Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.Cap. IX. Von dem Wasser Exper.). Wir sehen solches bey denMühlen: da hat das Wasser mehr Krafft, je tieffer es fallen kan, folgends je schneller es sich beweget (§. 1. T. II. Exper.), inglei- chen je mehr dasselbe sich auf einmahl in das Gerinne ergeußt. Und dieses ist auch die Ursache, warum weniges Wasser mehr Stärcke bekommet, wenn man das Schutz- Brett vorsetzet und nur eine kleine Eröffnung übrig lässet, dadurch es in das Gerinne kom- men kan. Denn das Wasser thürmet sich in die Höhe, biß durch die enge Eröffnung in einer Minute so viel Wasser gehet als vor- her an dem Orte durch floß, da es Freyheit hatte sich zu bewegen (§. 348. Es nimmet demnach mit der Geschwindigkeit die Stär- cke des Wassers zu. Wenn das Wasser in dem Flusse wächset, so stehet es höher als vorher. Derowegen wird die Bewegung geschwinder (§. cit.) und dadurch erhält es mehr Krafft. Wenn dem anwachsenden Wasser etwas in seiner Bewegung wieder- stehet, z. E. eine steinerne Brücken die mit niedrigen engen Bogen geschlossen ist: so wird das Wasser vor der Brücke immer hö- her, bis es so hoch stehet, daß das untere bey der Eröffnung der Bogen so geschwinde sich beweget, als nöthig ist, wenn dadurch in ei- ner Minute sich so viel Wasser bewegen sol als in einem andern Orte des Flusses, wo es seinen freyen Lauff hat (§. cit.). Da nun die
Cap. IX. Von dem Waſſer Exper.). Wir ſehen ſolches bey denMuͤhlen: da hat das Waſſer mehr Krafft, je tieffer es fallen kan, folgends je ſchneller es ſich beweget (§. 1. T. II. Exper.), inglei- chen je mehr daſſelbe ſich auf einmahl in das Gerinne ergeußt. Und dieſes iſt auch die Urſache, warum weniges Waſſer mehr Staͤrcke bekommet, wenn man das Schutz- Brett vorſetzet und nur eine kleine Eroͤffnung uͤbrig laͤſſet, dadurch es in das Gerinne kom- men kan. Denn das Waſſer thuͤrmet ſich in die Hoͤhe, biß durch die enge Eroͤffnung in einer Minute ſo viel Waſſer gehet als vor- her an dem Orte durch floß, da es Freyheit hatte ſich zu bewegen (§. 348. Es nimmet demnach mit der Geſchwindigkeit die Staͤr- cke des Waſſers zu. Wenn das Waſſer in dem Fluſſe waͤchſet, ſo ſtehet es hoͤher als vorher. Derowegen wird die Bewegung geſchwinder (§. cit.) und dadurch erhaͤlt es mehr Krafft. Wenn dem anwachſenden Waſſer etwas in ſeiner Bewegung wieder- ſtehet, z. E. eine ſteinerne Bruͤcken die mit niedrigen engen Bogen geſchloſſen iſt: ſo wird das Waſſer vor der Bruͤcke immer hoͤ- her, bis es ſo hoch ſtehet, daß das untere bey der Eroͤffnung der Bogen ſo geſchwinde ſich beweget, als noͤthig iſt, wenn dadurch in ei- ner Minute ſich ſo viel Waſſer bewegen ſol als in einem andern Orte des Fluſſes, wo es ſeinen freyen Lauff hat (§. cit.). Da nun die
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0548" n="512"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Cap. IX.</hi> Von dem Waſſer</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">Exper.</hi>). Wir ſehen ſolches bey den<lb/> Muͤhlen: da hat das Waſſer mehr Krafft,<lb/> je tieffer es fallen kan, folgends je ſchneller es<lb/> ſich beweget (§. 1. <hi rendition="#aq">T. II. Exper.</hi>), inglei-<lb/> chen je mehr daſſelbe ſich auf einmahl in das<lb/> Gerinne ergeußt. Und dieſes iſt auch die<lb/> Urſache, warum weniges Waſſer mehr<lb/> Staͤrcke bekommet, wenn man das Schutz-<lb/> Brett vorſetzet und nur eine kleine Eroͤffnung<lb/> uͤbrig laͤſſet, dadurch es in das Gerinne kom-<lb/> men kan. Denn das Waſſer thuͤrmet ſich<lb/> in die Hoͤhe, biß durch die enge Eroͤffnung in<lb/> einer Minute ſo viel Waſſer gehet als vor-<lb/> her an dem Orte durch floß, da es Freyheit<lb/> hatte ſich zu bewegen (§. 348. Es nimmet<lb/> demnach mit der Geſchwindigkeit die Staͤr-<lb/> cke des Waſſers zu. Wenn das Waſſer<lb/> in dem Fluſſe waͤchſet, ſo ſtehet es hoͤher als<lb/> vorher. Derowegen wird die Bewegung<lb/> geſchwinder (§. <hi rendition="#aq">cit.</hi>) und dadurch erhaͤlt es<lb/> mehr Krafft. Wenn dem anwachſenden<lb/> Waſſer etwas in ſeiner Bewegung wieder-<lb/> ſtehet, z. E. eine ſteinerne Bruͤcken die mit<lb/> niedrigen engen Bogen geſchloſſen iſt: ſo<lb/> wird das Waſſer vor der Bruͤcke immer hoͤ-<lb/> her, bis es ſo hoch ſtehet, daß das untere bey<lb/> der Eroͤffnung der Bogen ſo geſchwinde ſich<lb/> beweget, als noͤthig iſt, wenn dadurch in ei-<lb/> ner Minute ſich ſo viel Waſſer bewegen ſol<lb/> als in einem andern Orte des Fluſſes, wo es<lb/> ſeinen freyen Lauff hat (§. <hi rendition="#aq">cit.</hi>). Da nun<lb/> <fw place="bottom" type="catch">die</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [512/0548]
Cap. IX. Von dem Waſſer
Exper.). Wir ſehen ſolches bey den
Muͤhlen: da hat das Waſſer mehr Krafft,
je tieffer es fallen kan, folgends je ſchneller es
ſich beweget (§. 1. T. II. Exper.), inglei-
chen je mehr daſſelbe ſich auf einmahl in das
Gerinne ergeußt. Und dieſes iſt auch die
Urſache, warum weniges Waſſer mehr
Staͤrcke bekommet, wenn man das Schutz-
Brett vorſetzet und nur eine kleine Eroͤffnung
uͤbrig laͤſſet, dadurch es in das Gerinne kom-
men kan. Denn das Waſſer thuͤrmet ſich
in die Hoͤhe, biß durch die enge Eroͤffnung in
einer Minute ſo viel Waſſer gehet als vor-
her an dem Orte durch floß, da es Freyheit
hatte ſich zu bewegen (§. 348. Es nimmet
demnach mit der Geſchwindigkeit die Staͤr-
cke des Waſſers zu. Wenn das Waſſer
in dem Fluſſe waͤchſet, ſo ſtehet es hoͤher als
vorher. Derowegen wird die Bewegung
geſchwinder (§. cit.) und dadurch erhaͤlt es
mehr Krafft. Wenn dem anwachſenden
Waſſer etwas in ſeiner Bewegung wieder-
ſtehet, z. E. eine ſteinerne Bruͤcken die mit
niedrigen engen Bogen geſchloſſen iſt: ſo
wird das Waſſer vor der Bruͤcke immer hoͤ-
her, bis es ſo hoch ſtehet, daß das untere bey
der Eroͤffnung der Bogen ſo geſchwinde ſich
beweget, als noͤthig iſt, wenn dadurch in ei-
ner Minute ſich ſo viel Waſſer bewegen ſol
als in einem andern Orte des Fluſſes, wo es
ſeinen freyen Lauff hat (§. cit.). Da nun
die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |