Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_169.001 Studentenart wird gekennzeichnet: pwo_169.002"Schlimm Leut sind Studenten, man sagt's überall; pwo_169.003 pwo_169.006Obwohl sie schon kommen im Jahr nur einmal, pwo_169.004 So machen 's ins Dorf so viel Unruh und Mist, pwo_169.005 Daß uns die erste Woche schon weh dabei ist." Ebenso weicht der musikalisch bewegte Strophenbau stellenweise einförmiger pwo_169.007 pwo_169.010 § 69. pwo_169.011 pwo_169.012Liedartige Lyrik in neudeutscher Zeit. Schon durch seinen vorherrschend didaktischen Charakter fällt der pwo_169.013 Ueberraschend weit berührt sich denn auch das Luthersche Kirchenlied pwo_169.021 "So hört und merket alle wohl"; pwo_169.024 pwo_169.028"Jch bring euch gute neue Mär, pwo_169.025 Der guten Mär bring ich so viel. pwo_169.026 Davon ich singen und sagen will"; pwo_169.027 "Merk auf, mein Herz, und sieh dorthin"; im Lied von den zween Märtyrern gar: pwo_169.029"Ein neues Lied wir heben an" pwo_169.030und zahlreiche weitere Elemente des Volksliedes. Auch Fragen und pwo_169.031 pwo_169.001 Studentenart wird gekennzeichnet: pwo_169.002„Schlimm Leut sind Studenten, man sagt's überall; pwo_169.003 pwo_169.006Obwohl sie schon kommen im Jahr nur einmal, pwo_169.004 So machen 's ins Dorf so viel Unruh und Mist, pwo_169.005 Daß uns die erste Woche schon weh dabei ist.“ Ebenso weicht der musikalisch bewegte Strophenbau stellenweise einförmiger pwo_169.007 pwo_169.010 § 69. pwo_169.011 pwo_169.012Liedartige Lyrik in neudeutscher Zeit. Schon durch seinen vorherrschend didaktischen Charakter fällt der pwo_169.013 Ueberraschend weit berührt sich denn auch das Luthersche Kirchenlied pwo_169.021 „So hört und merket alle wohl“; pwo_169.024 pwo_169.028„Jch bring euch gute neue Mär, pwo_169.025 Der guten Mär bring ich so viel. pwo_169.026 Davon ich singen und sagen will“; pwo_169.027 „Merk auf, mein Herz, und sieh dorthin“; im Lied von den zween Märtyrern gar: pwo_169.029„Ein neues Lied wir heben an“ pwo_169.030und zahlreiche weitere Elemente des Volksliedes. 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Das Kirchenlied wird schon wegen seiner <lb n="pwo_169.018"/> Bestimmung zum Gemeindegesang dem Herzen des Volkes genähert, <lb n="pwo_169.019"/> ja aus dem Herzen des Volkes geschöpft.</p> <lb n="pwo_169.020"/> <p> Ueberraschend weit berührt sich denn auch das Luthersche Kirchenlied <lb n="pwo_169.021"/> mit dem Stil des weltlichen Volksliedes. Aus diesem sind unmittelbar <lb n="pwo_169.022"/> eine Reihe typischer Wendungen übernommen:</p> <lb n="pwo_169.023"/> <lg> <l>„So hört und merket alle wohl“;</l> <lb n="pwo_169.024"/> <l>„Jch bring euch gute neue Mär,</l> <lb n="pwo_169.025"/> <l>Der guten Mär bring ich so viel.</l> <lb n="pwo_169.026"/> <l>Davon ich singen und sagen will“;</l> <lb n="pwo_169.027"/> <l>„Merk auf, mein Herz, und sieh dorthin“;</l> </lg> <lb n="pwo_169.028"/> <p>im Lied von den zween Märtyrern gar:</p> <lb n="pwo_169.029"/> <lg> <l>„Ein neues Lied wir heben an“</l> </lg> <lb n="pwo_169.030"/> <p>und zahlreiche weitere Elemente des Volksliedes. 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Studentenart wird gekennzeichnet:
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Ebenso weicht der musikalisch bewegte Strophenbau stellenweise einförmiger pwo_169.007
Regelmäßigkeit. Jnzwischen bahnt der Meistersang der pwo_169.008
Gewerke, der sich in verkünstelten Tönen und Weisen gefällt, den pwo_169.009
Uebergang zu abstrakter Rhetorik an.
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§ 69. pwo_169.011
Liedartige Lyrik in neudeutscher Zeit. pwo_169.012
Schon durch seinen vorherrschend didaktischen Charakter fällt der pwo_169.013
Meistersang aus dem Wesen des Liedes heraus. Seine Stoffe entnimmt pwo_169.014
er meist religiösem Gebiet. Jn den schlichten Ton des Liedes pwo_169.015
lenkt erst Luther die geistliche Lyrik zurück. Der Meistersang war pwo_169.016
dem Prinzip nach Einzelgesang in schärfster Ausprägung des originalitätslüsternen pwo_169.017
Einzelgeistes. Das Kirchenlied wird schon wegen seiner pwo_169.018
Bestimmung zum Gemeindegesang dem Herzen des Volkes genähert, pwo_169.019
ja aus dem Herzen des Volkes geschöpft.
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Ueberraschend weit berührt sich denn auch das Luthersche Kirchenlied pwo_169.021
mit dem Stil des weltlichen Volksliedes. Aus diesem sind unmittelbar pwo_169.022
eine Reihe typischer Wendungen übernommen:
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„So hört und merket alle wohl“; pwo_169.024
„Jch bring euch gute neue Mär, pwo_169.025
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„Merk auf, mein Herz, und sieh dorthin“;
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im Lied von den zween Märtyrern gar:
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und zahlreiche weitere Elemente des Volksliedes. Auch Fragen und pwo_169.031
sonst dialogische Form sucht das Kirchenlied, vor allem aber gern den pwo_169.032
Refrän. Luther und seine unmittelbaren Nachfolger sind reich an pwo_169.033
plastischen Bildern und selbst scenischen Einkleidungen. So führt das pwo_169.034
Trutzlied des Protestantismus „Ein feste Burg“ die bildlichen Vorstellungen
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Zitationshilfe: | Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/183>, abgerufen am 16.02.2025. |