Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. XVI. Von Erzeugung
wandlungen leidet. Es können demnach
auch wohl in einigen Dingen kleine Thier-
lein vorhanden seyn, die wir mit blossen
Augen zusehen nicht vermögend sind (§.
85. Met.), durch deren Verwandlung
nach und nach grössere heraus kommen, die
sichtbahr werden. Denn es ist der Er-
fahrung nicht zu wieder, daß die verwan-
delten grösser sind als diejenigen, welche
sich verwandelt haben. Ein jeder siehet,
daß wir hier von der natürlichen Erzeu-
gung reden; nicht aber davon, was Gott
auf eine übernatürliche Art oder durch ein
Wunder-Werck bewerckstelliget (§. 633
Met.)

Ob der
Saame
des Man-
nes in die
Mutter
kommet.
§. 440.

Wenn der Beyschlaff frucht-
bahr seyn soll, muß der männliche Saa-
me sich in die Geburts-Glieder des Wei-
bes ergiessen, als welcher vermöge der be-
ständigen Erfahrung zur Erzeugung na-
türlicher Weise nöthig ist. Harvaeus, wel-
cher der erste gewesen, der die Erzeugung
der Menschen und Thiere durch angestellte
Versuche zu untersuchen angefangen, hat
in dem Thier-Garten des Königes von En-
gelland viele Hündinnen oder Thiere, so-
wohl von Hirschen, als Tann-Hirschen, die
Brunst-Zeit über eröffnet, aber nicht das
geringste von dem Saamen darinnen an-
getroffen, unerachtet sie täglich mit ihren

Männ-

Cap. XVI. Von Erzeugung
wandlungen leidet. Es koͤnnen demnach
auch wohl in einigen Dingen kleine Thier-
lein vorhanden ſeyn, die wir mit bloſſen
Augen zuſehen nicht vermoͤgend ſind (§.
85. Met.), durch deren Verwandlung
nach und nach groͤſſere heraus kommen, die
ſichtbahr werden. Denn es iſt der Er-
fahrung nicht zu wieder, daß die verwan-
delten groͤſſer ſind als diejenigen, welche
ſich verwandelt haben. Ein jeder ſiehet,
daß wir hier von der natuͤrlichen Erzeu-
gung reden; nicht aber davon, was Gott
auf eine uͤbernatuͤrliche Art oder durch ein
Wunder-Werck bewerckſtelliget (§. 633
Met.)

Ob der
Saame
des Man-
nes in die
Mutter
kommet.
§. 440.

Wenn der Beyſchlaff frucht-
bahr ſeyn ſoll, muß der maͤnnliche Saa-
me ſich in die Geburts-Glieder des Wei-
bes ergieſſen, als welcher vermoͤge der be-
ſtaͤndigen Erfahrung zur Erzeugung na-
tuͤrlicher Weiſe noͤthig iſt. Harvæus, wel-
cher der erſte geweſen, der die Erzeugung
der Menſchen und Thiere durch angeſtellte
Verſuche zu unterſuchen angefangen, hat
in dem Thier-Garten des Koͤniges von En-
gelland viele Huͤndinnen oder Thiere, ſo-
wohl von Hirſchen, als Tann-Hirſchen, die
Brunſt-Zeit uͤber eroͤffnet, aber nicht das
geringſte von dem Saamen darinnen an-
getroffen, unerachtet ſie taͤglich mit ihren

Maͤnn-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0746" n="710"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Cap. XVI.</hi> Von Erzeugung</hi></fw><lb/>
wandlungen leidet. Es ko&#x0364;nnen demnach<lb/>
auch wohl in einigen Dingen kleine Thier-<lb/>
lein vorhanden &#x017F;eyn, die wir mit blo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Augen zu&#x017F;ehen nicht vermo&#x0364;gend &#x017F;ind (§.<lb/>
85. <hi rendition="#aq">Met.</hi>), durch deren Verwandlung<lb/>
nach und nach gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;ere heraus kommen, die<lb/>
&#x017F;ichtbahr werden. Denn es i&#x017F;t der Er-<lb/>
fahrung nicht zu wieder, daß die verwan-<lb/>
delten gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ind als diejenigen, welche<lb/>
&#x017F;ich verwandelt haben. Ein jeder &#x017F;iehet,<lb/>
daß wir hier von der natu&#x0364;rlichen Erzeu-<lb/>
gung reden; nicht aber davon, was Gott<lb/>
auf eine u&#x0364;bernatu&#x0364;rliche Art oder durch ein<lb/>
Wunder-Werck bewerck&#x017F;telliget (§. 633<lb/><hi rendition="#aq">Met.</hi>)</p><lb/>
              <note place="left">Ob der<lb/>
Saame<lb/>
des Man-<lb/>
nes in die<lb/>
Mutter<lb/>
kommet.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 440.</head>
              <p>Wenn der Bey&#x017F;chlaff frucht-<lb/>
bahr &#x017F;eyn &#x017F;oll, muß der ma&#x0364;nnliche Saa-<lb/>
me &#x017F;ich in die Geburts-Glieder des Wei-<lb/>
bes ergie&#x017F;&#x017F;en, als welcher vermo&#x0364;ge der be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndigen Erfahrung zur Erzeugung na-<lb/>
tu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e no&#x0364;thig i&#x017F;t. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Harvæus</hi>,</hi> wel-<lb/>
cher der er&#x017F;te gewe&#x017F;en, der die Erzeugung<lb/>
der Men&#x017F;chen und Thiere durch ange&#x017F;tellte<lb/>
Ver&#x017F;uche zu unter&#x017F;uchen angefangen, hat<lb/>
in dem Thier-Garten des Ko&#x0364;niges von En-<lb/>
gelland viele Hu&#x0364;ndinnen oder Thiere, &#x017F;o-<lb/>
wohl von Hir&#x017F;chen, als Tann-Hir&#x017F;chen, die<lb/>
Brun&#x017F;t-Zeit u&#x0364;ber ero&#x0364;ffnet, aber nicht das<lb/>
gering&#x017F;te von dem Saamen darinnen an-<lb/>
getroffen, unerachtet &#x017F;ie ta&#x0364;glich mit ihren<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ma&#x0364;nn-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[710/0746] Cap. XVI. Von Erzeugung wandlungen leidet. Es koͤnnen demnach auch wohl in einigen Dingen kleine Thier- lein vorhanden ſeyn, die wir mit bloſſen Augen zuſehen nicht vermoͤgend ſind (§. 85. Met.), durch deren Verwandlung nach und nach groͤſſere heraus kommen, die ſichtbahr werden. Denn es iſt der Er- fahrung nicht zu wieder, daß die verwan- delten groͤſſer ſind als diejenigen, welche ſich verwandelt haben. Ein jeder ſiehet, daß wir hier von der natuͤrlichen Erzeu- gung reden; nicht aber davon, was Gott auf eine uͤbernatuͤrliche Art oder durch ein Wunder-Werck bewerckſtelliget (§. 633 Met.) §. 440. Wenn der Beyſchlaff frucht- bahr ſeyn ſoll, muß der maͤnnliche Saa- me ſich in die Geburts-Glieder des Wei- bes ergieſſen, als welcher vermoͤge der be- ſtaͤndigen Erfahrung zur Erzeugung na- tuͤrlicher Weiſe noͤthig iſt. Harvæus, wel- cher der erſte geweſen, der die Erzeugung der Menſchen und Thiere durch angeſtellte Verſuche zu unterſuchen angefangen, hat in dem Thier-Garten des Koͤniges von En- gelland viele Huͤndinnen oder Thiere, ſo- wohl von Hirſchen, als Tann-Hirſchen, die Brunſt-Zeit uͤber eroͤffnet, aber nicht das geringſte von dem Saamen darinnen an- getroffen, unerachtet ſie taͤglich mit ihren Maͤnn-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/746
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 710. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/746>, abgerufen am 25.11.2024.