Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.
pwo_106.001 Einen ferneren Schritt zur Auflösung epischer Gestaltenwelt geht pwo_106.015 pwo_106.031 § 58. pwo_106.032 pwo_106.033Ausläufer des Epos. Noch war dem Epos in der Neuzeit eine Nachblüte beschieden. pwo_106.034
pwo_106.001 Einen ferneren Schritt zur Auflösung epischer Gestaltenwelt geht pwo_106.015 pwo_106.031 § 58. pwo_106.032 pwo_106.033Ausläufer des Epos. Noch war dem Epos in der Neuzeit eine Nachblüte beschieden. pwo_106.034 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0120" n="106"/><lb n="pwo_106.001"/> sich allein gestellt,</hi> die souveräne Freiheit des Christenmenschen <lb n="pwo_106.002"/> macht sich zum Herrn der objektiven Welt, die ihm nur eine Erscheinungsform <lb n="pwo_106.003"/> der inneren Welt ist. Nicht mehr Gestaltenfreude, und <lb n="pwo_106.004"/> sei es die Freude an den Gestaltungen der Phantasie, sondern sinnende <lb n="pwo_106.005"/> Versenkung in die moralische und metaphysische Welt führt den <lb n="pwo_106.006"/> Griffel. Philosophische Reflexion über den Ursprung des Uebels, wie <lb n="pwo_106.007"/> sie die ganze konsequent-protestantische Christenheit während des 17. <lb n="pwo_106.008"/> und 18. Jahrhunderts in Erregung hielt, wird hier in die Erzählung <lb n="pwo_106.009"/> vom Verlorenen und vom Wiedergewonnenen Paradies als Kern der <lb n="pwo_106.010"/> Handlung versenkt. So wird die Darstellung bei allen Versuchen, <lb n="pwo_106.011"/> das Uebersinnliche in seinen großen Zügen wie im kleinen Detail <lb n="pwo_106.012"/> vernunftgemäß auszumalen, vorherrschend zum rhetorischen Ausdruck <lb n="pwo_106.013"/> fortreißender Begeisterung für den erhabenen Gegenstand.</p> <lb n="pwo_106.014"/> <p> Einen ferneren Schritt zur Auflösung epischer Gestaltenwelt geht <lb n="pwo_106.015"/> <hi rendition="#g">Klopstock.</hi> Wenn sein „Messias“ in mächtigen Tönen die klassische <lb n="pwo_106.016"/> Periode unserer Litteratur einläutet, so bekundet sich noch einmal die <lb n="pwo_106.017"/> ganze Bedeutung epischer Poesie: der Grundzug ihres Wesens, der in <lb n="pwo_106.018"/> allen Variationen ihrer Form erhalten bleibt, tritt noch einmal in <lb n="pwo_106.019"/> majestätischem Strom vor unser Auge. <hi rendition="#g">Bewunderung für Gestalten <lb n="pwo_106.020"/> einer höheren Welt,</hi> einer über unseren Durchschnitt <lb n="pwo_106.021"/> hinausragenden Sphäre, und <hi rendition="#g">Erhebung zu der heroischen <lb n="pwo_106.022"/> Größe dieser Gestalten</hi> hat all der platt naturalistischen Alltäglichkeit, <lb n="pwo_106.023"/> jenem kriechend niedrigen Stil der Gottsched-Zeit ein Ende <lb n="pwo_106.024"/> bereitet. Plastik, gar Jndividualität ist freilich einer Messiasdichtung <lb n="pwo_106.025"/> nicht voll erreichbar. Aussprache von Empfindungen steht im Vordergrund. <lb n="pwo_106.026"/> Die ruhige Erzählung ist immer wieder durchbrochen, indem <lb n="pwo_106.027"/> den Wirkungen auf die Bewohner von Himmel und Hölle, auf die <lb n="pwo_106.028"/> gegenwärtige, vergangene und zukünftige Menschheit nachgegangen wird. <lb n="pwo_106.029"/> Lyrische Darstellungsmittel haben sonach die epische Form weithin <lb n="pwo_106.030"/> überwuchert.</p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_106.031"/> <head> <hi rendition="#c">§ 58. <lb n="pwo_106.032"/> Ausläufer des Epos.</hi> </head> <lb n="pwo_106.033"/> <p> Noch war dem Epos in der Neuzeit eine Nachblüte beschieden. <lb n="pwo_106.034"/> Wir verweisen nur für Deutschland auf Wieland und Goethe, für <lb n="pwo_106.035"/> England auf Byron.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [106/0120]
pwo_106.001
sich allein gestellt, die souveräne Freiheit des Christenmenschen pwo_106.002
macht sich zum Herrn der objektiven Welt, die ihm nur eine Erscheinungsform pwo_106.003
der inneren Welt ist. Nicht mehr Gestaltenfreude, und pwo_106.004
sei es die Freude an den Gestaltungen der Phantasie, sondern sinnende pwo_106.005
Versenkung in die moralische und metaphysische Welt führt den pwo_106.006
Griffel. Philosophische Reflexion über den Ursprung des Uebels, wie pwo_106.007
sie die ganze konsequent-protestantische Christenheit während des 17. pwo_106.008
und 18. Jahrhunderts in Erregung hielt, wird hier in die Erzählung pwo_106.009
vom Verlorenen und vom Wiedergewonnenen Paradies als Kern der pwo_106.010
Handlung versenkt. So wird die Darstellung bei allen Versuchen, pwo_106.011
das Uebersinnliche in seinen großen Zügen wie im kleinen Detail pwo_106.012
vernunftgemäß auszumalen, vorherrschend zum rhetorischen Ausdruck pwo_106.013
fortreißender Begeisterung für den erhabenen Gegenstand.
pwo_106.014
Einen ferneren Schritt zur Auflösung epischer Gestaltenwelt geht pwo_106.015
Klopstock. Wenn sein „Messias“ in mächtigen Tönen die klassische pwo_106.016
Periode unserer Litteratur einläutet, so bekundet sich noch einmal die pwo_106.017
ganze Bedeutung epischer Poesie: der Grundzug ihres Wesens, der in pwo_106.018
allen Variationen ihrer Form erhalten bleibt, tritt noch einmal in pwo_106.019
majestätischem Strom vor unser Auge. Bewunderung für Gestalten pwo_106.020
einer höheren Welt, einer über unseren Durchschnitt pwo_106.021
hinausragenden Sphäre, und Erhebung zu der heroischen pwo_106.022
Größe dieser Gestalten hat all der platt naturalistischen Alltäglichkeit, pwo_106.023
jenem kriechend niedrigen Stil der Gottsched-Zeit ein Ende pwo_106.024
bereitet. Plastik, gar Jndividualität ist freilich einer Messiasdichtung pwo_106.025
nicht voll erreichbar. Aussprache von Empfindungen steht im Vordergrund. pwo_106.026
Die ruhige Erzählung ist immer wieder durchbrochen, indem pwo_106.027
den Wirkungen auf die Bewohner von Himmel und Hölle, auf die pwo_106.028
gegenwärtige, vergangene und zukünftige Menschheit nachgegangen wird. pwo_106.029
Lyrische Darstellungsmittel haben sonach die epische Form weithin pwo_106.030
überwuchert.
pwo_106.031
§ 58. pwo_106.032
Ausläufer des Epos. pwo_106.033
Noch war dem Epos in der Neuzeit eine Nachblüte beschieden. pwo_106.034
Wir verweisen nur für Deutschland auf Wieland und Goethe, für pwo_106.035
England auf Byron.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: nicht übernommen; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): wie Vorlage; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: nicht übernommen; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |