Da sah er denn, daß von den Geschöpfen keines ohne Haß lebt, pwo_160.002 aber - sie haben ihre Ordnung, sie wählen sich ihre Führer, denen pwo_160.003 sie sich unterordnen. Und damit ist die Ueberleitung gegeben.
pwo_160.004
"So we dir, tiuschiu zunge,pwo_160.005 wie stet dein ordenunge,pwo_160.006 daz nau diu mugge ir künec hatpwo_160.007 und daz dein ere also zergat!"
pwo_160.008
Jn der Entfaltung der Gedanken gewinnt die Allegorie weiteste pwo_160.009 Ausdehnung; ein einheitliches Bild gelangt zu künstlerischer Durchführung:
pwo_160.010 pwo_160.011
"Ja leider desn mac niht gesein,pwo_160.012 daz guot und werltlich erepwo_160.013 und gotes hulde merepwo_160.014 zesamene in ein herze komen.pwo_160.015 steig unde wege sint in benomen:pwo_160.016 untriuwe ist in der saze,pwo_160.017 gewalt vert auf der straze,pwo_160.018 frid unde reht sint sere wunt:pwo_160.019 diu driu enhabent geleites niht, diu zwei enwerden e gesunt."
pwo_160.020
Wie eine aufjubelnde Empfindung von einer plastischen Phantasie alsbald pwo_160.021 in gegenständliche Darlegungen, zum teil in direkte Erzählung pwo_160.022 hinübergeleitet wird, zeigt fast jede Strophe.
pwo_160.023
"Ich han mein lehen, al die werlt! ich han mein lehen!"
pwo_160.024
Mit diesem Ausruf kennzeichnet der Beginn des Spruches den Keim pwo_160.025 dieses Gedichtes. Jndem Walther nun die Folgen des ausgerufenen pwo_160.026 Ereignisses abmißt, tritt in Kontrastwirkung sein bisheriges armseliges pwo_160.027 Leben mit rührender Deutlichkeit hervor:
pwo_160.028
"Nau enfürhte ich niht den hornunc an die zehenpwo_160.029 und wil alle boese herren deste minne vlehen.pwo_160.030 der edel künic, der milte künic hat mich beraten,pwo_160.031 daz ich den sumer luft und in dem winter hitze han.pwo_160.032 mein nahgebauren dunke ich verre baz getan:pwo_160.033 sie sehent mich niht mer an in butzen weis also sie taten ..."
pwo_160.034
Aeußere Erlebnisse, die zum Keim eines Liedes werden, ziehen oft in pwo_160.035 voller Anschaulichkeit an uns vorüber, so daß durch die Erreger der pwo_160.036 Stimmung diese auch in uns unmittelbar erzeugt wird. Hier ragt pwo_160.037 als einer der Gipfel von Walthers Poesie empor:
pwo_160.038
"Owe war sint verswunden alliu meiniu jar?"
pwo_160.001
Da sah er denn, daß von den Geschöpfen keines ohne Haß lebt, pwo_160.002 aber – sie haben ihre Ordnung, sie wählen sich ihre Führer, denen pwo_160.003 sie sich unterordnen. Und damit ist die Ueberleitung gegeben.
pwo_160.004
„Sô wê dir, tiuschiu zunge,pwo_160.005 wie stêt dîn ordenunge,pwo_160.006 daz nû diu mugge ir künec hâtpwo_160.007 und daz dîn êre alsô zergât!“
pwo_160.008
Jn der Entfaltung der Gedanken gewinnt die Allegorie weiteste pwo_160.009 Ausdehnung; ein einheitliches Bild gelangt zu künstlerischer Durchführung:
pwo_160.010 pwo_160.011
„Jâ leider desn mac niht gesîn,pwo_160.012 daz guot und werltlich êrepwo_160.013 und gotes hulde mêrepwo_160.014 zesamene in ein herze komen.pwo_160.015 stîg unde wege sint in benomen:pwo_160.016 untriuwe ist in der sâze,pwo_160.017 gewalt vert ûf der strâze,pwo_160.018 frid unde reht sint sêre wunt:pwo_160.019 diu driu enhabent geleites niht, diu zwei enwerden ê gesunt.“
pwo_160.020
Wie eine aufjubelnde Empfindung von einer plastischen Phantasie alsbald pwo_160.021 in gegenständliche Darlegungen, zum teil in direkte Erzählung pwo_160.022 hinübergeleitet wird, zeigt fast jede Strophe.
pwo_160.023
„Ich hân mîn lêhen, al die werlt! ich hân mîn lêhen!“
pwo_160.024
Mit diesem Ausruf kennzeichnet der Beginn des Spruches den Keim pwo_160.025 dieses Gedichtes. Jndem Walther nun die Folgen des ausgerufenen pwo_160.026 Ereignisses abmißt, tritt in Kontrastwirkung sein bisheriges armseliges pwo_160.027 Leben mit rührender Deutlichkeit hervor:
pwo_160.028
„Nû enfürhte ich niht den hornunc an die zêhenpwo_160.029 und wil alle bœse hêrren deste minne vlêhen.pwo_160.030 der edel künic, der milte künic hât mich berâten,pwo_160.031 daz ich den sumer luft und in dem winter hitze hân.pwo_160.032 mîn nâhgebûren dunke ich verre baz getân:pwo_160.033 sie sehent mich niht mêr an in butzen wîs alsô sie tâten ...“
pwo_160.034
Aeußere Erlebnisse, die zum Keim eines Liedes werden, ziehen oft in pwo_160.035 voller Anschaulichkeit an uns vorüber, so daß durch die Erreger der pwo_160.036 Stimmung diese auch in uns unmittelbar erzeugt wird. Hier ragt pwo_160.037 als einer der Gipfel von Walthers Poesie empor:
pwo_160.038
„Owê war sint verswunden alliu mîniu jâr?“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0174"n="160"/><lbn="pwo_160.001"/><p>Da sah er denn, daß von den Geschöpfen keines ohne Haß lebt, <lbn="pwo_160.002"/>
aber – sie haben ihre Ordnung, sie wählen sich ihre Führer, denen <lbn="pwo_160.003"/>
sie sich unterordnen. Und damit ist die Ueberleitung gegeben.</p><lbn="pwo_160.004"/><p><hirendition="#aq"><lg><l>„Sô wê dir, tiuschiu zunge,</l><lbn="pwo_160.005"/><l>wie stêt dîn ordenunge,</l><lbn="pwo_160.006"/><l>daz nû diu mugge ir künec hât</l><lbn="pwo_160.007"/><l>und daz dîn êre alsô zergât!“</l></lg></hi></p><lbn="pwo_160.008"/><p>Jn der Entfaltung der Gedanken gewinnt die <hirendition="#g">Allegorie</hi> weiteste <lbn="pwo_160.009"/>
Ausdehnung; ein einheitliches Bild gelangt zu künstlerischer Durchführung:</p><lbn="pwo_160.010"/><lbn="pwo_160.011"/><p><hirendition="#aq"><lg><l>„Jâ leider desn mac niht gesîn,</l><lbn="pwo_160.012"/><l>daz guot und werltlich êre</l><lbn="pwo_160.013"/><l>und gotes hulde mêre</l><lbn="pwo_160.014"/><l>zesamene in ein herze komen.</l><lbn="pwo_160.015"/><l>stîg unde wege sint in benomen:</l><lbn="pwo_160.016"/><l>untriuwe ist in der sâze,</l><lbn="pwo_160.017"/><l>gewalt vert ûf der strâze,</l><lbn="pwo_160.018"/><l>frid unde reht sint sêre wunt:</l><lbn="pwo_160.019"/><l>diu driu enhabent geleites niht, diu zwei enwerden ê gesunt.“</l></lg></hi></p><lbn="pwo_160.020"/><p>Wie eine aufjubelnde Empfindung von einer plastischen Phantasie alsbald <lbn="pwo_160.021"/>
in gegenständliche Darlegungen, zum teil in direkte Erzählung <lbn="pwo_160.022"/>
hinübergeleitet wird, zeigt fast jede Strophe.</p><lbn="pwo_160.023"/><p><hirendition="#aq"><lg><l>„Ich hân mîn lêhen, al die werlt! ich hân mîn lêhen!“</l></lg></hi></p><lbn="pwo_160.024"/><p>Mit diesem Ausruf kennzeichnet der Beginn des Spruches den Keim <lbn="pwo_160.025"/>
dieses Gedichtes. Jndem Walther nun die Folgen des ausgerufenen <lbn="pwo_160.026"/>
Ereignisses abmißt, tritt in Kontrastwirkung sein bisheriges armseliges <lbn="pwo_160.027"/>
Leben mit rührender Deutlichkeit hervor:</p><lbn="pwo_160.028"/><p><hirendition="#aq"><lg><l>„Nû enfürhte ich niht den hornunc an die zêhen</l><lbn="pwo_160.029"/><l>und wil alle bœse hêrren deste minne vlêhen.</l><lbn="pwo_160.030"/><l>der edel künic, der milte künic hât mich berâten,</l><lbn="pwo_160.031"/><l>daz ich den sumer luft und in dem winter hitze hân.</l><lbn="pwo_160.032"/><l>mîn nâhgebûren dunke ich verre baz getân:</l><lbn="pwo_160.033"/><l>sie sehent mich niht mêr an in butzen wîs alsô sie tâten ...“</l></lg></hi></p><lbn="pwo_160.034"/><p>Aeußere Erlebnisse, die zum Keim eines Liedes werden, ziehen oft in <lbn="pwo_160.035"/>
voller Anschaulichkeit an uns vorüber, so daß durch die Erreger der <lbn="pwo_160.036"/>
Stimmung diese auch in uns unmittelbar erzeugt wird. Hier ragt <lbn="pwo_160.037"/>
als einer der Gipfel von Walthers Poesie empor:</p><lbn="pwo_160.038"/><p><hirendition="#aq"><lg><l>„Owê war sint verswunden alliu mîniu jâr?“</l></lg></hi></p></div></div></div></body></text></TEI>
[160/0174]
pwo_160.001
Da sah er denn, daß von den Geschöpfen keines ohne Haß lebt, pwo_160.002
aber – sie haben ihre Ordnung, sie wählen sich ihre Führer, denen pwo_160.003
sie sich unterordnen. Und damit ist die Ueberleitung gegeben.
pwo_160.004
„Sô wê dir, tiuschiu zunge, pwo_160.005
wie stêt dîn ordenunge, pwo_160.006
daz nû diu mugge ir künec hât pwo_160.007
und daz dîn êre alsô zergât!“
pwo_160.008
Jn der Entfaltung der Gedanken gewinnt die Allegorie weiteste pwo_160.009
Ausdehnung; ein einheitliches Bild gelangt zu künstlerischer Durchführung:
pwo_160.010
pwo_160.011
„Jâ leider desn mac niht gesîn, pwo_160.012
daz guot und werltlich êre pwo_160.013
und gotes hulde mêre pwo_160.014
zesamene in ein herze komen. pwo_160.015
stîg unde wege sint in benomen: pwo_160.016
untriuwe ist in der sâze, pwo_160.017
gewalt vert ûf der strâze, pwo_160.018
frid unde reht sint sêre wunt: pwo_160.019
diu driu enhabent geleites niht, diu zwei enwerden ê gesunt.“
pwo_160.020
Wie eine aufjubelnde Empfindung von einer plastischen Phantasie alsbald pwo_160.021
in gegenständliche Darlegungen, zum teil in direkte Erzählung pwo_160.022
hinübergeleitet wird, zeigt fast jede Strophe.
pwo_160.023
„Ich hân mîn lêhen, al die werlt! ich hân mîn lêhen!“
pwo_160.024
Mit diesem Ausruf kennzeichnet der Beginn des Spruches den Keim pwo_160.025
dieses Gedichtes. Jndem Walther nun die Folgen des ausgerufenen pwo_160.026
Ereignisses abmißt, tritt in Kontrastwirkung sein bisheriges armseliges pwo_160.027
Leben mit rührender Deutlichkeit hervor:
pwo_160.028
„Nû enfürhte ich niht den hornunc an die zêhen pwo_160.029
und wil alle bœse hêrren deste minne vlêhen. pwo_160.030
der edel künic, der milte künic hât mich berâten, pwo_160.031
daz ich den sumer luft und in dem winter hitze hân. pwo_160.032
mîn nâhgebûren dunke ich verre baz getân: pwo_160.033
sie sehent mich niht mêr an in butzen wîs alsô sie tâten ...“
pwo_160.034
Aeußere Erlebnisse, die zum Keim eines Liedes werden, ziehen oft in pwo_160.035
voller Anschaulichkeit an uns vorüber, so daß durch die Erreger der pwo_160.036
Stimmung diese auch in uns unmittelbar erzeugt wird. Hier ragt pwo_160.037
als einer der Gipfel von Walthers Poesie empor:
pwo_160.038
„Owê war sint verswunden alliu mîniu jâr?“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Technische Universität Darmstadt, Universität Stuttgart: Bereitstellung der Scan-Digitalisate und der Texttranskription.
(2015-09-30T09:54:39Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
TextGrid/DARIAH-DE: Langfristige Bereitstellung der TextGrid/DARIAH-DE-Repository-Ausgabe
Stefan Alscher: Bearbeitung der digitalen Edition - Annotation des Metaphernbegriffs
Hans-Werner Bartz: Bearbeitung der digitalen Edition - Tustep-Unterstützung
Michael Bender: Bearbeitung der digitalen Edition - Koordination, Konzeption (Korpusaufbau, Annotationsschema, Workflow, Publikationsformen), Annotation des Metaphernbegriffs, XML-Auszeichnung)
Leonie Blumenschein: Bearbeitung der digitalen Edition - XML-Auszeichnung
David Glück: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung, Annotation des Metaphernbegriffs, XSL+JavaScript
Constanze Hahn: Bearbeitung der digitalen Edition - Korpusaufbau, XML-Auszeichnung
Philipp Hegel: Bearbeitung der digitalen Edition - XML/XSL/CSS-Unterstützung
Andrea Rapp: ePoetics-Projekt-Koordination
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: gekennzeichnet;
Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: nicht übernommen;
Kustoden: nicht übernommen;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine;
rundes r (ꝛ): wie Vorlage;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: nicht übernommen;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/174>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.