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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.

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Cap. 6. Von der Regierung
doch nicht, was es einen nutzet, daß man
schon so viel darauf gewendet. Der Ver-
druß bringet viele umb ihre Gesundheit, ja
unterweilen gar umb das Leben und jeder-
mann wird dadurch in seinen Geschäfften
gehindert. Was nun ins besondere die
Criminal-Sachen betrifft; so müssen bey
solchen Verbrechen, da man nicht vorher
sehen kan, ob nicht etwan eine Leibes- oder
Lebens-Straffe erfolgen könnte, die Ver-
brecher in Verhafft gebracht werden. Es
ist aber das Gefängnis eine beschweerliche
Sache, welches man auch deswegen mit
unter die Straffen rechnet. Da nun der
Sicherheit halber einer so lange im Ver-
haffte behalten werden muß, biß die Un-
tersuchung zu Ende gebracht und das Ur-
theil wegen der Bestraffung gefället: so
muß man den Proceß beschleunigen, wo-
ferne man ihn nicht ohne Noth doppelt
straffen will. Und eben deswegen weil das
lange Gefängnis, sonderlich wo der Pro-
reß aufgehalten worden, als eine Straffe
anzusehen; so hat es guten Grund, wenn
man es mit zur Straffe rechnet und nach
Beschaffenheit der Umbstände entweder gar
keine fernere Straffe setzet, oder doch in
dessen Ansehung sie mildert. Wenn die
Ubelthäter, wie es gemeiniglich zu seyn pfle-
get bey solchen, die auf das Leben sitzen,
für sich keine Mittel haben; so müssen sie

von

Cap. 6. Von der Regierung
doch nicht, was es einen nutzet, daß man
ſchon ſo viel darauf gewendet. Der Ver-
druß bringet viele umb ihre Geſundheit, ja
unterweilen gar umb das Leben und jeder-
mann wird dadurch in ſeinen Geſchaͤfften
gehindert. Was nun ins beſondere die
Criminal-Sachen betrifft; ſo muͤſſen bey
ſolchen Verbrechen, da man nicht vorher
ſehen kan, ob nicht etwan eine Leibes- oder
Lebens-Straffe erfolgen koͤnnte, die Ver-
brecher in Verhafft gebracht werden. Es
iſt aber das Gefaͤngnis eine beſchweerliche
Sache, welches man auch deswegen mit
unter die Straffen rechnet. Da nun der
Sicherheit halber einer ſo lange im Ver-
haffte behalten werden muß, biß die Un-
terſuchung zu Ende gebracht und das Ur-
theil wegen der Beſtraffung gefaͤllet: ſo
muß man den Proceß beſchleunigen, wo-
ferne man ihn nicht ohne Noth doppelt
ſtraffen will. Und eben deswegen weil das
lange Gefaͤngnis, ſonderlich wo der Pro-
reß aufgehalten worden, als eine Straffe
anzuſehen; ſo hat es guten Grund, wenn
man es mit zur Straffe rechnet und nach
Beſchaffenheit der Umbſtaͤnde entweder gar
keine fernere Straffe ſetzet, oder doch in
deſſen Anſehung ſie mildert. Wenn die
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[530/0548] Cap. 6. Von der Regierung doch nicht, was es einen nutzet, daß man ſchon ſo viel darauf gewendet. Der Ver- druß bringet viele umb ihre Geſundheit, ja unterweilen gar umb das Leben und jeder- mann wird dadurch in ſeinen Geſchaͤfften gehindert. Was nun ins beſondere die Criminal-Sachen betrifft; ſo muͤſſen bey ſolchen Verbrechen, da man nicht vorher ſehen kan, ob nicht etwan eine Leibes- oder Lebens-Straffe erfolgen koͤnnte, die Ver- brecher in Verhafft gebracht werden. Es iſt aber das Gefaͤngnis eine beſchweerliche Sache, welches man auch deswegen mit unter die Straffen rechnet. Da nun der Sicherheit halber einer ſo lange im Ver- haffte behalten werden muß, biß die Un- terſuchung zu Ende gebracht und das Ur- theil wegen der Beſtraffung gefaͤllet: ſo muß man den Proceß beſchleunigen, wo- ferne man ihn nicht ohne Noth doppelt ſtraffen will. Und eben deswegen weil das lange Gefaͤngnis, ſonderlich wo der Pro- reß aufgehalten worden, als eine Straffe anzuſehen; ſo hat es guten Grund, wenn man es mit zur Straffe rechnet und nach Beſchaffenheit der Umbſtaͤnde entweder gar keine fernere Straffe ſetzet, oder doch in deſſen Anſehung ſie mildert. Wenn die Ubelthaͤter, wie es gemeiniglich zu ſeyn pfle- get bey ſolchen, die auf das Leben ſitzen, fuͤr ſich keine Mittel haben; ſo muͤſſen ſie von

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721, S. 530. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_gesellschaftlichesleben_1721/548>, abgerufen am 22.11.2024.