit untuͤchtigen Leuten zum Ver-
derben des Landes beſetzet werden; ſo iſt

in
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0493" n="475"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Gewale der Obrigkeit.</hi></fw><lb/>
lich weil Gewalt ohne Macht nichts i&#x017F;t: &#x017F;o<lb/>
muß auch jederzeit die Macht &#x017F;o weit gehen,<lb/>
als die Gewalt gehet. Derowegen wo<lb/>
die Gewalt einge&#x017F;chra&#x0364;ncket wird, muß auch<lb/>
die Macht einge&#x017F;chra&#x0364;ncket werden. Ha&#x0364;tte<lb/>
einer die Macht und ko&#x0364;nnte es zwingen,<lb/>
&#x017F;o wu&#x0364;rde er doch thun, was er wollte, und<lb/>
nach den Grund-Ge&#x017F;etzen des Staates<lb/>
wenig fragen. Was hu&#x0364;lffe es nun, daß<lb/>
man ihm nicht die ho&#x0364;ch&#x017F;te Gewalt ha&#x0364;tte<lb/>
einra&#x0364;umen wollen? Es ge&#x017F;cha&#x0364;he im letz-<lb/>
tern Falle eben die&#x017F;es, was in dem er&#x017F;ten<lb/>
ge&#x017F;chehen wu&#x0364;rde. Nur dienete es dazu,<lb/>
daß die Sta&#x0364;nde und u&#x0364;brige Unterthanen<lb/>
mehr Ur&#x017F;ache zu klagen ha&#x0364;tten, und da-<lb/>
durch ihnen &#x017F;elb&#x017F;t mehr Unruhe in ihrem<lb/>
Gemu&#x0364;the machten. Wenn die hohe Lan-<lb/>
des-Obrigkeit kein Geld bekommen kan<lb/>
ohne Einwilligung der Sta&#x0364;nde, auch die<lb/>
Armee nicht zu ihrem vo&#x0364;lligen Gefallen<lb/>
hat; &#x017F;o kan &#x017F;ie auch vor &#x017F;ich allein keinen<lb/>
Krieg anfangen und dadurch das Land in<lb/>
Unruhe und Un&#x017F;icherheit &#x017F;etzen, oder auch<lb/>
gar in das ga&#x0364;ntzliche Verderben &#x017F;tu&#x0364;rtzen.<lb/>
Und dannenhero i&#x017F;t die Gewalt Kriege<lb/>
anzufangen und Friede zu machen dadurch<lb/>
zugleich einge&#x017F;chra&#x0364;ncket, und brauchet man<lb/>
hierzu keine andere Mittel.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 448.</head>
              <p>Endlich damit auch nicht die<note place="right">Recht zu<lb/>
denomi-<lb/>
niren.</note><lb/>
Aembter mit untu&#x0364;chtigen Leuten zum Ver-<lb/>
derben des Landes be&#x017F;etzet werden; &#x017F;o i&#x017F;t<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">in</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[475/0493] und Gewale der Obrigkeit. lich weil Gewalt ohne Macht nichts iſt: ſo muß auch jederzeit die Macht ſo weit gehen, als die Gewalt gehet. Derowegen wo die Gewalt eingeſchraͤncket wird, muß auch die Macht eingeſchraͤncket werden. Haͤtte einer die Macht und koͤnnte es zwingen, ſo wuͤrde er doch thun, was er wollte, und nach den Grund-Geſetzen des Staates wenig fragen. Was huͤlffe es nun, daß man ihm nicht die hoͤchſte Gewalt haͤtte einraͤumen wollen? Es geſchaͤhe im letz- tern Falle eben dieſes, was in dem erſten geſchehen wuͤrde. Nur dienete es dazu, daß die Staͤnde und uͤbrige Unterthanen mehr Urſache zu klagen haͤtten, und da- durch ihnen ſelbſt mehr Unruhe in ihrem Gemuͤthe machten. Wenn die hohe Lan- des-Obrigkeit kein Geld bekommen kan ohne Einwilligung der Staͤnde, auch die Armee nicht zu ihrem voͤlligen Gefallen hat; ſo kan ſie auch vor ſich allein keinen Krieg anfangen und dadurch das Land in Unruhe und Unſicherheit ſetzen, oder auch gar in das gaͤntzliche Verderben ſtuͤrtzen. Und dannenhero iſt die Gewalt Kriege anzufangen und Friede zu machen dadurch zugleich eingeſchraͤncket, und brauchet man hierzu keine andere Mittel. §. 448.Endlich damit auch nicht die Aembter mit untuͤchtigen Leuten zum Ver- derben des Landes beſetzet werden; ſo iſt in Recht zu denomi- niren.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/493
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 475. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/493>, abgerufen am 22.11.2024.