Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.der hohen Landes-Obrigkeit. auch wohl gar mit Einwilligung ihrer O-brigkeit, denen sie sich auf eine besondere Weise verbündlich gemacht hatten, als in dem sie von ihren Stipendien studiret, in Dienste ein gelassen. Wenn man diese nicht wollte fortziehen lassen, oder wenigstens ihr Vermögen zurücke behalten, da sie in anderen Orten bessere Bedienungen als bey uns haben könnten, so geschähe ihnen groß Unrecht, und man würde sich auch selbst schaden, indem man dadurch andere abschrecken würde in unsere Dienste zuge- hen. Wir setzen demnach das Zwangs- Mittel bey seite und untersuchen, wie man zuwege bringet, daß die Jnnwohner im Lande nicht Lust haben in ein anderes zu- ziehen und sich daselbst mit ihrem Vermö- gen niederzulassen. Es ist bekand, daß der Mensch nichts wil, als was er für gut hält, und hingegen bloß fliehet, was er für böse hält (§. 506. Met.) und im übrigen das vorziehet, was er für besser hält (§. 508. Met.). Sollen demnach die Jnnwohner eines Landes gerne darinnen bleiben wollen, so müssen sie der Meinung seyn, daß sie es darinnen gut haben, oder doch nicht viel schlimmer, oder auch gar nicht schlimmer als in anderen Orten. Woferne sie aber glauben, daß sie es in ihrem Lande schlimm haben und in einem andern besser haben können; so werden sie N n 2
der hohen Landes-Obrigkeit. auch wohl gar mit Einwilligung ihrer O-brigkeit, denen ſie ſich auf eine beſondere Weiſe verbuͤndlich gemacht hatten, als in dem ſie von ihren Stipendien ſtudiret, in Dienſte ein gelaſſen. Wenn man dieſe nicht wollte fortziehen laſſen, oder wenigſtens ihr Vermoͤgen zuruͤcke behalten, da ſie in anderen Orten beſſere Bedienungen als bey uns haben koͤnnten, ſo geſchaͤhe ihnen groß Unrecht, und man wuͤrde ſich auch ſelbſt ſchaden, indem man dadurch andere abſchrecken wuͤrde in unſere Dienſte zuge- hen. Wir ſetzen demnach das Zwangs- Mittel bey ſeite und unterſuchen, wie man zuwege bringet, daß die Jnnwohner im Lande nicht Luſt haben in ein anderes zu- ziehen und ſich daſelbſt mit ihrem Vermoͤ- gen niederzulaſſen. Es iſt bekand, daß der Menſch nichts wil, als was er fuͤr gut haͤlt, und hingegen bloß fliehet, was er fuͤr boͤſe haͤlt (§. 506. Met.) und im uͤbrigen das vorziehet, was er fuͤr beſſer haͤlt (§. 508. Met.). Sollen demnach die Jnnwohner eines Landes gerne darinnen bleiben wollen, ſo muͤſſen ſie der Meinung ſeyn, daß ſie es darinnen gut haben, oder doch nicht viel ſchlimmer, oder auch gar nicht ſchlimmer als in anderen Orten. Woferne ſie aber glauben, daß ſie es in ihrem Lande ſchlimm haben und in einem andern beſſer haben koͤnnen; ſo werden ſie N n 2
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der hohen Landes-Obrigkeit.
auch wohl gar mit Einwilligung ihrer O-
brigkeit, denen ſie ſich auf eine beſondere
Weiſe verbuͤndlich gemacht hatten, als in
dem ſie von ihren Stipendien ſtudiret, in
Dienſte ein gelaſſen. Wenn man dieſe nicht
wollte fortziehen laſſen, oder wenigſtens
ihr Vermoͤgen zuruͤcke behalten, da ſie in
anderen Orten beſſere Bedienungen als
bey uns haben koͤnnten, ſo geſchaͤhe ihnen
groß Unrecht, und man wuͤrde ſich auch
ſelbſt ſchaden, indem man dadurch andere
abſchrecken wuͤrde in unſere Dienſte zuge-
hen. Wir ſetzen demnach das Zwangs-
Mittel bey ſeite und unterſuchen, wie man
zuwege bringet, daß die Jnnwohner im
Lande nicht Luſt haben in ein anderes zu-
ziehen und ſich daſelbſt mit ihrem Vermoͤ-
gen niederzulaſſen. Es iſt bekand, daß
der Menſch nichts wil, als was er fuͤr gut
haͤlt, und hingegen bloß fliehet, was er fuͤr
boͤſe haͤlt (§. 506. Met.) und im uͤbrigen
das vorziehet, was er fuͤr beſſer haͤlt
(§. 508. Met.). Sollen demnach die
Jnnwohner eines Landes gerne darinnen
bleiben wollen, ſo muͤſſen ſie der Meinung
ſeyn, daß ſie es darinnen gut haben, oder
doch nicht viel ſchlimmer, oder auch gar
nicht ſchlimmer als in anderen Orten.
Woferne ſie aber glauben, daß ſie es in
ihrem Lande ſchlimm haben und in einem
andern beſſer haben koͤnnen; ſo werden
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