Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Vorrede. auf die Erfahrung erbauet. Jch hal-te auch dieses für den sichersten Weg, daß man weiter nichts annimmet als einen Grund, daraus man andere Dinge erkläret, ausser was durch die Erfahrung bestetiget wird. Und schei- net es mir noch viel zu zeitig zu seyn, daß man, wie z. E. CARTESIUS ge- than, gewisse allgemeine Gründe, als Clemente der Dinge setzet, daraus man alles durch den blossen Verstand her- leiten will, was in der Natur möglich ist. Wo man einmahl diesen Schluß gefasset, da hänget man seinen Gedan- cken nach und fänget an zu dichten, wenn es die Umstände noch nicht leiden, daß man hinter die Wahrheit kommen kan. Gleichwie ich aber in keiner Sache niemanden etwas aufzudrin- gen suche, sondern einem jeden überlas- se, wie weit ihn die von mir ange- führten Gründe zum Beyfalle bewe- gen; so wird man auch hier ein gleiches finden. Jch meines Ortes suche nichts durch Zwang; sondern liebe, was freywillig kommet, halte es aber alle- zeit
Vorrede. auf die Erfahrung erbauet. Jch hal-te auch dieſes fuͤr den ſicherſten Weg, daß man weiter nichts annimmet als einen Grund, daraus man andere Dinge erklaͤret, auſſer was durch die Erfahrung beſtetiget wird. Und ſchei- net es mir noch viel zu zeitig zu ſeyn, daß man, wie z. E. CARTESIUS ge- than, gewiſſe allgemeine Gruͤnde, als Clemente der Dinge ſetzet, daraus man alles durch den bloſſen Verſtand her- leiten will, was in der Natur moͤglich iſt. Wo man einmahl dieſen Schluß gefaſſet, da haͤnget man ſeinen Gedan- cken nach und faͤnget an zu dichten, wenn es die Umſtaͤnde noch nicht leiden, daß man hinter die Wahrheit kommen kan. Gleichwie ich aber in keiner Sache niemanden etwas aufzudrin- gen ſuche, ſondern einem jeden uͤberlaſ- ſe, wie weit ihn die von mir ange- fuͤhrten Gruͤnde zum Beyfalle bewe- gen; ſo wird man auch hier ein gleiches finden. Jch meines Ortes ſuche nichts durch Zwang; ſondern liebe, was freywillig kommet, halte es aber alle- zeit
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Vorrede.
auf die Erfahrung erbauet. Jch hal-
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daß man weiter nichts annimmet als
einen Grund, daraus man andere
Dinge erklaͤret, auſſer was durch die
Erfahrung beſtetiget wird. Und ſchei-
net es mir noch viel zu zeitig zu ſeyn,
daß man, wie z. E. CARTESIUS ge-
than, gewiſſe allgemeine Gruͤnde, als
Clemente der Dinge ſetzet, daraus man
alles durch den bloſſen Verſtand her-
leiten will, was in der Natur moͤglich
iſt. Wo man einmahl dieſen Schluß
gefaſſet, da haͤnget man ſeinen Gedan-
cken nach und faͤnget an zu dichten,
wenn es die Umſtaͤnde noch nicht leiden,
daß man hinter die Wahrheit kommen
kan. Gleichwie ich aber in keiner
Sache niemanden etwas aufzudrin-
gen ſuche, ſondern einem jeden uͤberlaſ-
ſe, wie weit ihn die von mir ange-
fuͤhrten Gruͤnde zum Beyfalle bewe-
gen; ſo wird man auch hier ein gleiches
finden. Jch meines Ortes ſuche nichts
durch Zwang; ſondern liebe, was
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