Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken von dem Gesellschaftlichen Leben der Menschen. Halle (Saale), 1721.Cap. 6. Von der Regierung wie weit sich andere bey uns anbringenlassen: so sollte man auch ein besonderes Ambt haben, welches aus lauter Perso- nen bestünde, die im Nachdencken sehr ge- übet und in nöthigen Wissenschafften wohl beschlagen wären, damit sie alles, was von weitläufftiger Uberlegung vorkäme, auf das genaueste untersuchten und über- haupt die zur Verbesserung des Landes nö- thige Wahrheiten zu erfinden ihnen ange- legen seyn liessen. Da nun die Kunst zu er- finden der höchste Grad der Vollkommen- heit ist, den unser Verstand erreichen kan (§. 304. Mor.) und keine neue Wahr- heiten sich anders, als aus einigen, die schon bekand sind, erfinden lassen (§. 362. Met.); so können auch keine andere als Grundgelehrte Leute dazu genommen wer- den und die vorher einige Jahre in andern Raths-Collegiis gesessen und der Sachen, die darinnen vorkommen, dadurch kundig worden. Dem Mangel eines solchen Ambtes ist es zuzuschreiben, daß man heu- te zu Tage so viele fruchtlose und Land ver- derbliche Anschläge hin und wieder hat. Unerachtet aber auch die Academie der Wissenschafften alle Einrichtungen, die man in einem Staate hat, sie mögen Po- licey-Cammer- oder andere Sachen betref- fen, so sorgfältig als andere Wahrheiten untersuchen soll (§. 306), so bleibet sie doch
Cap. 6. Von der Regierung wie weit ſich andere bey uns anbringenlaſſen: ſo ſollte man auch ein beſonderes Ambt haben, welches aus lauter Perſo- nen beſtuͤnde, die im Nachdencken ſehr ge- uͤbet und in noͤthigen Wiſſenſchafften wohl beſchlagen waͤren, damit ſie alles, was von weitlaͤufftiger Uberlegung vorkaͤme, auf das genaueſte unterſuchten und uͤber- haupt die zur Verbeſſerung des Landes noͤ- thige Wahrheiten zu erfinden ihnen ange- legen ſeyn lieſſen. Da nun die Kunſt zu er- finden der hoͤchſte Grad der Vollkommen- heit iſt, den unſer Verſtand erreichen kan (§. 304. Mor.) und keine neue Wahr- heiten ſich anders, als aus einigen, die ſchon bekand ſind, erfinden laſſen (§. 362. Met.); ſo koͤnnen auch keine andere als Grundgelehrte Leute dazu genommen wer- den und die vorher einige Jahre in andern Raths-Collegiis geſeſſen und der Sachen, die darinnen vorkommen, dadurch kundig worden. Dem Mangel eines ſolchen Ambtes iſt es zuzuſchreiben, daß man heu- te zu Tage ſo viele fruchtloſe und Land ver- derbliche Anſchlaͤge hin und wieder hat. Unerachtet aber auch die Academie der Wiſſenſchafften alle Einrichtungen, die man in einem Staate hat, ſie moͤgen Po- licey-Cammer- oder andere Sachen betref- fen, ſo ſorgfaͤltig als andere Wahrheiten unterſuchen ſoll (§. 306), ſo bleibet ſie doch
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Cap. 6. Von der Regierung
wie weit ſich andere bey uns anbringen
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Ambt haben, welches aus lauter Perſo-
nen beſtuͤnde, die im Nachdencken ſehr ge-
uͤbet und in noͤthigen Wiſſenſchafften wohl
beſchlagen waͤren, damit ſie alles, was
von weitlaͤufftiger Uberlegung vorkaͤme,
auf das genaueſte unterſuchten und uͤber-
haupt die zur Verbeſſerung des Landes noͤ-
thige Wahrheiten zu erfinden ihnen ange-
legen ſeyn lieſſen. Da nun die Kunſt zu er-
finden der hoͤchſte Grad der Vollkommen-
heit iſt, den unſer Verſtand erreichen
kan (§. 304. Mor.) und keine neue Wahr-
heiten ſich anders, als aus einigen, die
ſchon bekand ſind, erfinden laſſen (§. 362.
Met.); ſo koͤnnen auch keine andere als
Grundgelehrte Leute dazu genommen wer-
den und die vorher einige Jahre in andern
Raths-Collegiis geſeſſen und der Sachen,
die darinnen vorkommen, dadurch kundig
worden. Dem Mangel eines ſolchen
Ambtes iſt es zuzuſchreiben, daß man heu-
te zu Tage ſo viele fruchtloſe und Land ver-
derbliche Anſchlaͤge hin und wieder hat.
Unerachtet aber auch die Academie der
Wiſſenſchafften alle Einrichtungen, die
man in einem Staate hat, ſie moͤgen Po-
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