Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723.

Bild:
<< vorherige Seite

Cap. I. Von dem Wesen
determiniren? Wir haben gesehen, daß
es viel besser gehet, wenn wir solches noch
zur Zeit unterlassen (§. 32.). Wird man
in Erkäntnis der Natur weiter gehen, und
in den Stand kommen, da man mit meh-
rerer Zuverläßigkeit den Unterscheid der
Materien determiniren kan, die man zu
Erklärung nicht der gantzen Natur, son-
dern nur ihrer sichtbahren Würckungen
vonnöthen hat: so ist es Zeit genung dar-
an zugedencken. Weil wir nun alle Ele-
menten-Sorge noch zur Zeit für unnütze
halten, als die noch viel zu frühzeitig ist; so
wäre es auch eine vergebene Sache, wenn
wir uns mit Wiederlegung ungegründeter
Meinungen aufhalten wollten. Es ist ge-
nung, daß wir versichert sind alle Meinun-
gen, die man zur Zeit aufbringen kan, müssen
ungegründet seyn.

Absichten
der na-
türlichen
Dinge
und wie
sie zu de-
termini-
ren.
§. 34.

Die Figuren entstehen in der
Materie durch die unterschiedenen Bewe-
gungen (§. 8) und alle Aenderungen in der
Natur werden gleichfals durch die Bewe-
gungen bewerckstelliget (§. 615. Met.).
Nun kan kein Cörper durch seine Bewe-
gung etwas in dem andern ändern, als
wenn er an ihm stösset (§. 664. Met.), fol-
gends ihn berühret. Derowegen depen-
di
ret ein jeder Cörper in der Welt von an-
dern, die um ihn sind und ihn berühren.
Solchergestalt ist immer ein Cörper um

des

Cap. I. Von dem Weſen
determiniren? Wir haben geſehen, daß
es viel beſſer gehet, wenn wir ſolches noch
zur Zeit unterlaſſen (§. 32.). Wird man
in Erkaͤntnis der Natur weiter gehen, und
in den Stand kommen, da man mit meh-
rerer Zuverlaͤßigkeit den Unterſcheid der
Materien determiniren kan, die man zu
Erklaͤrung nicht der gantzen Natur, ſon-
dern nur ihrer ſichtbahren Wuͤrckungen
vonnoͤthen hat: ſo iſt es Zeit genung dar-
an zugedencken. Weil wir nun alle Ele-
menten-Sorge noch zur Zeit fuͤr unnuͤtze
halten, als die noch viel zu fruͤhzeitig iſt; ſo
waͤre es auch eine vergebene Sache, wenn
wir uns mit Wiederlegung ungegruͤndeter
Meinungen aufhalten wollten. Es iſt ge-
nung, daß wir verſichert ſind alle Meinun-
gen, die man zur Zeit aufbringen kan, muͤſſen
ungegruͤndet ſeyn.

Abſichten
der na-
tuͤrlichen
Dinge
und wie
ſie zu de-
termini-
ren.
§. 34.

Die Figuren entſtehen in der
Materie durch die unterſchiedenen Bewe-
gungen (§. 8) und alle Aenderungen in der
Natur werden gleichfals durch die Bewe-
gungen bewerckſtelliget (§. 615. Met.).
Nun kan kein Coͤrper durch ſeine Bewe-
gung etwas in dem andern aͤndern, als
wenn er an ihm ſtoͤſſet (§. 664. Met.), fol-
gends ihn beruͤhret. Derowegen depen-
di
ret ein jeder Coͤrper in der Welt von an-
dern, die um ihn ſind und ihn beruͤhren.
Solchergeſtalt iſt immer ein Coͤrper um

des
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0098" n="62"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">Cap. I.</hi> Von dem We&#x017F;en</hi></fw><lb/><hi rendition="#aq">determini</hi>ren? Wir haben ge&#x017F;ehen, daß<lb/>
es viel be&#x017F;&#x017F;er gehet, wenn wir &#x017F;olches noch<lb/>
zur Zeit unterla&#x017F;&#x017F;en (§. 32.). Wird man<lb/>
in Erka&#x0364;ntnis der Natur weiter gehen, und<lb/>
in den Stand kommen, da man mit meh-<lb/>
rerer Zuverla&#x0364;ßigkeit den Unter&#x017F;cheid der<lb/>
Materien <hi rendition="#aq">determini</hi>ren kan, die man zu<lb/>
Erkla&#x0364;rung nicht der gantzen Natur, &#x017F;on-<lb/>
dern nur ihrer &#x017F;ichtbahren Wu&#x0364;rckungen<lb/>
vonno&#x0364;then hat: &#x017F;o i&#x017F;t es Zeit genung dar-<lb/>
an zugedencken. Weil wir nun alle Ele-<lb/>
menten-Sorge noch zur Zeit fu&#x0364;r unnu&#x0364;tze<lb/>
halten, als die noch viel zu fru&#x0364;hzeitig i&#x017F;t; &#x017F;o<lb/>
wa&#x0364;re es auch eine vergebene Sache, wenn<lb/>
wir uns mit Wiederlegung ungegru&#x0364;ndeter<lb/>
Meinungen aufhalten wollten. Es i&#x017F;t ge-<lb/>
nung, daß wir ver&#x017F;ichert &#x017F;ind alle Meinun-<lb/>
gen, die man zur Zeit aufbringen kan, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en<lb/>
ungegru&#x0364;ndet &#x017F;eyn.</p><lb/>
              <note place="left">Ab&#x017F;ichten<lb/>
der na-<lb/>
tu&#x0364;rlichen<lb/>
Dinge<lb/>
und wie<lb/>
&#x017F;ie zu de-<lb/>
termini-<lb/>
ren.</note>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 34.</head>
              <p>Die Figuren ent&#x017F;tehen in der<lb/>
Materie durch die unter&#x017F;chiedenen Bewe-<lb/>
gungen (§. 8) und alle Aenderungen in der<lb/>
Natur werden gleichfals durch die Bewe-<lb/>
gungen bewerck&#x017F;telliget (§. 615. <hi rendition="#aq">Met.</hi>).<lb/>
Nun kan kein Co&#x0364;rper durch &#x017F;eine Bewe-<lb/>
gung etwas in dem andern a&#x0364;ndern, als<lb/>
wenn er an ihm &#x017F;to&#x0364;&#x017F;&#x017F;et (§. 664. <hi rendition="#aq">Met.</hi>), fol-<lb/>
gends ihn beru&#x0364;hret. Derowegen <hi rendition="#aq">depen-<lb/>
di</hi>ret ein jeder Co&#x0364;rper in der Welt von an-<lb/>
dern, die um ihn &#x017F;ind und ihn beru&#x0364;hren.<lb/>
Solcherge&#x017F;talt i&#x017F;t immer ein Co&#x0364;rper um<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">des</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0098] Cap. I. Von dem Weſen determiniren? Wir haben geſehen, daß es viel beſſer gehet, wenn wir ſolches noch zur Zeit unterlaſſen (§. 32.). Wird man in Erkaͤntnis der Natur weiter gehen, und in den Stand kommen, da man mit meh- rerer Zuverlaͤßigkeit den Unterſcheid der Materien determiniren kan, die man zu Erklaͤrung nicht der gantzen Natur, ſon- dern nur ihrer ſichtbahren Wuͤrckungen vonnoͤthen hat: ſo iſt es Zeit genung dar- an zugedencken. Weil wir nun alle Ele- menten-Sorge noch zur Zeit fuͤr unnuͤtze halten, als die noch viel zu fruͤhzeitig iſt; ſo waͤre es auch eine vergebene Sache, wenn wir uns mit Wiederlegung ungegruͤndeter Meinungen aufhalten wollten. Es iſt ge- nung, daß wir verſichert ſind alle Meinun- gen, die man zur Zeit aufbringen kan, muͤſſen ungegruͤndet ſeyn. §. 34. Die Figuren entſtehen in der Materie durch die unterſchiedenen Bewe- gungen (§. 8) und alle Aenderungen in der Natur werden gleichfals durch die Bewe- gungen bewerckſtelliget (§. 615. Met.). Nun kan kein Coͤrper durch ſeine Bewe- gung etwas in dem andern aͤndern, als wenn er an ihm ſtoͤſſet (§. 664. Met.), fol- gends ihn beruͤhret. Derowegen depen- diret ein jeder Coͤrper in der Welt von an- dern, die um ihn ſind und ihn beruͤhren. Solchergeſtalt iſt immer ein Coͤrper um des

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/98
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/98>, abgerufen am 21.11.2024.