tende Materie oben in der Lufft mit der Materie des Blitzes für einerley halten sol- te. Daß aber kein Blitz daraus erzeuget wird, ist die Ursache diese, weil die Materie zu sehr ausgebreitet, und nicht dicke genung bey einander ist, daß sie sich entzünden kön- te (§. 321). Und deswegen habe ich den Nord-Schein ein unvollkommenes Gewit- ter genennet. Was die Strahlen betrifft, welche in die Höhe schiessen; so siehet man wohl, daß sich eine Materie in die Höhe be- wegen muß. Es ist aber die Frage, ob es bloß Dünste und Dämpffe in der unteren Lufft sind, die von dem starcken Lichte er- leuchtet werden, oder ob es viel mehr selbst von der Materie ist, welche leuchtet. Da diese Strahlen sich dem Winde entgegen beweget (§. 343) können sie nicht in der nie- drigen Lufft gewesen seyn, wo die Wol- cken und Dünste sind, die von dem Winde getrieben werden. Es ist wohl wahr, daß es das Ansehen unterweilen hat, als wenn sie aus dem Bogen führen, wie es auch vie- le beschreiben, die den Nord-Schein obser- viret: allein wir finden auch, daß Strah- len in die Höhe schiessen, wo kein Bogen ge- sehen wird, gleichsam als wenn sie aus dun- ckelen Wolcken kämen (b): ja auch, daß
Strah-
(b)Acta Erud. A. 1716. p. 360
Cap. VIII. Von dem Blitze
tende Materie oben in der Lufft mit der Materie des Blitzes fuͤr einerley halten ſol- te. Daß aber kein Blitz daraus erzeuget wird, iſt die Urſache dieſe, weil die Materie zu ſehr ausgebreitet, und nicht dicke genung bey einander iſt, daß ſie ſich entzuͤnden koͤn- te (§. 321). Und deswegen habe ich den Nord-Schein ein unvollkommenes Gewit- ter genennet. Was die Strahlen betrifft, welche in die Hoͤhe ſchieſſen; ſo ſiehet man wohl, daß ſich eine Materie in die Hoͤhe be- wegen muß. Es iſt aber die Frage, ob es bloß Duͤnſte und Daͤmpffe in der unteren Lufft ſind, die von dem ſtarcken Lichte er- leuchtet werden, oder ob es viel mehr ſelbſt von der Materie iſt, welche leuchtet. Da dieſe Strahlen ſich dem Winde entgegen beweget (§. 343) koͤnnen ſie nicht in der nie- drigen Lufft geweſen ſeyn, wo die Wol- cken und Duͤnſte ſind, die von dem Winde getrieben werden. Es iſt wohl wahr, daß es das Anſehen unterweilen hat, als wenn ſie aus dem Bogen fuͤhren, wie es auch vie- le beſchreiben, die den Nord-Schein obſer- viret: allein wir finden auch, daß Strah- len in die Hoͤhe ſchieſſen, wo kein Bogen ge- ſehen wird, gleichſam als wenn ſie aus dun- ckelen Wolcken kaͤmen (b): ja auch, daß
Strah-
(b)Acta Erud. A. 1716. p. 360
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Cap. VIII. Von dem Blitze
tende Materie oben in der Lufft mit der
Materie des Blitzes fuͤr einerley halten ſol-
te. Daß aber kein Blitz daraus erzeuget
wird, iſt die Urſache dieſe, weil die Materie
zu ſehr ausgebreitet, und nicht dicke genung
bey einander iſt, daß ſie ſich entzuͤnden koͤn-
te (§. 321). Und deswegen habe ich den
Nord-Schein ein unvollkommenes Gewit-
ter genennet. Was die Strahlen betrifft,
welche in die Hoͤhe ſchieſſen; ſo ſiehet man
wohl, daß ſich eine Materie in die Hoͤhe be-
wegen muß. Es iſt aber die Frage, ob es
bloß Duͤnſte und Daͤmpffe in der unteren
Lufft ſind, die von dem ſtarcken Lichte er-
leuchtet werden, oder ob es viel mehr ſelbſt
von der Materie iſt, welche leuchtet. Da
dieſe Strahlen ſich dem Winde entgegen
beweget (§. 343) koͤnnen ſie nicht in der nie-
drigen Lufft geweſen ſeyn, wo die Wol-
cken und Duͤnſte ſind, die von dem Winde
getrieben werden. Es iſt wohl wahr, daß
es das Anſehen unterweilen hat, als wenn
ſie aus dem Bogen fuͤhren, wie es auch vie-
le beſchreiben, die den Nord-Schein obſer-
viret: allein wir finden auch, daß Strah-
len in die Hoͤhe ſchieſſen, wo kein Bogen ge-
ſehen wird, gleichſam als wenn ſie aus dun-
ckelen Wolcken kaͤmen (b): ja auch, daß
Strah-
(b) Acta Erud. A. 1716. p. 360
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/516>, abgerufen am 22.11.2024.
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