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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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um seine Rolle noch freier zu gestalten, seine Betrachtungen noch pwo_187.002
weiter von der Handlung zu entfremden.

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Durch den ursprünglich bestimmenden und noch immer vorherrschend pwo_187.004
organischen Charakter des Chors wird nun der Aufbau der pwo_187.005
Tragödie in primitiven Grenzen festgehalten. Wenn derselbe Chor pwo_187.006
andauernd auf der Bühne verharrt, ist an einen Ortswechsel eigentlich pwo_187.007
nicht zu denken. Ebenso bleibt schon aus demselben Hinblick die Zeit pwo_187.008
der Handlung auf wenige Stunden eingeschränkt und damit die Entfaltung pwo_187.009
eines vollen Handlungsverlaufs unmöglich. Keineswegs gilt pwo_187.010
aber die Einheit des Ortes und auch der Zeit dermaßen als organische pwo_187.011
Bedingung der Tragödie, daß nicht Abweichungen ohne Zerstörung pwo_187.012
des dramatischen Organismus möglich wären. Der Chor pwo_187.013
brauchte nur vorübergehend abzutreten, und ein Wechsel der Scene, pwo_187.014
auch ein längerer zeitlicher Zwischenraum war ermöglicht. Beider pwo_187.015
Freiheiten bedienen sich z. B. "Die Eumeniden" des Aeschylos; selbst pwo_187.016
Sophokles scheute im "Ajas" Ortswechsel nicht.

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Mit Einführung der Tetralogie war überdies ein tief eingreifendes pwo_187.018
Mittel gegeben, die Einförmigkeit der Handlung zu überwinden. pwo_187.019
Solange die drei Tragödien - und womöglich auch das Satyrspiel, pwo_187.020
eine Wiederauferstehung des derben Elements im alten Satyrchor - pwo_187.021
demselben Stoffkreise entnommen waren - wie es wenigstens durch pwo_187.022
Aeschylos grundsätzlich geschah -, bot sich zugleich die natürlichste pwo_187.023
Verknüpfung der Einzeltragödien mit ihrem episodischen Zug zu einem pwo_187.024
in Ursache und Wirkung zusammenhängenden Gesamtdrama. Auch pwo_187.025
auf diesem Wege dürfte das Kunstwerk des Aeschylos einen Gipfel pwo_187.026
bezeichnen, von dem man mit Unrecht herabgestiegen, um auf einem pwo_187.027
bequemeren Paß ans Ziel tragischer Wirkung zu gelangen.

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Auch die einzelne Tragödie gewann naturgemäß eine Gliederung, pwo_187.029
nicht in dem Sinne schulgemäßer, bewußt kunstvoller Abstufung, vorerst pwo_187.030
nur als organisches Ansetzen von Gliedern, die den erweiterten pwo_187.031
Aufgaben des zur Tragödie fortgebildeten Dithyrambos entsprachen. pwo_187.032
Als Klagesang über die ersterbende Natur bietet er schon die Katastrophe. pwo_187.033
Wie sich der eigentlich dramatische Teil indes zuerst als pwo_187.034
Zwischenspiel in die Chorgesänge drängte, wird das Mittelglied in pwo_187.035
der ausgebildeten tragischen Form das wesentlichste und zunehmend pwo_187.036
ausgedehnt. Keineswegs braucht der tragische Held sogleich im Eingang

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um seine Rolle noch freier zu gestalten, seine Betrachtungen noch pwo_187.002
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  Durch den ursprünglich bestimmenden und noch immer vorherrschend pwo_187.004
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Freiheiten bedienen sich z. B. „Die Eumeniden“ des Aeschylos; selbst pwo_187.016
Sophokles scheute im „Ajas“ Ortswechsel nicht.

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  Mit Einführung der Tetralogie war überdies ein tief eingreifendes pwo_187.018
Mittel gegeben, die Einförmigkeit der Handlung zu überwinden. pwo_187.019
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eine Wiederauferstehung des derben Elements im alten Satyrchor – pwo_187.021
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Aeschylos grundsätzlich geschah –, bot sich zugleich die natürlichste pwo_187.023
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  Auch die einzelne Tragödie gewann naturgemäß eine Gliederung, pwo_187.029
nicht in dem Sinne schulgemäßer, bewußt kunstvoller Abstufung, vorerst pwo_187.030
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Aufgaben des zur Tragödie fortgebildeten Dithyrambos entsprachen. pwo_187.032
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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/201>, abgerufen am 22.11.2024.