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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 6. Von der Regierung
werden sie dadurch angehalten ihren mög-
lichsten Fleiß anzuwenden alle Civil Sa-
chen nach den Gesetzen zu entscheiden, und
nicht jemanden zu Liebe oder zu Leide Un-
recht zu sprechen. Und also ist die Appel-
lation
ein Mittel, wodurch nicht allein
denen Partheyen zu ihrem Rechte füglicher
verholffen, sondern auch die Gerichte ver-
bunden werden nach ihrem Wissen und
Gewissen jedem Recht zu sprechen (§. 8.
Mor.). Derowegen wo viel Länder und
Provintzien unter einem Landes-Herren
stehen; so müssen auch die darinnen be-
findlichen Obergerichte noch insgesamt an
ein höchstes Gerichte verwiesen werden,
daran man von ihnen appelliren und über
sie Beschwerde führen kan: welches höchste
Gerichte deswegen das Ober-Appella-
tions-Gerichte
genennet wird. Gleich-
wie es aber nicht möglich ist, daß man im
gemeinen Wesen alles so genau nehmen
kan, vielmehr unterweilen einiges muß
geschehen lassen, was wohl nicht seyn soll-
te, damit die Gerichte nicht mit unend-
lichen Streitigkeiten überhäuffet, auch zu
weiteren Unordnungen dadurch Anlaß ge-
geben werden (§. 401.); so muß auch die
Freyheit zu appelliren eingeschräncket wer-
den, da man die Grösse dessen, worüber
gestritten wird, determiniret, wo man
appelliren kan oder nicht. Unterdessen

damit

Cap. 6. Von der Regierung
werden ſie dadurch angehalten ihren moͤg-
lichſten Fleiß anzuwenden alle Civil Sa-
chen nach den Geſetzen zu entſcheiden, und
nicht jemanden zu Liebe oder zu Leide Un-
recht zu ſprechen. Und alſo iſt die Appel-
lation
ein Mittel, wodurch nicht allein
denen Partheyen zu ihrem Rechte fuͤglicher
verholffen, ſondern auch die Gerichte ver-
bunden werden nach ihrem Wiſſen und
Gewiſſen jedem Recht zu ſprechen (§. 8.
Mor.). Derowegen wo viel Laͤnder und
Provintzien unter einem Landes-Herren
ſtehen; ſo muͤſſen auch die darinnen be-
findlichen Obergerichte noch insgeſamt an
ein hoͤchſtes Gerichte verwieſen werden,
daran man von ihnen appelliren und uͤber
ſie Beſchwerde fuͤhren kan: welches hoͤchſte
Gerichte deswegen das Ober-Appella-
tions-Gerichte
genennet wird. Gleich-
wie es aber nicht moͤglich iſt, daß man im
gemeinen Weſen alles ſo genau nehmen
kan, vielmehr unterweilen einiges muß
geſchehen laſſen, was wohl nicht ſeyn ſoll-
te, damit die Gerichte nicht mit unend-
lichen Streitigkeiten uͤberhaͤuffet, auch zu
weiteren Unordnungen dadurch Anlaß ge-
geben werden (§. 401.); ſo muß auch die
Freyheit zu appelliren eingeſchraͤncket wer-
den, da man die Groͤſſe deſſen, woruͤber
geſtritten wird, determiniret, wo man
appelliren kan oder nicht. Unterdeſſen

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[512/0530] Cap. 6. Von der Regierung werden ſie dadurch angehalten ihren moͤg- lichſten Fleiß anzuwenden alle Civil Sa- chen nach den Geſetzen zu entſcheiden, und nicht jemanden zu Liebe oder zu Leide Un- recht zu ſprechen. Und alſo iſt die Appel- lation ein Mittel, wodurch nicht allein denen Partheyen zu ihrem Rechte fuͤglicher verholffen, ſondern auch die Gerichte ver- bunden werden nach ihrem Wiſſen und Gewiſſen jedem Recht zu ſprechen (§. 8. Mor.). Derowegen wo viel Laͤnder und Provintzien unter einem Landes-Herren ſtehen; ſo muͤſſen auch die darinnen be- findlichen Obergerichte noch insgeſamt an ein hoͤchſtes Gerichte verwieſen werden, daran man von ihnen appelliren und uͤber ſie Beſchwerde fuͤhren kan: welches hoͤchſte Gerichte deswegen das Ober-Appella- tions-Gerichte genennet wird. Gleich- wie es aber nicht moͤglich iſt, daß man im gemeinen Weſen alles ſo genau nehmen kan, vielmehr unterweilen einiges muß geſchehen laſſen, was wohl nicht ſeyn ſoll- te, damit die Gerichte nicht mit unend- lichen Streitigkeiten uͤberhaͤuffet, auch zu weiteren Unordnungen dadurch Anlaß ge- geben werden (§. 401.); ſo muß auch die Freyheit zu appelliren eingeſchraͤncket wer- den, da man die Groͤſſe deſſen, woruͤber geſtritten wird, determiniret, wo man appelliren kan oder nicht. Unterdeſſen damit

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/530>, abgerufen am 22.11.2024.